Der Präsident als Wahlkämpfer?
Er sei der der ganzen Nation verpflichtet, sagt Polens neuer Präsident Andrzej Duda, betont aber zugleich: Ohne Hilfe der Regierung kann ich meine Wahlversprechen nicht einlösen. Das wird als dezenter Wahlvorschlag für die Parlamentswahl im Herbst gedeutet.
Nicht politische Arroganz – behauptet Andrzej Duda – sondern Volksnähe sei gefragt. Also lässt er weiterhin keine Gelegenheit aus, um sich möglichst bürgernah zu geben. Am Tag nach der Wahl servierte er mitten im Zentrum von Warschau höchstpersönlich Kaffee und hörte seinen Fans aufmerksam zu:
"Ich hoffe dass Sie sich von der Partei trennen werden, aus der Sie stammen", sagt eine Frau. "Wissen Sie, das ist zwingend nötig", entgegnet Duda.
"Wenn man Präsident ist, dann ist man der ganzen Nation verpflichtet. Es ist für mich selbstverständlich, keiner Partei anzugehören. Ich möchte nur, dass diejenigen, die heute regieren, mit mir mein Programm für Polen auch realisieren wollen."
Ohne die Regierung geht nichts
Hört sich gut an. Nur: Der soeben abgewählte Präsident Bronislaw Komorowski war auch aus seiner Partei Bürgerplattform ausgetreten, als er das höchste Amt im Staat übernahm. Insofern ist Dudas Entscheidung dasselbe zu tun, nur konsequent. Und die Anmerkung, mein Programm werde ich verwirklichen, wenn es auch die Regierung will, könnte als vorsichtiger Rückzug aus der Vielzahl der von Duda gemachten Versprechen gewertet werden.
Eben weil die meisten avisierten Programme und Projekte nicht in den Kompetenzbereich des polnischen Präsidenten fallen, insofern ohne die Regierung und entsprechende parlamentarische Mehrheit gar nicht realisiert werden können.
Wer also Steuersenkungen haben will, oder eine massive Änderung der Sozialpolitik wünscht, muss auch dafür sorgen, dass im kommenden Herbst die erzkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit, aus der auch Andrzej Duda stammt, die Regierung übernimmt. Damit Präsident und Premier am selben politischen Strang ziehen können. Ein ziemlich durchschaubares Manöver, meint der Warschauer Politologe Andrzej Rychard:
"Andrzej Duda wird darauf hinweisen, dass wenn man seine Ideen umsetzen möchte, dann ist dafür auch ein für die Partei Recht und Gerechtigkeit entsprechend gutes Ergebnis bei der Parlamentswahl nötig. Das wird eine mobilisierende Rolle vor den Wahlen spielen. Ich denke nicht, dass Duda ruhig und passiv bleibt, er wird meiner Meinung nach zu seinen Vorschlägen, oder wenigstens zu einem Teil davon, mit eben diesem Hinweis zurückkehren."
Wegbereiter für die Parlamentswahlen?
Eine Strategie, mit der vor allem sozialschwache Dorfbewohner, Rentner und arbeitslose Jugendliche weiterhin auf erzkonservativem Kurs in Polen gehalten werden sollen. Eine Gruppe, die maßgeblich zum Sieg von Andrzej Duda beigetragen hat. In erster Linie im Osten des Landes. Ähnlich wie im ersten Wahlgang votierten die eher ärmlichen Regionen auch diesmal mehrheitlich für Andrzej Duda und folgten somit seinem Spruch, Polen brauche einen grundsätzlichen politischen Wandel. Ohne sich dessen offenbar bewusst zu sein, welche Gefahren dahinter stecken würden, meint Regierungssprecherin Malgorzata Kidawa-Blonska:
"Die Jahre der Präsidentschaft Komorowskis waren gut. Im Wahlkampf haben wir aber Fehler gemacht. Bei den Parlamentswahlen werden wir diese Fehler nicht wiederholen."
Spätestens im Oktober wird klar, ob die aktuelle Regierung tatsächlich aus ihren Fehlern gelernt hat. Sicher ist das nicht.
Eines steht aber fest: die Mehrheit jener, die in Polen an die Urnen gehen, wünscht sich offenbar einen Rechtsruck. Und scheint die verheerenden Folgen der Kaczynski-Herrschaft irgendwie verdrängt zu haben.