Psychotherapeutin und Krimi-Autorin Angélique Mundt
Schreibt schwere Erlebnisse auf, um Distanz zu finden: die Psychotherapeutin Angélique Mundt. © Deutschlandradio
„Ich habe drei Leben“
33:26 Minuten
Angélique Mundt hilft Menschen in Not, als Psychotherapeutin und in einem Kriseninterventionsteam. Beides verarbeitet die Hamburgerin in Kriminalromanen, in denen ihr Alter Ego Tessa Ravens Verbrecher jagt.
Jahrelang ist Angélique Mundt dorthin gegangen, wo es besonders wehtut: Als Psychotherapeutin begleitete sie die Polizei beim Überbringen von Todesnachrichten an Angehörige. Das ist Teil ihrer Arbeit im Kriseninterventionsteam Hamburg des Deutschen Roten Kreuzes.
Wenn man Menschen mitteilen muss, dass ein Angehöriger unerwartet verstorben ist – durch Unfall, Gewalt oder aus anderen Gründen -, dann gibt es einen besonders schweren Moment, weiß Mundt aus langer Erfahrung: den Augenblick, wenn die noch ahnungslosen Hinterbliebenen die Tür öffnen. Den Moment, bevor ihr Leben in Trümmer zerfällt.
Todesnachricht beim Kindergeburtstag
Einmal gerieten Mundt und die Polizeibeamten, die sie begleitete, mitten in einen Kindergeburtstag. Und mussten dort mitteilen, dass der Vater des Geburtstagskindes gestorben war. Gerade Einsätze, bei denen Kinder betroffen sind, seien besonders schwer, sagt die Psychologin. Mit den Kleinen müsse sie sich viel Zeit nehmen, denn sie bewältigten Hiobsbotschaften anders als Erwachsene. Und manchmal auch gemeinsam mit ihnen weinen.
„Diese Einsätze berühren mich zutiefst“, sagt Angélique Mundt. Sie hat Strategien, wie sie diese verarbeitet: Bevor sie zu den Angehörigen geht, sieht sie sich das Todesopfer möglichst erst einmal an, um einen Bezug zu dem „Fall“ zu bekommen. Nach dem Einsatz wechselt sie ihre Kleidung und schreibt das Erlebte auf, um Distanz zu finden.
Psychologin auf Verbrecherjagd
Die Arbeit im Kriseninterventionsteam sei eines ihrer drei Leben, sagt Mundt. Das andere ist ihre Praxis als Psychotherapeutin. Und dann ist sie auch noch Schriftstellerin: In ihren Krimis lässt sie die Psychotherapeutin Tessa Raven knifflige Kriminalfälle lösen. Die sei durchaus frech und überschreite auch mal Grenzen, sagt die Autorin, die jene Grenzen selbst im wahren Leben respektiert. Ihre Inspiration zieht Mundt aus beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen. Es hätten sich aber noch nie Patienten oder Betroffene in ihren Geschichten wiedererkannt, betont sie.
Manchmal ist Mundt auch als Beraterin unterwegs. So hat sie bei zwei Filmen von Starregisseur Fatih Akin mitgewirkt: Bei „Aus dem Nichts“ beriet sie das Team zur Arbeit von Kriseninterventionsteams und übernahm auch eine kleine Rolle. Und in „Der Goldene Handschuh“ war ihr psychologisches Wissen bei den teilweise extremen Gewaltszenen gefragt, außerdem spielte sie eine Nonne.
Keine Leichen mehr zum Frühstück
Selbst in ihrem Privatleben hat Angélique Mundt immer wieder mit Notfällen und Verbrechen zu tun, denn ihr Ehemann ist Hauptkommissar bei der Wasserschutzpolizei. Die beiden reden viel über ihre Einsätze, doch irgendwann hatte ihr Mann eine Bitte an sie: keine Leichen mehr zum Frühstück.
(pag)