Andrew Sean Greer: "Mister Weniger"

Ein sympathischer Verlierer

Andrew Sean Greer schickt seinen Helden, der so gar nichts Heldenhaftes an sich hat, auf eine Art Selbsterkundungsreise.
Andrew Sean Greer schickt seinen Helden, der so gar nichts Heldenhaftes an sich hat, auf eine Art Selbsterkundungsreise. © picture alliance / dpa; S. Fischer
Von Johannes Kaiser |
Aids hat ihn verschont, das Alter hingegen nicht, und dann lädt ihn auch noch der Ex-Geliebte zur Hochzeit ein: Es ist ein so amüsanter wie tragischer Held, den Pulitzer-Preisträger Andrew Sean Greer in seinem Roman auf eine Weltreise schickt.
Dass Schriftsteller über die Höhen und Tiefen eines Schriftstellerdaseins schreiben, kommt relativ häufig vor: Schließlich kennen sie sich da aus. Das gilt auch für den amerikanischen Autor Andrew Sean Greer. Im Mittelpunkt seines nunmehr fünften Romans steht der Schriftsteller Arthur Weniger.
Nomen est omen. Weniger ist wenig bekannt, wenig erfolgreich, eher eine Randerscheinung des Literaturbetriebs. Man nimmt ihn vor allem als ehemaligen Geliebten des prominenten Dichters Robert Brownburn wahr und lädt ihn denn auch deswegen zu Veranstaltungen ein, die diesem Poeten gewidmet sind. Nicht seine Arbeiten, dessen Werke und dessen Leben stehen dann zur Debatte.
Dass sich Arthur Weniger auf diese für ihn entwürdigenden Veranstaltungen einladen lässt, hat allerdings einen tieferen Grund. Er hat gerade eine grausame Nachricht bekommen: Ein langjähriger Partner, ein Ex-Geliebter hat ihn zur Hochzeit eingeladen. Nichts hält ihn mehr, er nimmt jetzt jede Einladung wahr, die ihn weit wegbringt. Es sind absurde Veranstaltungen wie eine Podiumsdiskussion in New York mit einem Science Fiction Autor oder eine Vorlesungsreihe in Berlin. Weitere Termine gibt es in Mexiko, Paris, Tokio, Marokko. So geht Arthur Weniger auf Weltreise, um alles zu vergessen. Das gelingt erwartungsgemäß weniger.

Untröstlich deprimiert, als der Lieblingsanzug kaputt geht

Andrew Sean Greer schickt seinen Helden, der so gar nichts Heldenhaftes an sich hat, eher wie ein ständiger Verlierer wirkt, auf eine Art Selbsterkundungsreise. Wo auch immer Arthur hinkommt, er macht sich lächerlich. Es ist ausgesprochen amüsant zu lesen, wie Arthur zum Beispiel in Berlin versucht, deutsch zu sprechen, weil er glaubt, die deutsche Sprache zu beherrschen. Doch das ist keineswegs der Fall.
Überall lässt er sich auf kurze, unbefriedigende Affären ein, nur um denjenigen zu vergessen, der da in seiner Abwesenheit heiraten wird. Zudem wird ihm sein Alter bewusst. Er ist gerade 50 geworden. Aids hat ihn verschont, das Alter aber nicht. Seine Falten stören ihn. Er ist eitel und abergläubisch. Als sein blauer Lieblingsanzug kaputt geht, ist er geradezu untröstlich deprimiert. Doch so lächerlich und tollpatschig sich Arthur auch aufführt, er ist ein sympathischer Verlierer, ein freundlicher Hypochonder, ein bisschen weltfremd, ein bisschen scheu.
Man muss nicht schwul sein, um an Arthurs schwulen Affären sein Vergnügen zu haben. Andrew Sean Greer, der aus seiner Homosexualität nie einen Hehl gemacht hat, beschreibt die Szene mit amüsanter Ironie, freundlichem Spott. Es braucht nicht lange, bis man begreift, dass Arthur auch vor sich selbst flieht, seinem Selbstbild, das heißt seiner Enttäuschung über sich selbst entgehen will, seiner vermeintlichen Feigheit. Umso überraschender ist der Schluss, der das ganze Buch, die ganze Geschichte vom Kopf auf die Füße stellt, denn eines ist klar: Arthur ist eine fantastische, grandiose, höchst amüsante Kopfgeburt Andrew Sean Greers. Schön, dass sein Werk jetzt mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde.

Andrew Sean Greer: Mister Weniger
Übersetzt von Tobias Schnettler
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018
331 Seiten, 22 Euro

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