Der Beitrag ist eine Wiederholung vom 13.07.2020.
Freiheit durch weniger Konsum
29:12 Minuten
Weniger kaufen ist in Zeiten des Klimawandels ein großes Thema, wird oft aber als Einschränkung und Verzicht angesehen. Menschen, die bereits "anders" leben, empfinden es jedoch vielmehr als Befreiung – und sehen darin ein Zukunftsmodell.
Eine Nebenstraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die blonde Frau, die im Sonnenschein ganz gemütlich auf ein Ladengeschäft zusteuert, ist Lina Jachmann:
"Das ist ein Unverpacktladen. Davon gibt es in Berlin zum Glück schon mehrere. Und zwar kann man dort Produkte ohne Verpackungen, die Einwegverpackungen sind, also direkt danach im Müll landen, einkaufen."
"Das ist ein Unverpacktladen. Davon gibt es in Berlin zum Glück schon mehrere. Und zwar kann man dort Produkte ohne Verpackungen, die Einwegverpackungen sind, also direkt danach im Müll landen, einkaufen."
Lina Jachmann ist Autorin und bezeichnet sich als Minimalistin.
"Bei Minimalismus ist es ja so, dass man anfängt, sich auf die Sachen zu besinnen, die man wirklich in seinem Leben behalten möchte. Und Menschen, die diesen Prozess durchlaufen, kommen meist schnell zu dem Schluss, dass Plastik, also unnützes Plastik, dass das so Dinge sind, die man nicht so gern in seinem Leben haben möchte. Und deswegen glaube ich, gibt es eine sehr große Schnittmenge zwischen Minimalisten und Menschen, die in Unverpacktläden einkaufen."
"Ich habe angefangen, meine Ernährung zu entrümpeln"
Es ist schon einige Jahre her, dass Lina Jachmann anfing, ihr Konsumverhalten zu hinterfragen. Der Anlass dazu war gesundheitlicher Natur. Eine Heilpraktikerin empfahl ihr, aus Allergiegründen alle tierischen Produkte wegzulassen:
"Ich habe angefangen, meine Ernährung zu entrümpeln. Ich habe mich zu der Zeit schon vegetarisch ernährt, habe aber relativ viele Milchprodukte gegessen, weil das dann ja oft so ein Substitut ist. Die ersten vier Wochen waren wirklich hart. Ich hatte so einen Zettel an meinen Kühlschrank geklebt und habe dann wie im Knast jeden Tag einen Strich gemacht – immer so vier und dann einen schräg durchgestrichen. Das war schon eine Herausforderung, aber wenn man das einmal etabliert hat, ist das überhaupt kein Ding mehr."
"Ich habe angefangen, meine Ernährung zu entrümpeln. Ich habe mich zu der Zeit schon vegetarisch ernährt, habe aber relativ viele Milchprodukte gegessen, weil das dann ja oft so ein Substitut ist. Die ersten vier Wochen waren wirklich hart. Ich hatte so einen Zettel an meinen Kühlschrank geklebt und habe dann wie im Knast jeden Tag einen Strich gemacht – immer so vier und dann einen schräg durchgestrichen. Das war schon eine Herausforderung, aber wenn man das einmal etabliert hat, ist das überhaupt kein Ding mehr."
Und die Allergieprobleme wurden weniger. Die Erfahrung, durch ein Ändern der Konsumgewohnheiten eine Verbesserung der Lebensqualität zu erlangen, machte Jachmann neugierig auf mehr. Sie recherchierte und schrieb ein Buch, in dem sie rund 30 Menschen portraitierte, die sich ebenfalls als Minimalistinnen und Minimalisten bezeichnen:
"Besonders beeindruckt hat mich die Begegnung mit Joachim Klöckner, der nur grob 50 Dinge besitzt, wobei er die Socken sogar schon einzeln zählt. Ich bin mit der Fotografin da hingefahren und in seinem Zimmer hatte er dann quasi nichts: Er hatte eine weiße Hängematte, die er als Sofa und als Bett benutzt hat und seine paar Habseligkeiten. Ich fand das irgendwie unglaublich faszinierend, weil ich so viel Freiheit darin gespürt habe. Er packt seine Sachen in den Rucksack, hakt seine Hängematte aus und hat dann ganz spontan entschieden, den Winter bei Freunden im Süden zu verbringen."
Minimalismus muss nicht Verzicht heißen
Die Begegnungen mit den Hauptfiguren des Buches inspirierten Lina Jachmann – und bestärkten sie in ihrem eigenen Lebensweg:
"Es gibt Leute, die Minimalismus mit Verzicht gleichsetzen und dann schlussfolgern, dass es ein unheimlich freudloser Lebensstil sein muss. Beim Minimalismus ist es so, dass man genau betrachtet, welche Dinge das Leben bereichern. Und dabei finde ich es ganz wichtig, nicht so einen defizitären Blick zu haben, sondern zu schauen: Was möchte ich in meinem Leben haben? Sich zu fokussieren auf die Dinge, die man wirklich aktiv benutzt – und sich ganz bewusst für diese Dinge zu entscheiden."
Und so besitzt Lina Jachmann in einigen Lebensbereichen durchaus viele Dinge – in der Küche beispielsweise, da sie leidenschaftlich gern kocht. Von dem in der Minimalismus-Bewegung weit verbreiteten Ziel, sich auf maximal 100 Gegenstände zu beschränken, hält sie daher wenig. Lina Jachmann hat vielmehr ihre Grundhaltung zum Konsum verändert:
"Ich bin von der Konsumentin zur Verbraucherin geworden. Das heißt, ich kaufe Dinge ein, weil ich sie verbraucht habe und neu brauche. Ich kaufe nicht zum Konsum, nicht zur Unterhaltung, nicht zur Belohnung. So wie ich das früher gemacht habe, wenn ich mal so arbeitsintensive Phasen hatte. So was gibt es bei mir gar nicht mehr. Und ich finde, das sollte auch normal sein, dass wir davon weg kommen."
"Es gibt Leute, die Minimalismus mit Verzicht gleichsetzen und dann schlussfolgern, dass es ein unheimlich freudloser Lebensstil sein muss. Beim Minimalismus ist es so, dass man genau betrachtet, welche Dinge das Leben bereichern. Und dabei finde ich es ganz wichtig, nicht so einen defizitären Blick zu haben, sondern zu schauen: Was möchte ich in meinem Leben haben? Sich zu fokussieren auf die Dinge, die man wirklich aktiv benutzt – und sich ganz bewusst für diese Dinge zu entscheiden."
Und so besitzt Lina Jachmann in einigen Lebensbereichen durchaus viele Dinge – in der Küche beispielsweise, da sie leidenschaftlich gern kocht. Von dem in der Minimalismus-Bewegung weit verbreiteten Ziel, sich auf maximal 100 Gegenstände zu beschränken, hält sie daher wenig. Lina Jachmann hat vielmehr ihre Grundhaltung zum Konsum verändert:
"Ich bin von der Konsumentin zur Verbraucherin geworden. Das heißt, ich kaufe Dinge ein, weil ich sie verbraucht habe und neu brauche. Ich kaufe nicht zum Konsum, nicht zur Unterhaltung, nicht zur Belohnung. So wie ich das früher gemacht habe, wenn ich mal so arbeitsintensive Phasen hatte. So was gibt es bei mir gar nicht mehr. Und ich finde, das sollte auch normal sein, dass wir davon weg kommen."
