Angela Merkel

Die befreite Kanzlerin

Bundeskanzlerin Merkel im Europäischen Parlament
Bundeskanzlerin Merkel im Europäischen Parlament © AP
Stefan Kornelius im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
Es wurde gezweifelt, ob Angela Merkel noch Kanzlerin sein kann, wenn sie nicht mehr CDU-Chefin ist. Merkel beantwortet die Zweifel souverän - so gelöst und inspiriert wie derzeit war sie lange nicht mehr.
Kanzlerin Angela Merkel wirkt derzeit befreit, sie formuliert ihre Anliegen und Positionen klarer als vor ihrer Ankündigung, den CDU-Vorsitz aufzugeben und 2021 politisch in Rente zu gehen. Ob bei den Feierlichkeiten zu 100 Jahren Frauenwahlrecht oder bei ihrer Rede im EU-Parlament zur Zukunft Europas: Merkel ist momentan "enorm gelöst", wie der Publizist und Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, beobachtet hat.
Merkel sei keineswegs amtsmüde, betonte Kornelius im Deutschlandfunk Kultur. Der Journalist sieht bei der Kanzlerin - ganz im Gegenteil - eine "enorme Lust", das Amt auszufüllen. Der Verlust des CDU-Vorsitzes schwäche sie: "Aber sie lässt sich jetzt auf dieses Experiment ein."

Die Kanzlerin lobt sogar Horst Seehofer

Merkel sei entschlossen, ihre Regierungszeit zu erfüllen, sagte Kornelius. Er sehe aber noch keine echte "inhaltliche Befreiung" - sie sage die Dinge derzeit deutlicher, als sie das in der Vergangenheit getan habe, man müsse ihre Statements - zum Beispiel dasjenige über die europäische Armee - aber dennoch auf neue Akzente hinterfragen, so der Journalist.
Der Schalk bleibt Merkel in jedem Fall, egal, ob sie Kanzlerin ist oder nicht. Auf einer SZ-Veranstaltung am gestrigen Abend lobte sie sogar den ebenfalls vom Parteiamt zurückgetretenen Horst Seehofer, wie Kornelius berichtet. Man habe aber gleichzeitig an ihrer "verschmitzten" Art gemerkt, "dass sie drei Kreuze schlägt" - dass der Bayer künftig in der Union eine wesentlich kleinere Rolle spielt, kann der Kanzlerin nur gefallen. (ahe)
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