Die Oper "Snedronningen" von Hans Abrahamsen
Königliche Oper Kopenhagen
Eiskalt und herzerwärmend
08:53 Minuten
Das weltbekannte Märchen "Die Schneekönigin" von Hans Christian Andersen wurde von Hans Abrahamsen in Kopenhagen auf die Opernbühne gebracht. Nicht nur unsere Kritikerin ist begeistert von dieser "faszinierenden neuen Oper". Es gab auch stehende Ovationen.
In Anwesenheit von Königin Margarethe von Dänemark fand am Sonntagnachmittag im Kopenhagener Opernhaus die Welturaufführung von Hans Abrahamsens erster Oper "Snedronningen" nach Hans Christian Andersens Märchen "Die Schneekönigin" statt. Am Ende gab es stehende Ovationen für die Ausführenden und den Komponisten, sowie einzelne Buhs für den Regisseur.
Das Werk kommt bereits im Dezember in der englischen Fassung an die Bayerische Staatsoper München, aber in komplett anderer Besetzung und Regie. Für die Kopenhagener Uraufführung hat sich der spanische Regisseur Francisco Negrín ein Setting zwischen Disneyland und Star Wars ausgedacht.
Naive Bilder in einer futuristischen Welt
Naive, märchenhafte Bilder von den beiden Kindern Gerda und Kay, die in zu großen Schuhen und Kleidern "Erwachsene" spielen, kontrastiert Negrín durch die futuristische Welt der Schneekönigin aus faszinierenden LED-Lichtinstallationen aus dem katalanischen Playmodes Studio.
Wenn Bassbariton Johan Reuter als Schneekönigin im silbernen Faltenrock in der Luft schwebt, ist das ebenfalls ein starkes Bild, doch Negrín hat die rätselhafte Figur der in dieser Oper männlich besetzten Schneekönigin umgedeutet. Er sieht in ihr ein "universelles Wesen", und darum verleiht Johan Reuter auch dem Rentier und der tickenden Uhr seine Stimme. Das verwirrt.
Etwas zu viel Psychologie
Es gibt eine Tänzerin, die ebenfalls die Schneekönigin darstellt, und einen Tänzer, der als Rentier die verzweifelt nach Kay suchende Gerda zu den Nordlichtern trägt, wo sie in einer erotischen Szene mit dem Rentier zur Frau wird. Die modernen Choreografien von Toniah Pedersen passen wunderbar in das futuristische Ambiente der Eiswelt, ebenso wie die gelungenen Chorszenen in Louis Désirés opulenten Kostümen.
Doch die Regie-Entscheidung, auch die Figur der Großmutter mit denen der alten Frau und der Finnenfrau zu doubeln, bringt etwas zu viel Psychologie ins ohnehin schon komplexe Märchenspiel. Hans Abrahamsen hat sich mit seinem Librettisten Henrik Engelbrecht bereits für eine eigene Sicht auf Andersens Märchen entschieden.
Alle Effekte aufs Wesentliche reduziert
Sie legen den Fokus auf den Wandel der Zeit und das Erwachsenwerden der beiden kindlichen Hauptfiguren. Und Abrahamsens Musik erzählt mit Vorliebe von winterlichen Naturphänomenen. Man erkennt Zitate seiner Werke "Schnee", "Wald", und auch aus "Let me tell you", wenn Gerda vor Kälte bibbernd nur noch stockend ihre Worte hervorbringt.
Barocke Affekte wie bei Henri Purcells "Frost Song" sind das, hervorragend gesungen von Sofie Elkjaer Jensen, deren Gerda eine enorme stimmliche Entwicklung vom kindlichen Volkslied bis zur dramatischen Entäußerung durchmacht. Abrahamsens Musik wirkt unter Robert Houssards umsichtigem und exaktem Dirigat genau ausbalanciert.
Entschleunigung, Subtilität und höchste Intensität sind ihre klanglichen Merkmale. Alle Effekte sind aufs Wesentliche reduziert und genau mit dem Text abgestimmt. So geht diese Winteroper von der Schneekönigin mit den Worten zu Ende: "...und es war Sommer, warmer Sommer".
Eine Oper, die auf vielen Ebenen etwas zu sagen hat
Die Schneekönigin ist eine faszinierende neue Oper über Veränderungen und die Kraft menschlicher Entscheidungen, die eng mit der Lebensgeschichte des Komponisten verknüpft ist. Sie hat auf vielen Ebenen etwas zu sagen, und man darf gespannt sein, wie die Münchner Lesart ausfallen wird. Zumindest im Hinblick auf die Lichteffekte dürfte Kopenhagen schwer zu übertrumpfen sein.