Die Autorin Lina Jachmann fühlt sich mit weniger Konsum keineswegs eingeschränkt, sondern freier und leichter.
Mehr Wohlstand gleich höhere Lebenszufriedenheit?
Niko Paech, Ökonom und Wachstumskritiker mit Professur an der Universität Siegen, ist über diesen Effekt wenig verwundert:
"Wenn der Tag nur 24 Stunden hat und meine psychischen Ressourcen begrenzt sind, dann gibt es eine Obergrenze für das, was ich an Genüssen oder Konsumfunktion überhaupt noch sinnstiftend oder Lust stiftend verarbeiten kann – und wir haben diese Grenze längst überschritten. Das heißt, die Beobachtung, dass dort, wo der höchste Wohlstand grassiert, die Lebenszufriedenheit während mehrerer Jahrzehnte nicht mehr gewachsen ist. Der Stress wird mehr, Depressionen, Burnout-Phänomene, Orientierungslosigkeit, Reizüberflutung und dergleichen – dies alles nimmt zu.
Gerade weil wir psychische Wachstumsgrenzen erreicht haben, wäre es ja ein Befreiungsschlag, den Konsum sein zu lassen, den wir gar nicht mehr verarbeiten können."
Dass dennoch ungebremst konsumiert wird, liegt für den Volkswirt Gerrit von Jorck, der an der Technischen Universität Berlin unter anderem zu Zeitwohlstand forscht, an verschiedenen Funktionen, die Konsum erfüllen soll:
"Einmal Distinktionskonsum – ich versuche mich also abzugrenzen von anderen und über Statuskonsum zu zeigen, dass es mir besser geht als anderen. Aber zum anderen so was wie Kompensationskonsum: Ich hatte eine stressige Woche und was mache ich? Ich mache dann Onlineshopping oder einen kleinen Kurztrip am Wochenende."
Ein Zustand, der in unserer Wohlstandsgesellschaft durchaus als Freiheit angesehen wird. Gerrit von Jorck sieht hierin aber vielmehr eine Art Hamsterrad, den er Work-Spend-Cycle nennt.
"Work and Spend Cycle ist dieser Zyklus daraus, dass wir arbeiten gehen, um zu konsumieren, und dieser Konsum uns wieder zwingt, immer weiter arbeiten zu gehen. Wenn man sich so einen Löwen anguckt: Der sieht ein paar Antilopen, dann fängt er sich so eine Antilope, isst sich daran satt und dann ist auch erst mal gut. Er hat seine Arbeitsleistung erbracht und hat seinen Konsum, um damit zufrieden zu sein. Der Mensch hingegen lässt sich einreden, dass er noch eine zweite oder dritte Antilope jagen muss, um seinen Wohlstand zu steigern. Was dann aber dazu führt, dass er sich das neueste Kühlschrankmodell kaufen muss, um die Antilopen frisch zu halten und später nutzen zu können."
"Wenn der Tag nur 24 Stunden hat und meine psychischen Ressourcen begrenzt sind, dann gibt es eine Obergrenze für das, was ich an Genüssen oder Konsumfunktion überhaupt noch sinnstiftend oder Lust stiftend verarbeiten kann – und wir haben diese Grenze längst überschritten. Das heißt, die Beobachtung, dass dort, wo der höchste Wohlstand grassiert, die Lebenszufriedenheit während mehrerer Jahrzehnte nicht mehr gewachsen ist. Der Stress wird mehr, Depressionen, Burnout-Phänomene, Orientierungslosigkeit, Reizüberflutung und dergleichen – dies alles nimmt zu.
Gerade weil wir psychische Wachstumsgrenzen erreicht haben, wäre es ja ein Befreiungsschlag, den Konsum sein zu lassen, den wir gar nicht mehr verarbeiten können."
Dass dennoch ungebremst konsumiert wird, liegt für den Volkswirt Gerrit von Jorck, der an der Technischen Universität Berlin unter anderem zu Zeitwohlstand forscht, an verschiedenen Funktionen, die Konsum erfüllen soll:
"Einmal Distinktionskonsum – ich versuche mich also abzugrenzen von anderen und über Statuskonsum zu zeigen, dass es mir besser geht als anderen. Aber zum anderen so was wie Kompensationskonsum: Ich hatte eine stressige Woche und was mache ich? Ich mache dann Onlineshopping oder einen kleinen Kurztrip am Wochenende."
Ein Zustand, der in unserer Wohlstandsgesellschaft durchaus als Freiheit angesehen wird. Gerrit von Jorck sieht hierin aber vielmehr eine Art Hamsterrad, den er Work-Spend-Cycle nennt.
"Work and Spend Cycle ist dieser Zyklus daraus, dass wir arbeiten gehen, um zu konsumieren, und dieser Konsum uns wieder zwingt, immer weiter arbeiten zu gehen. Wenn man sich so einen Löwen anguckt: Der sieht ein paar Antilopen, dann fängt er sich so eine Antilope, isst sich daran satt und dann ist auch erst mal gut. Er hat seine Arbeitsleistung erbracht und hat seinen Konsum, um damit zufrieden zu sein. Der Mensch hingegen lässt sich einreden, dass er noch eine zweite oder dritte Antilope jagen muss, um seinen Wohlstand zu steigern. Was dann aber dazu führt, dass er sich das neueste Kühlschrankmodell kaufen muss, um die Antilopen frisch zu halten und später nutzen zu können."
Geldbringende Arbeit – das Maß aller Dinge
Verstärkt wird dieser Effekt laut von Jorck noch von einer weiteren Entwicklung in der Arbeitswelt:
"Dass man diese 'Double-income, no kids'-Familienzusammenhänge hat, also wo zwei Personen Vollzeit arbeiten und keine Kinder haben. Wir haben eine zunehmende Erwerbsorientierung, es wird eigentlich auch immer mehr gearbeitet. Und ich glaube, dadurch gleichzeitig auch immer mehr zurück geguckt auf Leute, die nicht arbeiten gehen. Es ist jetzt sogar schwierig geworden, selbst für Pflegetätigkeiten auszusteigen."
Die ständige Verfügbarkeit von Geld in Kombination mit einer steigenden Arbeitsbelastung führen also zu Konsum, der über Bedarf oder Bedürfnisse weit hinaus geht.
Diesen Kreislauf zu durchbrechen, sei aber durchaus möglich, meint von Jorck. Er benennt zwei Möglichkeiten:
"Man kann einmal auf dieser Konsumseite ansetzen und sagen: Wir müssten immer weniger konsumieren, um uns damit zu ermöglichen, weniger arbeiten zu gehen. Oder man macht es halt umgekehrt und sagt: Wir müssten unsere Arbeitszeiten reduzieren, um überhaupt nicht erst diese Konsummöglichkeiten zu schaffen. Das sind so die zwei Pfade, die auch in dieser Nachhaltigkeitsdebatte diskutiert werden."
Denn die psychischen Folgen des übermäßigen Konsums sind nur eine Dimension der Wachstumsproblematik. Die andere ist die der ökologischen Folgen. Und die zwingen laut Postwachstumsforscher Niko Paech geradezu zum Handeln.
"Wenn wir die ökologischen Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation noch retten wollen, müssen wir mit dem Wachstumsdogma brechen. Weil eben die Versuche, kraft technischen Fortschritts dieses Wohlstandsmodell von ökologischen Schäden zu entkoppeln, teilweise sogar zu einer Verschlimmbesserung der Ökosphäre geführt hat. Das heißt, wir extrahieren immer mehr Mineralien, wir verbrauchen auch immer mehr Flächen.
