Ein glamouröser Dandy
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André Leon Talley war der erste afroamerikanische Kreativdirektor der „Vogue“ und brachte das erste schwarze Model aufs Cover. Die Position Schwarzer in der Modebranche ist sein Thema gewesen. Auch in Zukunft bleibe viel zu tun, meint Journalist Jan Kedves.
Fashionikone, Legende, Moderiese: So lauten heute die Schlagzeilen zu André Leon Talley, dem ersten afroamerikanischen Kreativdirektor bei der „Vogue“. Am Dienstag ist er im Alter von 73 Jahren gestorben. In den Achtzigern hat Talley bei der „Vogue“ angefangen und hat sich seitdem auf vielen Ebenen für mehr Vielfalt in der Modewelt engagiert – bis zuletzt.
Zwar stellte er 2018 in einem Interview fest, dass sich die Modebranche über die Jahrzehnte sehr gebessert habe. Doch was die Darstellung von Frauen in der Mode- und Medienwelt betrifft, sah er auch damals noch Verbesserungsbedarf.
Für den Kulturjounalisten Jan Kedves zählte André Leon Talley eine Weile zu den wichtigsten und herausstechendsten schwarzen Repräsentant der hohen Mode und des Modejournalismus. Talley habe sich auf bemerkenswerte Weise nach oben gearbeitet und das in einer Zeit, in der es schwarze Menschen in der Modebranche noch sehr schwer hatten.
Schwarzes Model auf der September-Ausgabe
„Er ist in sehr einfachen Verhältnissen in North Carolina aufgewachsen, im amerikanischen Süden“, als noch die Segregation herrschte. Rassistische Diskriminierung war mehr als heute an der Tagesordnung. Die Modewelt und die „Vogue“-Magazine seien für ihn ein Sehnsuchtsort gewesen.
Er wurde Kreativdirektor der amerikanischen „Vogue“ – unter der noch heute amtierenden Chefredakteurin Anna Wintour. Zusammen mit ihr hat Talley durchgesetzt, dass auf der Septemberausgabe 1989 erstmals ein schwarzes Model war: Naomi Campbell.
Die Septemberausgabe ist für den Verlag die umsatzstärkste des Jahres. Hier werden die meisten Anzeigen geschaltet und entsprechend wird viel Geld verdient. Die Frage, welches Model auf dem Cover zu sehen ist, sei daher für den Verlag "extrem wichtig", sagt Kedves. Entsprechende Signalwirkung ging von der Entscheidung für Naomi Campbell aus.
„Die Repräsentanz schwarzer Models in Modemagazinen war André Leon Talleys großes Thema“, erklärt Jan Kedves. Er habe seinen Einfluss auch genutzt, um die Position schwarzer Models in der Modebranche insgesamt zu verbessern.
"Sehr flamboyanter, glamouröser Dandy"
Von André Leon Talley bleiben werde „eine große Sehnsucht nach endlich gerechten Verhältnissen für People of Colour, für schwarze Menschen in der Mode“.
Denn, so Kedves: „Dass so eine wichtige schwarze Figur in der Mode stirbt, fällt auch deswegen so stark auf, weil es so wenig andere gibt“ – auch nach Jahrzehnten, in denen es immer wieder hieß: „Black is beautiful“. Prozentual seien es aber immer noch zu wenige Schwarze in der Modebranche.
Auch an Talleys Lebenslust werde man sich lange erinnern. „Er war ein zwei Meter großer, sehr flamboyanter, sehr extravaganter, glamouröser Dandy“, der französische Literatur studiert hatte, belesen war, sich gut ausdrücken konnte.
Oder kurz: „Ein ein großer Stil-Mensch ist von uns gegangen."
(abr)