Andrew Sayer: "Warum wir uns die Reichen nicht mehr leisten können"
C.H.Beck, 2017
477 Seiten, 27,95 Euro
Der Zorn auf die Wohlhabenden
Die Super-Reichen würden die Umwelt verschmutzen und mit ihrem unverdienten Reichtum würden sie die Gesellschaft spalten, meint der Soziologe Andrew Sayer in "Wir können uns die Reichen nicht leisten". Er fordert radikale Enteignungen.
Zum 200. Geburtstag von Karl Marx in diesem Jahr könnte es keine passendere Lektüre geben: "Warum wir uns die Reichen nicht leisten können" heißt das Buch, in dem der britischen Professor Andrew Sayer den Kapitalismus konsequent marxistisch gegen den Strich bürstet. Und es ist kein Wunder, dass er kein gutes Haar an der Marktwirtschaft lässt: Privateigentum an Grund und Boden und am Produktivkapital zerstöre die Gesellschaft, Arbeitsteilung demotiviere die Benachteiligten, Lohnunterschiede schadeten dem Zusammenhalt, Reiche ruinierten das Klima.
Ungerechtigkeit, Habgier, Skrupellosigkeit
Das sind Sayers Thesen, der an der Universität von Lancester Soziologie lehrt. In Sayers Welt regieren Ungerechtigkeit, Habgier und Skrupellosigkeit. Er zeichnet ein dunkles Bild der Ausweglosigkeit, wenn man zur falschen Zeit in die falsche Familie geboren wird. Sozialer Aufstieg sei nahezu unmöglich, analysiert er. Denn die Reichen mehren ihren Wohlstand nicht mit außerordentlichen Fähigkeiten oder harter Arbeit, sondern mit "unverdientem Einkommen". Unverdientes Einkommen, das sind für Sayer Erträge aus Kapital und Zinsen. Jeder normale Mensch dagegen müsse für sein Auskommen arbeiten, und werde schlecht bezahlt, weil er keine Macht habe.
In einigen Punkten hat er Recht: Tatsächlich sind die sehr Reichen in den vergangenen 60 Jahren in einem atemberaubenden Tempo reicher geworden. Je reicher Menschen sind, desto tiefer ist ihr Kohlendioxid-Fußabdruck für gewöhnlich. Und ja, es stimmt: Die Finanzkrise des Jahres 2008 wurde von einem irrationalen Finanzwesen ausgelöst, das sich nahezu jeder Kontrolle entzogen hat.
Grund und Boden verstaatlichen, Aktionäre bändigen!
Doch das hat man alles schon woanders gelesen: Wer sich an David Graebers Bestseller "Schulden: Die ersten 5000 Jahre" erinnert, an Thomas Pikettys "Das Kapital im 21. Jahrhundert", oder an Joseph Vogls "Das Gespenst des Kapitals", wird in Sayers Buch nicht viel Neues finden. Außer, dass Sayer wieder ganz nah an Karl Marx ist, wenn er eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verlangt.
Sein Zorn auf die Reichen, die bei einem Bootsausflug im Mittelmeer mehr CO2 ausstoßen als ein Afrikaner in seinem ganzen Leben, bringt ihn zurück ins 19. Jahrhundert. Die Verstaatlichung von Grund und Boden, mindestens aber eine extrem hohe Grundsteuer, soll die Reichen daran hindern, die Natur und die Benachteiligten weiter auszubeuten. Hausgenossenschaften sollen den klassischen Immobilienkredit ablösen, öffentliche Banken die privaten Geldhäuser weitgehend ersetzen, Mitarbeitereigentümer die Aktionäre bändigen. Erbschaft- und Vermögensteuern seien die richtigen Instrumente, um die weitere Anhäufung von Vermögen zu Lasten der Benachteiligten zu vermeiden.
Sein Zorn auf die Reichen, die bei einem Bootsausflug im Mittelmeer mehr CO2 ausstoßen als ein Afrikaner in seinem ganzen Leben, bringt ihn zurück ins 19. Jahrhundert. Die Verstaatlichung von Grund und Boden, mindestens aber eine extrem hohe Grundsteuer, soll die Reichen daran hindern, die Natur und die Benachteiligten weiter auszubeuten. Hausgenossenschaften sollen den klassischen Immobilienkredit ablösen, öffentliche Banken die privaten Geldhäuser weitgehend ersetzen, Mitarbeitereigentümer die Aktionäre bändigen. Erbschaft- und Vermögensteuern seien die richtigen Instrumente, um die weitere Anhäufung von Vermögen zu Lasten der Benachteiligten zu vermeiden.
Man müsste, sollte, könnte…
Gegenüber Marx hat Sayer einen Nachteil. Er weiß, dass die proletarische Revolution krachend gescheitert ist und dass man deshalb kaum noch einmal auf den Aufstand der Massen setzen kann. Deshalb sind seine Lösungsvorschläge moralisch einwandfrei, politisch aber im Gegensatz zum großen Vorbild eher flau: Man müsste jetzt, sollte sofort, könnte doch wirklich.
Aber Sayer weiß natürlich ganz genau, dass es für seine Thesen in der entwickelten Welt keine Chance auf Realisierung gibt. Und deshalb sind seine Vorschläge zur Lösung nicht relevant. Ideen mit politischer Schlagkraft sehen anders aus.
Aber Sayer weiß natürlich ganz genau, dass es für seine Thesen in der entwickelten Welt keine Chance auf Realisierung gibt. Und deshalb sind seine Vorschläge zur Lösung nicht relevant. Ideen mit politischer Schlagkraft sehen anders aus.