"Dass man diese 'Double-income, no kids'-Familienzusammenhänge hat, also wo zwei Personen Vollzeit arbeiten und keine Kinder haben. Wir haben eine zunehmende Erwerbsorientierung, es wird eigentlich auch immer mehr gearbeitet. Und ich glaube, dadurch gleichzeitig auch immer mehr zurück geguckt auf Leute, die nicht arbeiten gehen. Es ist jetzt sogar schwierig geworden, selbst für Pflegetätigkeiten auszusteigen."
Die ständige Verfügbarkeit von Geld in Kombination mit einer steigenden Arbeitsbelastung führen also zu Konsum, der über Bedarf oder Bedürfnisse weit hinaus geht.
Diesen Kreislauf zu durchbrechen, sei aber durchaus möglich, meint von Jorck. Er benennt zwei Möglichkeiten:
"Man kann einmal auf dieser Konsumseite ansetzen und sagen: Wir müssten immer weniger konsumieren, um uns damit zu ermöglichen, weniger arbeiten zu gehen. Oder man macht es halt umgekehrt und sagt: Wir müssten unsere Arbeitszeiten reduzieren, um überhaupt nicht erst diese Konsummöglichkeiten zu schaffen. Das sind so die zwei Pfade, die auch in dieser Nachhaltigkeitsdebatte diskutiert werden."
Denn die psychischen Folgen des übermäßigen Konsums sind nur eine Dimension der Wachstumsproblematik. Die andere ist die der ökologischen Folgen. Und die zwingen laut Postwachstumsforscher Niko Paech geradezu zum Handeln.
"Wenn wir die ökologischen Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation noch retten wollen, müssen wir mit dem Wachstumsdogma brechen. Weil eben die Versuche, kraft technischen Fortschritts dieses Wohlstandsmodell von ökologischen Schäden zu entkoppeln, teilweise sogar zu einer Verschlimmbesserung der Ökosphäre geführt hat. Das heißt, wir extrahieren immer mehr Mineralien, wir verbrauchen auch immer mehr Flächen.
Und unser Wohlstand ist von dieser Plünderung abhängig geworden. Und die zweite Kategorie der Schädigung der Ökosphäre besteht darin, dass wir sie als Aufnahmemedium für die Hinterlassenschaften der Wohlstands-Artefakte nutzen. Zum Beispiel die Lufthülle der Erde als Aufnahmemedium für Co2-Äquivalente und natürlich auch für viele andere schädliche Emissionen."
"Wir haben den Begriff der Freiheit pervertiert"
In Anbetracht dieser Situation will Niko Paech auch keineswegs von einem Zustand der Freiheit westlicher Konsumgesellschaften sprechen:
"Wir haben es geschafft, im Zuge einer merkwürdigen Ideologisierung der individuellen Freiheit, die unbegrenzt zu potenzieren sei, den Begriff der Freiheit zu pervertieren. Eine Freiheit, die sich der eigenen materiellen Grundlagen beraubt, kann keine Freiheit sein."
Am Beispiel Klimawandel macht Paech deutlich, wie viel sich tatsächlich ändern müsste – auch, um globale Gerechtigkeit in den Ressourcenverbräuchen zu erreichen:
"Eine nachhaltige Entwicklung, die diesen Namen verdient, kann auf einem begrenzten Planeten nur bedeuten, globale Gerechtigkeit innerhalb ökologischer Grenzen umzusetzen. Und wenn man dieses Prinzip anwendet auf das derzeit eklatanteste ökologische Problem, und das ist der Klimawandel, dann käme heraus, dass wir nur noch eine ganz begrenzte Menge an Co2-Äquivalenten freisetzen dürften.
"Wir haben es geschafft, im Zuge einer merkwürdigen Ideologisierung der individuellen Freiheit, die unbegrenzt zu potenzieren sei, den Begriff der Freiheit zu pervertieren. Eine Freiheit, die sich der eigenen materiellen Grundlagen beraubt, kann keine Freiheit sein."
Am Beispiel Klimawandel macht Paech deutlich, wie viel sich tatsächlich ändern müsste – auch, um globale Gerechtigkeit in den Ressourcenverbräuchen zu erreichen:
"Eine nachhaltige Entwicklung, die diesen Namen verdient, kann auf einem begrenzten Planeten nur bedeuten, globale Gerechtigkeit innerhalb ökologischer Grenzen umzusetzen. Und wenn man dieses Prinzip anwendet auf das derzeit eklatanteste ökologische Problem, und das ist der Klimawandel, dann käme heraus, dass wir nur noch eine ganz begrenzte Menge an Co2-Äquivalenten freisetzen dürften.
Und diese Menge müssen wir auf alle derzeit lebenden Menschen gerecht verteilen – denn nur das kann zu globaler Gerechtigkeit führen. Und das Ergebnis ist eine Tonne an Co2-Äquivalenten pro Kopf und pro Jahr. Und wir stellen dann fest, dass der Durchschnitt in Deutschland bei zwölf Tonnen liegt. Und dann können wir gucken, was die dicken Brocken in unserer Co2 Bilanz sind: Das ist der SUV, der viel zu üppige Fleischkonsum, der Elektronikkonsum – das ist oft der dekadente Luxus! Das heißt, die Entrümpelung unseres Wohlstandes wäre das Gebot der Stunde."
Ein Leben ohne Berufsabschluss und Geld
Der Fleischkonsum war auch für den Aktivisten Tobi Rosswog der ausschlaggebende Punkt, sein Leben zu verändern:
"Ich glaube, der erste Moment war mit 17 Jahren, als ich am Frühstückstisch saß und das mich angrinsende Stückchen Mortadella-Bärchenwurst vor mir liegen hatte und merkte: 'Boah, krass – das möchte ich eigentlich gar nicht, da ist ein Tier für mich gestorben!' Und das erste Mal habe ich gecheckt, dass ich damit auch verantwortlich bin. Wenn das tagtäglich ist, dann gibt es noch viel drumherum, was ich kritisch reflektieren darf."
Und das tat Tobi: Er fing an, sich in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen zu engagieren – der klassische Bildungsweg verlor dabei für ihn mehr und mehr Bedeutung.
"Habe dann auch angefangen, Schule kritisch zu sehen, habe aber trotzdem noch mein Abi gemacht – auf Anraten meiner Eltern. Und gleichzeitig immer wieder gemerkt: Das ist nicht so mein Lebensweg. Und dann aber tatsächlich noch kurz das Studium angefangen, weil ich ja irgendwie eine Bescheinigung brauche, die mir erlaubt, irgendwas zu sein. Damit ich später irgendwie Geld verdienen kann, dass ich meine Grundbedürfnisse decken kann. Und habe dann gemerkt: Irgendwie befriedigt mich das nicht. Habe dann mein Studium erfolgreich abgebrochen, all mein Geld verschenkt, um ein Experiment zu wagen: Ich gehe raus in die Welt und bin zuversichtlich, dass alles, was ich brauchen werde, da sein wird!"
Tobi ist zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre alt. Er überließ sein restliches Geld der ehemaligen Wohngemeinschaft – und dann ging es los:
"Im Grunde wirklich einen Rucksack gepackt mit einer Isomatte, mit einem Schlafsack... Das Experiment des geldfreien Lebens, kein Geld anzunehmen, aber auch keins rauszugeben, weil ich eben auch keines mehr hatte, ging zweieinhalb Jahre."
