Anekdoten übers Altern
Ähnlich wie in ihrem Bestseller "Salz auf unserer Haut" entwirft Benoîte Groult im ähnlich klingenden Nachfolger "Salz des Lebens" die Geschichte einer unmöglichen Liebe, allerdings mit der fehlenden ironischen Distanz aus dem ersten Teil. Als Roman hat das Werk so seine Schwächen, dafür gibt Groult immer wunderbare Ansichten übers Altern und wie man sich mental darauf vorbereitet zum Besten.
Ganz offensichtlich besteht im Haus der Berlinverlage ein Hang dazu, die Titel einzelner Autoren einander anzugleichen und damit gewissermaßen ein Markenzeichen zu schaffen. So wurde aus Christian Osters "L'Imprévu" (Das Unvorhergesehene) Mein blindes Schicksal in Anlehnung an die beiden vorhergehenden Romane Meine große Wohnung und Meine Putzfrau. Für Benoîte Groult nun möchte man augenfällig an ihren Bestseller Salz auf unserer Haut anknüpfen, indem der aktuelle Titel - im Französischen "Touche étoile" - Salz des Lebens lautet.
Diese Analogie ist zweifellos im Sinne der Autorin, da sie hier eine Geschichte erzählt, die an die große Leidenschaft zwischen dem bretonischen Seemann Gauvain und der Pariser Intellektuellen namens George (Madame Sand lässt grüßen) erinnert. Letztere Rolle ist identisch besetzt, diesmal heißt die Figur Marion, den männlichen Part spielt erneut ein Kelte, der irische Pilot Brian. Was fehlt, ist der unüberbrückbare kulturelle und soziale Abstand zwischen beiden Liebenden, der zu der Einsicht führt, dass ein gemeinsames Leben nicht möglich ist, aber dem Begehren keinen Abbruch tut.
In Salz des Lebens verliert sich das junge Paar aus einer Art Unachtsamkeit aus den Augen und findet sich erst wieder, als Brian bereits verheiratet und Vater ist, damit als katholischer Ire an seine Frau gebunden, die zudem an MS erkrankt. Was allerdings hier auch fehlt, ist die kritische Distanz der Ich-Erzählerin im ersten Buch, die voller Ironie ein so wunderbares Gegengewicht zu jener Hymne auf die alles überwindende Leidenschaft gebildet hatte.
Dafür finden wir jetzt zwei weitere Ich-Erzählerinnen: Den Auftakt bildet eine direkte Anrede der Leser durch Moira, das Schicksal, deren Passagen nicht unbedingt zu den Höhepunkten des Buches gehören, wohingegen die Hauptfigur Alice vielleicht nicht alle Schwächen aufwiegt, aber eine grandiose Schilderung dessen bietet, was es bedeutet, zu altern und wirklich alt zu werden. Diese Alice ist die Mutter von Marion und trägt diverse Züge der Autorin (Jahrgang 1920), wenn auch fünf Jahre älter als diese und nur ein- statt dreimal verheiratet, aber ebenfalls überzeugte - für ihre Familie mitunter nervtötende - Feministin, die jenseits der achtzig den Gatten verliert.
Das Ganze als Roman zu bezeichnen ist wohl nur möglich, weil diese Gattung ohnehin kaum festgelegt ist. Zwar haben wir die Liebesgeschichte von Marion, partiell die Familiensaga von Alice und den ihren, aber lesenswert sind vor allem die beinahe essayistischen Abschnitte über den Verlauf der Zeit und die Vergänglichkeit - sei es im Hinblick auf den eigenen Körper, sei es auf Phänomene der gesellschaftlichen Entwicklung.
Benoîte Groult findet wunderbare Episoden, die auch Jüngere problemlos nachvollziehen können, so die Arroganz der jungen Männer im Computerladen, die der älteren Dame (und wie wir wissen, nicht nur ihr) keinerlei Hilfe bei der Auswahl eines Notebooks liefern. Oder der Elektriker, der ohne genügend Vorwarnung einen Induktionsherd mit integriertem Schaltfeld verkauft. Da findet die Autorin all den Witz, all die analytische Schärfe und die Selbstironie wieder, die Salz auf unserer Haut zu mehr als 2,5 Millionen verkauften Exemplaren verhalf.
