Andris Nelsons

Weltklassedirigent am Leipziger Gewandhaus

Andris Nelsons, Musikalischer Direktor des Birmingham Symphony Orchestras, dirigiert bei einem Auftritt in Prag am 20. August 2010.
Andris Nelsons erlebte seinen Durchbruch in Bayreuth, wo er 2010 "Lohengrin" dirigierte. © dpa / picture alliance / Stanislav Zbynek
Von Claus Fischer |
Andris Nelsons wird neuer Chefdirigent beim Leipziger Gewandhausorchester. Der Lette hat mit 36 Jahren bereits eine lange Karriere hinter sich. Mit 24 Jahren wurde er Opernchef in Riga und 2014 folgte der Sprung an die Spitze des Boston Symphony Orchestra.
Sichtlich stolz war Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, als er den Namen des 21. Gewandhauskapellmeisters der Geschichte verkündete:
"Das ist ein guter Tag! Mit großer Freude darf ich ihnen heute Andris Nelsons vorstellen ... "
Andris Nelsons also. Der 37-jährige Lette, der in den letzten Jahren eine beispiellose Weltkarriere gemacht hat. Im Jahr 2011 debütierte er als Gastdirigent am Gewandhaus und dabei, so Orchestervorstand Tobias Haupt passierte etwas, dass sich schwerlich in Worte fassen lässt:
"Er strahlte eine mitreißende Begeisterung für die Musik aus. Und schenkte uns dabei ein Vertrauen, dass jede mühsame Überzeugungsarbeit überflüssig machte. Wie wir später erfuhren, wurde diese Einschätzung auch von ihm geteilt."
Während die Berliner Philharmoniker ihren Chefdirigenten in demokratischer Abstimmung wählen, ist das Prozedere in Leipzig anders. Gewandhausdirektor Andreas Schulz – anderswo würde er wohl Intendant heißen – hat in den letzten Monaten gemeinsam mit dem Oberbürgermeister und Vertretern des Orchesters den Vertrag mit Andris Nelsons ausgehandelt.
"Überlegen sie wie oft dieser Name in den vergangenen Jahren bei welchen Top-Spitzenorchestern in der Welt auftauchte. Und Leipzig hat es geschafft."
Vier der weltbesten Dirigenten
Mit der Verpflichtung von Andris Nelsons ist der Stadt ein genialer Schachzug gelungen. Denn sowohl er als auch Christian Thielemann waren kürzlich bei den Berliner Philharmonikern in der engeren Wahl. Ab 2017 werden dann also mit Kirill Petrenko und Daniel Barenboim in Berlin, Christian Thielemann in Dresden und Andris Nelsons in Leipzig vier der weltbesten Dirigenten in Ostdeutschland agieren.
Andris Nelsons wurde in Riga geboren. Am Konservatorium seiner Heimatstadt hat er zunächst Trompete studiert, war danach auch eine Zeitlang als Solotrompeter im Orchester tätig. Doch von Anfang an zog es ihn mit Macht ans Dirigentenpult:
"Mein Traum war: Wenn ich war fünf Jahre alt, ich hab meine erste Oper gehört. Das war "Tannhäuser", Richard Wagner, und das ist Erinnerung für mich. Und in diesem Moment ich wollte Dirigent sein. Aber das war nur ein Traum, eine Idee. Wenn ich habe Trompete gespielt, das war wunderbar, mit Orchester und auch solo. Aber als Dirigent sie sind in Musik involviert, jede Minute, jede Sekunde! Und das ist für mich, das war für mich sehr wichtig. Ich wollte mehr mit Musik zu tun haben."
Vor zwei Jahren wurde Andris Nelsons Chefdirigent beim Boston Symphony Orchestra. Erst kürzlich hat man seinen Vertrag bis zum Jahr 2022 verlängert. Selbstverständlich hat er inzwischen auch einige der von ihm so geliebten Opern Richard Wagners dirigiert, etwa im Jahr 2010 den "Lohengrin" in Bayreuth. Im kommenden Jahr soll er dort beim "Parsifal" am Pult stehen. Da stellt sich die Frage, wo der junge Lette sich mehr zuhause fühlt, auf dem Konzertpodium oder im Graben.
"Ich liebe Oper und liebe Sinfonie"
"Ja, das ist sehr, sehr schwer zu sagen. Ich muss sagen, ich habe immer gedacht, für mich ist es egal. Oper oder Sinfonie-Musik, das ist alles Musik! Natürlich, das sind unterschiedliche Genres, aber generell ist das alles Musik. Ich liebe Oper und liebe Sinfonie. Ich hab das immer gemacht. Was liebe ich mehr, Mutter oder Vater? Ich liebe beides."
Dennoch - spätestens ab September 2017 wird die sinfonische Musik die Hauptaufgabe von Andris Nelsons sein, dann tritt er sein Amt in Leipzig an. Dabei kommt ihm zugute, dass er bereits in den letzten Jahren sich ein enorm breit gefächertes Repertoire erarbeitet hat, von Haydn über den von ihm besonders verehrten Wagner, Richard Strauss und Mahler bis hin zu Puccini, Tschaikowski und Schostakowitsch. Seine Chefposition beim Boston Symphony Orchestra wird Andris Nelsons übrigens behalten.
Ob diese Zweigleisigkeit auf Dauer funktioniert, muss sich zeigen. Interessant ist, dass das Leipziger Gewandhausorchester gleichzeitig mit der Ernennung von Andris Nelsons eine intensive Kooperation mit Boston Symphony vereinbart hat. In Zukunft soll es wechselnde Gastspiele geben, geplant ist außerdem der Austausch von Musikern zwischen den beiden Orchestern.
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