Tobi Rosswog ist ein politischer Mensch, er gab schon zu dieser Zeit um die 100 Vorträge im Jahr – über Globalisierung, Konsumkritik, Tierbefreiung. Per Anhalter reiste er quer durch Deutschland und das eben komplett ohne Geld.
"Relativ zu Beginn meiner Reise, bei einem Ökonomieprofessor in Bamberg, einer Konferenz, habe ich dann so eine halbe Stunde geschnackt... Und dann meinte der Professor: 'Wie alle anderen bekommst du deine 200 Euro.' Und dann meinte ich so: 'Nee, das möchte ich nicht, danke!' Genau darum geht’s mir, das zu überwinden! Gib es doch gern an andere Menschen weiter!"
Tobi stieß mit dieser Haltung auf viel Verwunderung. Die einzige von ihm geforderte Gegenleistung waren Übernachtung und Verpflegung vor Ort.
"Ich glaube, der erste Moment war mit 17 Jahren, als ich am Frühstückstisch saß und das mich angrinsende Stückchen Mortadella-Bärchenwurst vor mir liegen hatte und merkte: 'Boah, krass – das möchte ich eigentlich gar nicht, da ist ein Tier für mich gestorben!' Und das erste Mal habe ich gecheckt, dass ich damit auch verantwortlich bin. Wenn das tagtäglich ist, dann gibt es noch viel drumherum, was ich kritisch reflektieren darf."
Und das tat Tobi: Er fing an, sich in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen zu engagieren – der klassische Bildungsweg verlor dabei für ihn mehr und mehr Bedeutung.
"Habe dann auch angefangen, Schule kritisch zu sehen, habe aber trotzdem noch mein Abi gemacht – auf Anraten meiner Eltern. Und gleichzeitig immer wieder gemerkt: Das ist nicht so mein Lebensweg. Und dann aber tatsächlich noch kurz das Studium angefangen, weil ich ja irgendwie eine Bescheinigung brauche, die mir erlaubt, irgendwas zu sein. Damit ich später irgendwie Geld verdienen kann, dass ich meine Grundbedürfnisse decken kann. Und habe dann gemerkt: Irgendwie befriedigt mich das nicht. Habe dann mein Studium erfolgreich abgebrochen, all mein Geld verschenkt, um ein Experiment zu wagen: Ich gehe raus in die Welt und bin zuversichtlich, dass alles, was ich brauchen werde, da sein wird!"
Tobi ist zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre alt. Er überließ sein restliches Geld der ehemaligen Wohngemeinschaft – und dann ging es los:
"Im Grunde wirklich einen Rucksack gepackt mit einer Isomatte, mit einem Schlafsack... Das Experiment des geldfreien Lebens, kein Geld anzunehmen, aber auch keins rauszugeben, weil ich eben auch keines mehr hatte, ging zweieinhalb Jahre."
Tobi Rosswog ist ein politischer Mensch, er gab schon zu dieser Zeit um die 100 Vorträge im Jahr – über Globalisierung, Konsumkritik, Tierbefreiung. Per Anhalter reiste er quer durch Deutschland und das eben komplett ohne Geld.
"Relativ zu Beginn meiner Reise, bei einem Ökonomieprofessor in Bamberg, einer Konferenz, habe ich dann so eine halbe Stunde geschnackt... Und dann meinte der Professor: 'Wie alle anderen bekommst du deine 200 Euro.' Und dann meinte ich so: 'Nee, das möchte ich nicht, danke!' Genau darum geht’s mir, das zu überwinden! Gib es doch gern an andere Menschen weiter!"
Tobi stieß mit dieser Haltung auf viel Verwunderung. Die einzige von ihm geforderte Gegenleistung waren Übernachtung und Verpflegung vor Ort.
Selbst etwas herstellen und teilen, statt zu konsumieren
Der junge Mann beteiligte sich in dieser Zeit an der Organisation diverser Events, sie sich mit Utopien einer anderen gesellschaftlichen Lebensrealität beschäftigen und ist daher viel von alternativ denkenden Menschen umgeben. Den Alltag ohne Geld wirklich entspannt bestreiten zu können, war dennoch auch für ihn ein Prozess:
"Ich würde fast sagen, rückblickend waren diese zweieinhalb Jahren etwas unglaublich Therapeutisches! Diesem Leistungsfetisch eine Absage zu erteilen und das Prinzip von Leistung und Gegenleistung überwinden. Ich gebe einfach alles rein, was ich rein geben kann – und nehme das, was ich brauche. Wie können wir uns gemeinsam nach Bedürfnissen und Fähigkeiten organisieren? Was braucht es gerade in dem Raum?"
"Ich würde fast sagen, rückblickend waren diese zweieinhalb Jahren etwas unglaublich Therapeutisches! Diesem Leistungsfetisch eine Absage zu erteilen und das Prinzip von Leistung und Gegenleistung überwinden. Ich gebe einfach alles rein, was ich rein geben kann – und nehme das, was ich brauche. Wie können wir uns gemeinsam nach Bedürfnissen und Fähigkeiten organisieren? Was braucht es gerade in dem Raum?"
Heute ist Tobi 29 und lebt nicht mehr völlig geldfrei, sondern "geldfreier", wie er sagt: Er lebt in einer Einkommensgemeinschaft mit anderen Menschen, in der genau so viel erwirtschaftet wird, wie zum Leben benötigt. Und das ist nicht allzu viel: Lebensmittel werden teils selbst hergestellt oder "gerettet", Kleidung eher getauscht als gekauft, viele Alltagsgegenstände gemeinschaftlich genutzt.
Tobi Rosswogs Leben ist also alles andere als ein Work-Spend-Cycle – auch wenn er für nunmehr 150 Vorträge jährlich nach wie vor viele Monate im Jahr unterwegs ist. Für ihn fühlt sich dieser Lebensweg einfach richtig an, sagt er.
Ein Wirtschaftssystem, das viele und vieles kaputt macht
Der Weg aus der Konsumspirale war auch für die Historikerin und Volkswirtin Friederike Habermann schon immer ein Thema, sowohl privat als auch in ihrer Tätigkeit als freie Wissenschaftlerin. Sie habe nie verstanden, "wie Menschen dieses Wirtschaftssystem als das Optimale bezeichnen können – wo es so ist, dass jeden Tag zigtausend Menschen an diesem System verhungert sind, seit ich denken kann. Aber genau das ist ja das Prinzip: Wie dadurch Gewinne gemacht werden, dass etwas knapp gemacht wird, wie durch diese Knappheit aber andere Menschen leiden. Und auf der anderen Seite habe ich auch von Anfang an mitbekommen, dass Menschen in den Rollen, die sie in dieser Gesellschaft erfüllen müssen, unglücklich sind. Selbst, wenn sie im Wohlstand sind."
Diese Unzufriedenheit kommt aus Sicht Habermanns nicht von ungefähr – es mache viel mit Menschen, in einem solchen System zu leben:
"Weil, wenn wir in dieser Konsumgesellschaft mithalten wollen, auch Leistung bringen müssen. Und das natürlich damit verbunden ist, dass wir Versagensängste haben. Das macht natürlich ganz viel im Miteinander – weil wir immer in Konkurrenz zueinander treten müssen. Wir können nicht einfach sagen: 'Wow, du machst was Tolles – ich mach mit!' Sondern wir müssen uns um Jobs bewerben, und wenn wir den Job bekommen, dann bekommt ihn jemand andres nicht."