Mit der Meisterschaft, die sie berühmt gemacht hat, beschreibt Groult nun den Prozess des Alterns, ohne ihn in irgendeiner Weise zu beschönigen, aber sie zeigt uns Wege auf, um uns zumindest mental davon nicht unterkriegen zu lassen. Ein Kunststück, das neben wunderbar plastischen Anekdoten dem Leser großes, wenngleich nicht nur heiteres Lesevergnügen bereitet.
Rezensiert von Carolin Fischer
Benoîte Groult: Salz des Lebens
Roman. Aus dem Frz. v. Barbara Scriba-Sethe
Bloomsbury Berlin 2007
224 S. 18,- Euro
Diese Analogie ist zweifellos im Sinne der Autorin, da sie hier eine Geschichte erzählt, die an die große Leidenschaft zwischen dem bretonischen Seemann Gauvain und der Pariser Intellektuellen namens George (Madame Sand lässt grüßen) erinnert. Letztere Rolle ist identisch besetzt, diesmal heißt die Figur Marion, den männlichen Part spielt erneut ein Kelte, der irische Pilot Brian. Was fehlt, ist der unüberbrückbare kulturelle und soziale Abstand zwischen beiden Liebenden, der zu der Einsicht führt, dass ein gemeinsames Leben nicht möglich ist, aber dem Begehren keinen Abbruch tut.
In Salz des Lebens verliert sich das junge Paar aus einer Art Unachtsamkeit aus den Augen und findet sich erst wieder, als Brian bereits verheiratet und Vater ist, damit als katholischer Ire an seine Frau gebunden, die zudem an MS erkrankt. Was allerdings hier auch fehlt, ist die kritische Distanz der Ich-Erzählerin im ersten Buch, die voller Ironie ein so wunderbares Gegengewicht zu jener Hymne auf die alles überwindende Leidenschaft gebildet hatte.
Dafür finden wir jetzt zwei weitere Ich-Erzählerinnen: Den Auftakt bildet eine direkte Anrede der Leser durch Moira, das Schicksal, deren Passagen nicht unbedingt zu den Höhepunkten des Buches gehören, wohingegen die Hauptfigur Alice vielleicht nicht alle Schwächen aufwiegt, aber eine grandiose Schilderung dessen bietet, was es bedeutet, zu altern und wirklich alt zu werden. Diese Alice ist die Mutter von Marion und trägt diverse Züge der Autorin (Jahrgang 1920), wenn auch fünf Jahre älter als diese und nur ein- statt dreimal verheiratet, aber ebenfalls überzeugte - für ihre Familie mitunter nervtötende - Feministin, die jenseits der achtzig den Gatten verliert.
Das Ganze als Roman zu bezeichnen ist wohl nur möglich, weil diese Gattung ohnehin kaum festgelegt ist. Zwar haben wir die Liebesgeschichte von Marion, partiell die Familiensaga von Alice und den ihren, aber lesenswert sind vor allem die beinahe essayistischen Abschnitte über den Verlauf der Zeit und die Vergänglichkeit - sei es im Hinblick auf den eigenen Körper, sei es auf Phänomene der gesellschaftlichen Entwicklung.
Benoîte Groult findet wunderbare Episoden, die auch Jüngere problemlos nachvollziehen können, so die Arroganz der jungen Männer im Computerladen, die der älteren Dame (und wie wir wissen, nicht nur ihr) keinerlei Hilfe bei der Auswahl eines Notebooks liefern. Oder der Elektriker, der ohne genügend Vorwarnung einen Induktionsherd mit integriertem Schaltfeld verkauft. Da findet die Autorin all den Witz, all die analytische Schärfe und die Selbstironie wieder, die Salz auf unserer Haut zu mehr als 2,5 Millionen verkauften Exemplaren verhalf.
Mit der Meisterschaft, die sie berühmt gemacht hat, beschreibt Groult nun den Prozess des Alterns, ohne ihn in irgendeiner Weise zu beschönigen, aber sie zeigt uns Wege auf, um uns zumindest mental davon nicht unterkriegen zu lassen. Ein Kunststück, das neben wunderbar plastischen Anekdoten dem Leser großes, wenngleich nicht nur heiteres Lesevergnügen bereitet.
Rezensiert von Carolin Fischer
Benoîte Groult: Salz des Lebens
Roman. Aus dem Frz. v. Barbara Scriba-Sethe
Bloomsbury Berlin 2007
224 S. 18,- Euro