Andreas Pflüger: Niemals
Suhrkamp, Berlin 2017
472 Seiten, 19,95 Euro
Jungsquatsch, aber verdammt gut gemacht
Die Undercover-Polizistin Jenny Aaron ist schnell, gefährlich und seit einem gescheiterten Einsatz – blind. In Andreas Pflügers Thriller "Niemals" kehrt sie als Racheengel zurück.
Erstmal ist das natürlich echter Jungsquatsch: Die "Abteilung" ist eine verdeckt operierende Spezialeinheit der Polizei, die direkt dem Innenministerium unterstellt ist. Sie ist so geheim, dass sie keinen offiziellen Namen trägt, und ihre Angehörigen, die beim SEK, bei der Bundespolizei oder bei den Gebirgsjägern der Bundeswehr rekrutiert werden, sind Scharfschützen, Nahkampfexperten und hochqualifizierte Logistiker, die wichtige Besprechungen am liebsten im Kraftraum abhalten. 39 Männer arbeiten in der "Abteilung" – und eine Frau: Jenny Aaron.
Ein missglückter Undercover-Einsatz
Sie ist schnell und gefährlich. Und wenn die "Abteilung" ein Team für einen besonders riskanten Operationen zusammenstellt, ist sie auf jeden Fall dabei. Besser: Sie war dabei. Denn Jenny Aaron ist nach einem missglückten Undercover-Einsatz in Barcelona erblindet. Das ist die Geschichte, die der renommierte Drehbuchautor Andreas Pflüger vor zwei Jahren in "Endgültig" gestartet, einem Actionthriller, der eine Menge Staub in der deutschen Krimilandschaft aufgewirbelt hat.
Ein Broker finanziert Terroranschläge
Jetzt geht es weiter. "Niemals" ist der zweite Teil der Jenny-Aaron-Trilogie. Die blinde Polizistin war für einige Monate als Verhörspezialistin an das BKA abgestellt worden und kehrt nun als Racheengel zurück zur "Abteilung", um eine Spur zu verfolgen, die von der gescheiterten Operation in Barcelona zu einem rücksichtslosen Broker führt, der Terroranschläge finanziert und anschließend von den Erschütterungen der Börse profitiert. Die Story aus Teil eins bekommt in "Niemals" damit noch einmal neue und größere Konturen.
Ein gepanzerter 2.600-Kilo-Bentley
Was die Romane von Andreas Pflüger allerdings zum Pageturner macht, ist zunächst einmal die Arbeit an den Details. Als ein Team der Abteilung zum Beispiel einen ersten Zugriff auf "den Broker" plant, der in einem umgerüsteten Bentley mit "Panzerungen bis zur mittleren Widerstandsklasse 6" unterwegs ist – Gewicht "ab Werk zweitausendsechshundert Kilo" –, ist sofort klar, dass "308-Winchester-Eisenkernprojektile" als Munition die erste Wahl sind und eine "Sevofluran-Patrone" (also: ein Betäubungsgas) das richtige Mittel ist, um gleichzeitig den Kollateralschaden möglichst gering zu halten.
Flirrender Authentizitätseffekt
Am Ende erfolgt der Zugriff dann doch in einem Wohnhaus: "Ohrstöpsel" für den verschlüsselten Funkverkehr, "Schalldämpfer", "Browning", "Nachtsichtbrillen mit fernoptischen Okularen". Man glaubt’s gern: Das ist echte handwerkliche Feinarbeit, wie man sie eigentlich nur aus den USA kennt. Im deutschsprachigen Raum auf jeden Fall gibt keinen anderen Krimiautor, der einzelne Sätze, Bilder und Szenen so präzise zurechtschleift und mit vermeintlich realistischem Material anreichert, bis sich jener flirrender Authentizitätseffekt einstellt, der eben nicht einfach nur Jungsquatsch ist, sondern die Grundlage für überzeugende literarische "Action" ist. Jungsquatsch, aber verdammt gut gemacht!