Diese Unzufriedenheit kommt aus Sicht Habermanns nicht von ungefähr – es mache viel mit Menschen, in einem solchen System zu leben:
"Weil, wenn wir in dieser Konsumgesellschaft mithalten wollen, auch Leistung bringen müssen. Und das natürlich damit verbunden ist, dass wir Versagensängste haben. Das macht natürlich ganz viel im Miteinander – weil wir immer in Konkurrenz zueinander treten müssen. Wir können nicht einfach sagen: 'Wow, du machst was Tolles – ich mach mit!' Sondern wir müssen uns um Jobs bewerben, und wenn wir den Job bekommen, dann bekommt ihn jemand andres nicht."
Gemeingüter für alle – oder doch nicht?
Friederike Habermann ist davon überzeugt, dass Menschen unter dieser ständigen Konkurrenzsituation leiden. Sie setzt dem eine andere Form des Wirtschaftens entgegen – eine, die auf "Commons" basiert. Die Idee solcher Gemeingüter ist nicht neu:
"In den Wirtschaftswissenschaften kamen Commons jahrzehntelang nur in einem einzigen Kontext vor – nämlich als die 'Tragödie der Commons'. Zurück geht das auf einen Artikel von Garrett Hardin aus dem Jahr 1968, wo er gesagt hat: Früher in den mittelalterlichen Dörfern, da gab es eine Weide, da haben die Bauern ihre Kühe und Schafe drauf treiben dürfen. Und dann war ja klar, dass alle versucht haben, möglichst viele drauf zu treiben – und dann war die Weide überweidet und kaputt."
Begründet wurde diese zwangsläufige Übernutzung damit, dass das System – also die Nutzungsoption einer solchen Allmende – die einzelnen Personen zur "unendlichen Vermehrung zwinge". Für Friederike Habermann ist dieses System aber keinesfalls die Gemeinschaftsweide, sondern:
"Dieses System ist die Geldwirtschaft, wo man zum einen die Illusion hat, immer mehr haben zu können – während die Wolle und die Milch von den Kühen und Schafen ja sehr schnell die Bedürfnisse befriedigt. Was eben auch die Unternehmen strukturell dazu zwingt, konkurrenzfähig zu bleiben."
Denn sonst seien sie dem Markt nicht gewachsen. Die Tragödie ist für Habermann also vielmehr die Geld- oder Tauschwirtschaft – die zudem stark zu einem Wirtschaftshandeln anreize, das nicht ökologisch nachhaltig sei. Für sie funktionieren Commons dann, wenn ihre Nutzung in ein System eingebunden ist, das auf dem Prinzip des Beitragens beruht – also ein Beitragen des Einzelnen zum Wohle aller anstatt einer individuellen Verwertung der Erträge nach dem Tauschprinzip.
Darüber hinaus formuliert Habermann noch das Prinzip "Besitz statt Eigentum". Auch hier geht es um Bedürfnisbefriedigung. Habermann nennt ein Beispiel aus dem Alltag:
"Ob wir mit Freunden ein Essen gemeinsam gestalten – wir wissen, wir können uns den Bauch vollschlagen, wie wir wollen, da guckt niemand böse. Aber in dem Moment, wo wir anfangen, das Essen wegzutragen, würden wir praktisch aus dem In-Besitz-nehmen Eigentum machen, was ich eigentlich in dem Moment gar nicht brauche und gebrauche. Sondern wo ich einfach das Recht – jemand anderes hat nicht den Zugriff darauf – für mich in Anspruch nehme."
"In den Wirtschaftswissenschaften kamen Commons jahrzehntelang nur in einem einzigen Kontext vor – nämlich als die 'Tragödie der Commons'. Zurück geht das auf einen Artikel von Garrett Hardin aus dem Jahr 1968, wo er gesagt hat: Früher in den mittelalterlichen Dörfern, da gab es eine Weide, da haben die Bauern ihre Kühe und Schafe drauf treiben dürfen. Und dann war ja klar, dass alle versucht haben, möglichst viele drauf zu treiben – und dann war die Weide überweidet und kaputt."
Begründet wurde diese zwangsläufige Übernutzung damit, dass das System – also die Nutzungsoption einer solchen Allmende – die einzelnen Personen zur "unendlichen Vermehrung zwinge". Für Friederike Habermann ist dieses System aber keinesfalls die Gemeinschaftsweide, sondern:
"Dieses System ist die Geldwirtschaft, wo man zum einen die Illusion hat, immer mehr haben zu können – während die Wolle und die Milch von den Kühen und Schafen ja sehr schnell die Bedürfnisse befriedigt. Was eben auch die Unternehmen strukturell dazu zwingt, konkurrenzfähig zu bleiben."
Denn sonst seien sie dem Markt nicht gewachsen. Die Tragödie ist für Habermann also vielmehr die Geld- oder Tauschwirtschaft – die zudem stark zu einem Wirtschaftshandeln anreize, das nicht ökologisch nachhaltig sei. Für sie funktionieren Commons dann, wenn ihre Nutzung in ein System eingebunden ist, das auf dem Prinzip des Beitragens beruht – also ein Beitragen des Einzelnen zum Wohle aller anstatt einer individuellen Verwertung der Erträge nach dem Tauschprinzip.
Darüber hinaus formuliert Habermann noch das Prinzip "Besitz statt Eigentum". Auch hier geht es um Bedürfnisbefriedigung. Habermann nennt ein Beispiel aus dem Alltag:
"Ob wir mit Freunden ein Essen gemeinsam gestalten – wir wissen, wir können uns den Bauch vollschlagen, wie wir wollen, da guckt niemand böse. Aber in dem Moment, wo wir anfangen, das Essen wegzutragen, würden wir praktisch aus dem In-Besitz-nehmen Eigentum machen, was ich eigentlich in dem Moment gar nicht brauche und gebrauche. Sondern wo ich einfach das Recht – jemand anderes hat nicht den Zugriff darauf – für mich in Anspruch nehme."
Mit solidarischer Landwirtschaft Gutes tun
Beitragen statt tauschen, Besitz statt Eigentum. Wie lässt sich das in heutige Formen des Wirtschaftens übertragen? Beispiele dafür gebe es längst, sagt Habermann:
"Die solidarische Landwirtschaft ist vielleicht der Bereich, wo es sich am schnellsten ausbreitet. Dass Menschen sagen: Wir benutzen zwar immer noch Geld, weil wir nach außen hin Geld brauchen. Aber wir versuchen, unter uns diese Tauschlogik aufzulösen. Das heißt, dass diejenigen, die die Landwirtschaft betreiben, dadurch abgesichert sind, dass die anderen sagen: Wir organisieren es, dass ihr das Geld fürs nächste Jahr habt. Und wir bekommen auf der anderen Seite das Gemüse."
Einige Kilometer außerhalb von Lüneburg, umrahmt von Wald, Wiesen und einem kleinen See, liegt das Gelände einer solidarischen Landwirtschaft namens "Wir-Garten". Es ist allerdings weniger ein Garten als ein weitläufiges Areal, wie Gründungsmitglied Fionn Ziegler erklärt:
"Wir stehen hier in Ochtmissen auf der Fläche vom 'Wir-Garten', die ist achteinhalb Hektar groß und jetzt sind wir gerade bei den Gewächshäusern. Da sehen wir jetzt Knoblauch, Lauchzwiebeln, Basilikum und Paprika... Da ist noch der Asiasalat, den haben wir jetzt sehr viel geerntet. Das wird noch für ein, zwei Auslieferungen reichen!"
