Zum Tod von Andrew Fletcher

Im Maschinenraum von Depeche Mode

07:27 Minuten
Andy Fletcher von Depeche Mode bei einem Liveauftritt mit erhobenen Armen am Keyboard, Italien 2018.
Andy Fletcher war der Vermittler bei Depeche Mode, und nach eigener Aussage der „beste Ein-Finger-Keyboarder der Welt”. © imago / Pacific Press Agency / Alessandro Bosio
Von Martin Risel |
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Er war das unbekannteste der Depeche-Mode-Mitglieder: Andrew Fletcher schrieb nie einen Song, sang auch nicht. Aber er war elementar wichtig für die Band, hielt sie zusammen. Ist mit seinem Tod das Ende von Depeche Mode absehbar?
Gerade in Deutschland sind sie eine der erfolgreichsten Bands überhaupt, und das seit vier Jahrzehnten: Depeche Mode. Wie die Band über Twitter bekannt gab, ist ihr Gründungsmitglied Andrew Fletcher gestorben. Im Alter von nur 60 Jahren und wohl für alle ziemlich überraschend. Zur Todesursache gibt es bisher noch keine Angaben.

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Andy Fletcher war der unbekannteste der drei Bandmitglieder. Neben Sänger Dave Gahan und Hauptkomponist Martin Gore spielte er bei Depeche Mode scheinbar immer nur eine Nebenrolle. Der 1961 in Nottingham geborene Fletcher war als 19-Jähriger einer der blassen Buben aus Basildon im Osten Englands, die 1980 als Depeche Mode zusammenfanden.

Erfolglos mit Label und Immobilien

Er war wohl ein eher zurückhaltender Typ, hatte in den 90er-Jahren mit Depressionen zu kämpfen bis hin zum Nervenzusammenbruch. Er betrieb eine Weile ein eigenes Label: Toast Hawaii. Doch er war damit wenig erfolgreich, ebenso wie mit seinen Immobiliengeschäften. Erfolgreicher war er als DJ – und das weltweit. Privat entsprach sein Leben nicht unbedingt dem Rock ’n‘ Roll-Image: Seit fast 30 Jahren war er verheiratet und hatte zwei Kinder.
Doch auch wenn selbst Fans oft rätselten, was eigentlich seine Rolle in der Band war, und er das einzige Bandmitglied war, das nie einen Song schrieb: Der Gesamtsound von Depeche Mode wäre ohne ihn kaum denkbar. Fletcher spielte zunächst Bassgitarre, dann Synthbass und dann immer häufiger Keyboards: Er war in der Band für Synthesizer, Streicher- und Dronesounds und für Samples zuständig, vor allem live. Er nannte sich selbstironisch den „besten Ein-Finger-Keyboarder der Welt”. Mit Mikro singen durfte er nach einiger Zeit aber nicht mehr. Doch seine Rolle veränderte und erweiterte sich immer wieder: So war er nach dem Weggang von Vince Clarke und später von Alan Wilder deutlich stärker in die Studio-Arbeit involviert.

Bandmutti und Vermittler

Von außen gesehen ist Dave Gahan der charismatische Kopf der Band, Martin Gore der so geniale wie sensible Intellektuelle. Beide haben oft um ihre Vormachtstellung gekämpft. Andrew Fletcher sagte in einer Dokumentation 1989 zu seiner Rolle, Martin sei der Songwriter, Alan der gute Musiker, Dave der Sänger: “And I burn around." Soll heißen, er hänge dazwischen und verbrenne fast.
Tatsächlich war er mal Pressesprecher, mal Scheckeintreiber, manchmal Mädchen für alles, Manager und Bandmutti – und immer Mediator und Mann im Maschinenraum, während die anderen beiden oft sichtbar auf der Kommandobrücke gestritten haben.
Fletcher war der Vermittler und Streitschlichter. Er traf als Dritter Entscheidungen für alle. Zudem brachte und hielt er die Band zusammen, gerade in schwierigen Zeiten, zum Beispiel als es schon einmal Auflösungsgerüchte gab. Letztlich war er der Kitt zwischen den Charisma-Köpfen.
Auf Twitter schrieb die Band zum Tod ihres Kollegen:

Fletch hatte ein echtes Herz aus Gold und war immer da, wenn man Unterstützung, ein gutes Gespräch, ein schönes Lachen oder ein kühles Bier brauchte.

Was Fletchers Tod für die Band bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Aber es ist zumindest fraglich, ob das Bandgefüge ohne ihn funktioniert. Rein von der kreativen Seite her ginge das schon. Nach dem letzten Album „Spirit“ von 2017 arbeitete die Band bereits an neuem Material.

Gibt es ein letztes Album?

Bereits vor einem halben Jahr sagte Dave Gahan, er habe während der letzten Tour viel an das Ende der Band gedacht. „Ich möchte an einem gewissen Punkt auf die Band schauen und es einfach dabei belassen – wir haben diese großartigen Performances gehabt, diese tollen Alben aufgenommen. Das alles steht für sich.“
Es ist vorstellbar, dass das neue Songmaterial demnächst als letztes Album der Band herauskommt, dass es vielleicht noch eine Tour gibt – aber sehr viel länger wird es vermutlich nicht funktionieren mit Depeche Mode.

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