Ausgeliefert wird nicht direkt an die inzwischen über 500 Haushalte, die Ernteanteile abonniert haben, sondern an mehrere über das Lüneburger Stadtgebiet verteilte frei zugängliche Abholstandorte – beispielsweise in Supermärkten:
"Wir fahren jede Woche das Gemüse da hin, stellen das da auf, und tagsüber können dann die Mitglieder ihr Gemüse abholen. Eigenverantwortlich. Unser Ziel ist es, jede Woche fünf bis sieben verschiedene Kulturen zu liefern – ganzjährig! So dass es im Winter nicht nur Kartoffeln oder Asiasalat oder Postelein gibt, sondern auch so ein bisschen Vielfalt."
Generell gilt: Die Mitglieder bekommen, was gerade wächst, und bezahlen dafür einen festen Monatsbetrag. Verbunden mit diesem Erntevertrag ist allerdings auch das Zeichnen von Genossenschaftsanteilen im Wert von mindestens 100 Euro. Davon zahlt der "Wir-Garten" dann seine festen Gehälter – unter anderem für drei in Vollzeit angestellte Gärtnerinnen. Da heute Sonntag ist traditionell der "Mitgärtnertag", sind aber viel mehr Menschen auf dem Gelände tätig. Helga, 61 Jahre alt, ist gerade eingetrudelt. Fionn weist sie ganz hinten auf dem Pastinakenfeld ein:
"Ich würde jetzt bei dem Beet anfangen und so die größeren Sachen rausholen – hier die Disteln, wenn möglich natürlich möglichst viel von der Wurzel mitnehmen."
"Die solidarische Landwirtschaft ist vielleicht der Bereich, wo es sich am schnellsten ausbreitet. Dass Menschen sagen: Wir benutzen zwar immer noch Geld, weil wir nach außen hin Geld brauchen. Aber wir versuchen, unter uns diese Tauschlogik aufzulösen. Das heißt, dass diejenigen, die die Landwirtschaft betreiben, dadurch abgesichert sind, dass die anderen sagen: Wir organisieren es, dass ihr das Geld fürs nächste Jahr habt. Und wir bekommen auf der anderen Seite das Gemüse."
Einige Kilometer außerhalb von Lüneburg, umrahmt von Wald, Wiesen und einem kleinen See, liegt das Gelände einer solidarischen Landwirtschaft namens "Wir-Garten". Es ist allerdings weniger ein Garten als ein weitläufiges Areal, wie Gründungsmitglied Fionn Ziegler erklärt:
"Wir stehen hier in Ochtmissen auf der Fläche vom 'Wir-Garten', die ist achteinhalb Hektar groß und jetzt sind wir gerade bei den Gewächshäusern. Da sehen wir jetzt Knoblauch, Lauchzwiebeln, Basilikum und Paprika... Da ist noch der Asiasalat, den haben wir jetzt sehr viel geerntet. Das wird noch für ein, zwei Auslieferungen reichen!"
Ausgeliefert wird nicht direkt an die inzwischen über 500 Haushalte, die Ernteanteile abonniert haben, sondern an mehrere über das Lüneburger Stadtgebiet verteilte frei zugängliche Abholstandorte – beispielsweise in Supermärkten:
"Wir fahren jede Woche das Gemüse da hin, stellen das da auf, und tagsüber können dann die Mitglieder ihr Gemüse abholen. Eigenverantwortlich. Unser Ziel ist es, jede Woche fünf bis sieben verschiedene Kulturen zu liefern – ganzjährig! So dass es im Winter nicht nur Kartoffeln oder Asiasalat oder Postelein gibt, sondern auch so ein bisschen Vielfalt."
Generell gilt: Die Mitglieder bekommen, was gerade wächst, und bezahlen dafür einen festen Monatsbetrag. Verbunden mit diesem Erntevertrag ist allerdings auch das Zeichnen von Genossenschaftsanteilen im Wert von mindestens 100 Euro. Davon zahlt der "Wir-Garten" dann seine festen Gehälter – unter anderem für drei in Vollzeit angestellte Gärtnerinnen. Da heute Sonntag ist traditionell der "Mitgärtnertag", sind aber viel mehr Menschen auf dem Gelände tätig. Helga, 61 Jahre alt, ist gerade eingetrudelt. Fionn weist sie ganz hinten auf dem Pastinakenfeld ein:
"Ich würde jetzt bei dem Beet anfangen und so die größeren Sachen rausholen – hier die Disteln, wenn möglich natürlich möglichst viel von der Wurzel mitnehmen."
"In der Tiefe, immer in der Tiefe, okay!"
Hier wird fast ausschließlich per Hand gearbeitet – der "Wir-Garten" ist bio-zertifiziert. Sozialarbeiterin Helga ist seit Genossenschaftsgründung vor drei Jahren regelmäßig dabei:
"Der Bezug zu dem, was ich esse und wo ich's kaufe, wird größer – und die Wertschätzung wird größer. Die Erkenntnis, dass diese globale Vermarktung einfach keine Zukunft hat, weil der Umweltschutz nicht genügend beachtet werden kann... Und hier kann ich auch mitmachen und finde das ein sinnvolles, sehr nachhaltiges und auf lange Zukunft ausgerichtetes Projekt."
Neben ihr arbeitet Toril, Studentin im nahen Lüneburg:
"Ein Großteil aus unserer WG studiert Umweltwissenschaften, und wir sind alle sehr darauf bedacht, möglichst regional und saisonal zu essen. Und dann kam der 'Wir-Garten' und dann war das: Wir wollen da unterstützen und unseren Beitrag dazu geben! Ich find's schön, da mitzuhelfen, wo unser Gemüse herkommt. So ein, zwei Mal die Woche."
Hier wird fast ausschließlich per Hand gearbeitet – der "Wir-Garten" ist bio-zertifiziert. Sozialarbeiterin Helga ist seit Genossenschaftsgründung vor drei Jahren regelmäßig dabei:
"Der Bezug zu dem, was ich esse und wo ich's kaufe, wird größer – und die Wertschätzung wird größer. Die Erkenntnis, dass diese globale Vermarktung einfach keine Zukunft hat, weil der Umweltschutz nicht genügend beachtet werden kann... Und hier kann ich auch mitmachen und finde das ein sinnvolles, sehr nachhaltiges und auf lange Zukunft ausgerichtetes Projekt."
Neben ihr arbeitet Toril, Studentin im nahen Lüneburg:
"Ein Großteil aus unserer WG studiert Umweltwissenschaften, und wir sind alle sehr darauf bedacht, möglichst regional und saisonal zu essen. Und dann kam der 'Wir-Garten' und dann war das: Wir wollen da unterstützen und unseren Beitrag dazu geben! Ich find's schön, da mitzuhelfen, wo unser Gemüse herkommt. So ein, zwei Mal die Woche."
Für die Umwelt, für den Körper, für die Seele
Die Möglichkeit mitzugärtnern ist freiwillig und wird inzwischen von circa 50 Mitgliedern angenommen – Tendenz zunehmend. Dass es die Menschen in den "Wir-Garten" zieht, wundert Fionn Ziegler nicht.
"Dass man da auf der einen Seite was dazulernt und auf der anderen Seite auch was Gutes tut – für die Umwelt, für sich für den Körper, für die Seele. Und in der Sonne hier draußen zu arbeiten, das macht einfach Spaß. Aber wir wollen natürlich auch diesen Community-Effekt haben, damit die Leute, die hier in Lüneburg wohnen und sich mit regionaler Ernährung auseinandersetzen, eine Möglichkeit zu bieten, hier mit machen. Und dass hier auch so ein Ort entsteht, wo man sich wohlfühlt, dass es ein schönes Miteinander ist und nicht einfach nur ein Gemüseanbauprojekt."
Im "Wir-Garten" Lüneburg scheint es zu funktionieren: Menschen, die ihre freie Zeit nutzen, um unentgeltlich in einem für sie unterstützenswerten Projekt zu helfen, und das als Steigerung ihrer Lebensqualität begreifen.
Ist das lediglich eine kleine Insel im großen, nach ganz anderen Regeln organisierten System? Wie realistisch ist es, dass ein Großteil der Menschen sich zu seinem eigenen sowie dem Wohl des Planeten von Gewohnheiten verabschiedet und aktiv wird? Friederike Habermann ist es wichtig zu betonen, dass Veränderung schon im Kleinen beginnt:
"Natürlich wird sich die Gesellschaft umso mehr verändern, je mehr Menschen mehr machen. Aber das heißt nicht, dass alle völlig ihren gewohnten Lebensbereich verlassen sollten, sondern in ihren Lebensbereichen viele Möglichkeiten haben, Dinge anders zu gestalten. Und wenn man das nicht nur individuell macht, sondern auch versucht, andere zu finden, die da mitgehen – dann schaffen wir es auch gleichzeitig schon, Strukturen umzubauen. Und es geht darum, neue Logiken in die Welt zu bringen und auf diese Art und Weise das System zu unterlaufen, zu verschieben, zu verändern, damit es sich transformieren kann in ein neues Wirtschaften."
"Dass man da auf der einen Seite was dazulernt und auf der anderen Seite auch was Gutes tut – für die Umwelt, für sich für den Körper, für die Seele. Und in der Sonne hier draußen zu arbeiten, das macht einfach Spaß. Aber wir wollen natürlich auch diesen Community-Effekt haben, damit die Leute, die hier in Lüneburg wohnen und sich mit regionaler Ernährung auseinandersetzen, eine Möglichkeit zu bieten, hier mit machen. Und dass hier auch so ein Ort entsteht, wo man sich wohlfühlt, dass es ein schönes Miteinander ist und nicht einfach nur ein Gemüseanbauprojekt."
Im "Wir-Garten" Lüneburg scheint es zu funktionieren: Menschen, die ihre freie Zeit nutzen, um unentgeltlich in einem für sie unterstützenswerten Projekt zu helfen, und das als Steigerung ihrer Lebensqualität begreifen.
Ist das lediglich eine kleine Insel im großen, nach ganz anderen Regeln organisierten System? Wie realistisch ist es, dass ein Großteil der Menschen sich zu seinem eigenen sowie dem Wohl des Planeten von Gewohnheiten verabschiedet und aktiv wird? Friederike Habermann ist es wichtig zu betonen, dass Veränderung schon im Kleinen beginnt:
"Natürlich wird sich die Gesellschaft umso mehr verändern, je mehr Menschen mehr machen. Aber das heißt nicht, dass alle völlig ihren gewohnten Lebensbereich verlassen sollten, sondern in ihren Lebensbereichen viele Möglichkeiten haben, Dinge anders zu gestalten. Und wenn man das nicht nur individuell macht, sondern auch versucht, andere zu finden, die da mitgehen – dann schaffen wir es auch gleichzeitig schon, Strukturen umzubauen. Und es geht darum, neue Logiken in die Welt zu bringen und auf diese Art und Weise das System zu unterlaufen, zu verschieben, zu verändern, damit es sich transformieren kann in ein neues Wirtschaften."
Es braucht mehr als einzelnes Umdenken
Friederike Habermann spricht daher von "Halbinseln gegen den Strom". Die sind aus Sicht von Volkswirt Gerrit von Jorck aber nicht ausreichend, um tatsächlich grundsätzlich etwas zu verändern:
"Wenn wir alle nur in unseren kleinen Inseln anfangen, dass daraus dann irgendwann ein Festland wird – glaube ich einfach nicht! Ich glaube, es braucht einen Staudamm aus verschiedenen politischen Leitplanken, die wir legen müssen, damit diese Inseln sich an diesem Staudamm aufhängen können, um dadurch ein neues Festland einer Postwachstumsgesellschaft oder sozial-ökologischen Transformation zu bewirken."
Der Impuls für diese politischen Leitplanken müsse jedoch durchaus von unten, also aus der Gesellschaft heraus kommen, das ist für Postwachstumsforscher Niko Paech klar:
"Wenn Menschen nicht bereit sind, ihr Leben zu verändern, wählen sie auch keine Politik, die sie dazu zwingt, das Leben zu verändern. Deswegen sehe ich den ersten Schritt eines Wandels weniger in der der Politik als bei der Zivilgesellschaft. Denn die Politik hat doch über Jahrzehnte hinweg die Chance gehabt, über eine Umweltpolitik, eine Industriepolitik oder Verbraucherpolitik endlich für Nachhaltigkeit zu sorgen. Sie hat es nicht geschafft! Und deswegen müssen wir endlich zur Tat schreiten und die Politik unterstützen."
"Wenn wir alle nur in unseren kleinen Inseln anfangen, dass daraus dann irgendwann ein Festland wird – glaube ich einfach nicht! Ich glaube, es braucht einen Staudamm aus verschiedenen politischen Leitplanken, die wir legen müssen, damit diese Inseln sich an diesem Staudamm aufhängen können, um dadurch ein neues Festland einer Postwachstumsgesellschaft oder sozial-ökologischen Transformation zu bewirken."
Der Impuls für diese politischen Leitplanken müsse jedoch durchaus von unten, also aus der Gesellschaft heraus kommen, das ist für Postwachstumsforscher Niko Paech klar:
"Wenn Menschen nicht bereit sind, ihr Leben zu verändern, wählen sie auch keine Politik, die sie dazu zwingt, das Leben zu verändern. Deswegen sehe ich den ersten Schritt eines Wandels weniger in der der Politik als bei der Zivilgesellschaft. Denn die Politik hat doch über Jahrzehnte hinweg die Chance gehabt, über eine Umweltpolitik, eine Industriepolitik oder Verbraucherpolitik endlich für Nachhaltigkeit zu sorgen. Sie hat es nicht geschafft! Und deswegen müssen wir endlich zur Tat schreiten und die Politik unterstützen."
Paechs Vision ist weitreichend und beruht auf einem erheblichen Rückbau der Wirtschaft – und somit einer Reduzierung des Ressourcenverbrauchs:
"Angenommen, wir würden das Bruttoinlandsprodukt, die Summe der pro Jahr erzeugten Güter, halbieren – und das müssen wir in Mitteleuropa mindestens schaffen, sonst können wir ökologisch nicht überleben – , dann würden wir Vollbeschäftigung erwirken, indem wir eine 20-Stunden-Woche einführen. Wenn Menschen dann nur 20 Stunden arbeiten, haben sie ja 20 marktfreie Stunden – und das ist ein Ressourcenschatz!
Der genutzt werden kann, um ergänzend zu dem geringer gewordenen Realeinkommen Selbstversorgungsleistungen zu erbringen. Das heißt, man hat dann die Zeit, mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern den Konsum, die Mobilität, den Anbau von Nahrungsmitteln zu gestalten. Und Menschen, die dies tun, bezeichne ich nicht mehr als Konsumenten oder Arbeitnehmer, sondern die bezeichne ich als Prosumenten."
Dass eine solche Gesellschaft aus Prosumentinnen und Prosumenten für den einzelnen Menschen keineswegs einen Rückschritt bedeutet, sondern sogar einen Mehrwert, liegt für Niko Paech auf der Hand:
"Es gibt ja nun viel sozialwissenschaftliche Forschung zu diesen postwachstumstauglichen Reallaboren. Und dann stellt sich heraus, dass diese Menschen im Durchschnitt eine hohe Lebenszufriedenheit haben: Sie haben Erfolgserlebnisse! Sie können wieder sinnlich erspüren, was das Resultat ihrer Arbeit ist. Und der Gemeinsinn, soziale Beziehung, Verlässlichkeit – das alles spielt auch eine große Rolle. Und es gibt ganz neue Möglichkeiten, demokratisch mit zu gestalten."
Volkswirtin Friederike Habermann hat keinen Zweifel, dass in einer transformierten Gesellschaft weiterhin alle Bedürfnisse erfüllt werden können.
"Langfristig geht es um eine commons-basierte Utopie, wo Menschen kooperativ miteinander produzieren und wir nach Bedürfnissen konsumieren – ohne dass es immer im Eigentum von uns sein muss. Das bedeutet nicht, dass wir alle in kleinen Gemeinschaften leben müssen, sondern dass wir auch große bis hin zu globale Strukturen aufbauen könnten, in denen bestimmte Bereiche organisiert sind – aber eben nicht in Konkurrenz zueinander, sondern kooperativ."
Dass eine solche Gesellschaft aus Prosumentinnen und Prosumenten für den einzelnen Menschen keineswegs einen Rückschritt bedeutet, sondern sogar einen Mehrwert, liegt für Niko Paech auf der Hand:
"Es gibt ja nun viel sozialwissenschaftliche Forschung zu diesen postwachstumstauglichen Reallaboren. Und dann stellt sich heraus, dass diese Menschen im Durchschnitt eine hohe Lebenszufriedenheit haben: Sie haben Erfolgserlebnisse! Sie können wieder sinnlich erspüren, was das Resultat ihrer Arbeit ist. Und der Gemeinsinn, soziale Beziehung, Verlässlichkeit – das alles spielt auch eine große Rolle. Und es gibt ganz neue Möglichkeiten, demokratisch mit zu gestalten."
Volkswirtin Friederike Habermann hat keinen Zweifel, dass in einer transformierten Gesellschaft weiterhin alle Bedürfnisse erfüllt werden können.
"Langfristig geht es um eine commons-basierte Utopie, wo Menschen kooperativ miteinander produzieren und wir nach Bedürfnissen konsumieren – ohne dass es immer im Eigentum von uns sein muss. Das bedeutet nicht, dass wir alle in kleinen Gemeinschaften leben müssen, sondern dass wir auch große bis hin zu globale Strukturen aufbauen könnten, in denen bestimmte Bereiche organisiert sind – aber eben nicht in Konkurrenz zueinander, sondern kooperativ."
Zweifel am "immer weiter, schneller, höher"
Der Aspekt der Gemeinschaft ist auch für Minimalistin Lina Jachmann grundlegend:
"In meinen Augen rücken wir wieder näher zusammen, einfach weil wir anfangen, Dinge zu teilen. Ich glaube daran, dass wir Menschen unglaublich soziale Wesen sind und einfach den Austausch und die Verbindung mit anderen brauchen und wollen. Und dass das etwas ist, was vielleicht eine Zeit lang in den Hintergrund geraten ist, aber was jetzt zum Glück wieder mehr in den Mittelpunkt rückt."
Doch ist es realistisch, dass sich im Bereich des industriellen Wirtschaftens etwas ändert? Tobi Rosswog, der zunehmend auch bei großen Konzernen seine konsumkritischen Vorträge hält, stellt dort ein Umdenken fest:
"Insgesamt merke ich eine unglaubliche Sehnsucht bei den Menschen – dass dieses 'immer weiter, schneller, höher' – angeblich besser – nicht mehr geht. Das machen auch die Menschen in der freien Wirtschaft nicht mehr mit! Das erklär ich mir dadurch, warum ich bei VW eingeladen werde, bei Daimler, bei der Pensionskasse der deutschen Wirtschaft. Das heißt nicht, dass das, was ich dann da präsentiere, gleich von heute auf morgen umgesetzt wird. Aber dass da immer mehr diese Sehnsucht kommt, dieses: ´Was machen wir hier eigentlich?`"
Dass es dem einzelnen Menschen dennoch schwerfällt, gewohnte Verhaltensweisen abzulegen, ist für Tobi Rosswog nicht verwunderlich.
"Wir sind so was von sozialisiert und trainiert darauf, sich durchsetzen müssen: Tausch, Wettbewerb, Konkurrenz – immer wieder! Das heißt, es ist gar nicht so leicht, sich eine andere Welt vorzustellen. Und dann auch noch versuchen, sie zu leben – huiuiui! Und gleichzeitig: Nur weil wir uns etwas heute nicht vorstellen können, heißt es nicht, dass es unmöglich ist! Es ist nur gerade nicht denkbar."
"In meinen Augen rücken wir wieder näher zusammen, einfach weil wir anfangen, Dinge zu teilen. Ich glaube daran, dass wir Menschen unglaublich soziale Wesen sind und einfach den Austausch und die Verbindung mit anderen brauchen und wollen. Und dass das etwas ist, was vielleicht eine Zeit lang in den Hintergrund geraten ist, aber was jetzt zum Glück wieder mehr in den Mittelpunkt rückt."
Doch ist es realistisch, dass sich im Bereich des industriellen Wirtschaftens etwas ändert? Tobi Rosswog, der zunehmend auch bei großen Konzernen seine konsumkritischen Vorträge hält, stellt dort ein Umdenken fest:
"Insgesamt merke ich eine unglaubliche Sehnsucht bei den Menschen – dass dieses 'immer weiter, schneller, höher' – angeblich besser – nicht mehr geht. Das machen auch die Menschen in der freien Wirtschaft nicht mehr mit! Das erklär ich mir dadurch, warum ich bei VW eingeladen werde, bei Daimler, bei der Pensionskasse der deutschen Wirtschaft. Das heißt nicht, dass das, was ich dann da präsentiere, gleich von heute auf morgen umgesetzt wird. Aber dass da immer mehr diese Sehnsucht kommt, dieses: ´Was machen wir hier eigentlich?`"
Dass es dem einzelnen Menschen dennoch schwerfällt, gewohnte Verhaltensweisen abzulegen, ist für Tobi Rosswog nicht verwunderlich.
"Wir sind so was von sozialisiert und trainiert darauf, sich durchsetzen müssen: Tausch, Wettbewerb, Konkurrenz – immer wieder! Das heißt, es ist gar nicht so leicht, sich eine andere Welt vorzustellen. Und dann auch noch versuchen, sie zu leben – huiuiui! Und gleichzeitig: Nur weil wir uns etwas heute nicht vorstellen können, heißt es nicht, dass es unmöglich ist! Es ist nur gerade nicht denkbar."
Regie: Beatrix Ackers
Technik: Peter Seyffert
Sprecher: Mirko Böttcher
Redaktion: Carsten Burtke