Angenehmes Klima ganz ohne Heizung

Von Susanne Nessler |
Ein ausgeklügeltes Belüftungssystems sorgt im Inneren für Temperaturen, die angenehm sind - ganz ohne Heizung. Bei Nullemissionshäusern sind Energieverbrauch und -gewinn ausgeglichen. In Berlin Mitte ist gerade wieder eines entstanden.
Der Eingangsbereich ist noch eine Baustelle, Staub liegt auf dem Boden und Handwerker mit Bauhelmen laufen hin und her.

"Wir haben eine Wohnung im dritten Stock", sagt Barbara Richartz-Bausch. Sie ist mit ihrem Mann vor kurzem in das neue Nullemissionshaus in Berlin Mitte gezogen. "Und wir haben die Wohnung so konzipiert, dass sie zwei Zugänge hat über beide Treppenhäuser."

100 Quadratmeter bewohnt das Paar. Lediglich 300 Euro Heiz- und Warmwasserkosten fallen im Jahr an. Ein Zehntel dessen, was die Beheizung einer Altbauwohnung kostet.

Ein Nullemissionshaus bedeutet ein Leben ohne Heizung, allerdings ohne zu frieren. Dazu eine neutrale CO2 Bilanz. Häuser ohne Heizkörper gibt es schon länger. Sie werden Passivhäuser genannt, weil sie über ein energieeffizientes System verfügen, das alle Energie- und Wärmequellen und eine gute Dämmung nutzt, um die Wärme in der Wohnung zu halten.

Das Nullemissionshaus ist die Weiterentwicklung des Passivhauses. Die durchschnittliche Raumtemperatur beträgt 20 bis 21 Grad. Beheizt wird das Haus über ein Be- und Entlüftungssystem, das Kernstück der Klimatechnik. Dazu verbergen sich mehrere Luftschächte hinter abgehangenen Decken und tauschen ständig die Luft im gesamten Haus aus, erklärt der Architekt Christoph Deimel:

"Man kann jetzt auch die noch provisorischen Lüftertürme im Garten sehen. Rechts ist die Fortluft, die haben wir sinnigerweise zum Müll rausgetan. Und die Frischluftansaugung ist noch umrahmt von grünen Pflanzen. Und die Systeme treffen sich nicht. Auch im Wärmetauscher treffen die sich nicht. Es wird immer komplett alle Luft rausgeführt aus dem Haus und frische Luft zugeführt."

Die Belüftung ist mit einem Filter versehen, sodass Allergiker keine Probleme bekommen. In den Wohnungen ist der ständige Luftaustausch nicht zu spüren, obwohl die Luft permanent in Bewegung ist. Das muss sie auch, um keine Energie aus dem Haus zu lassen. Klingt paradox, aber so lässt sich am besten die Wärme in den Wohnungen halten. Denn bevor die alte Luft wieder rausgeht, wärmt sie noch mit ihren 20 Grad die frische Luft auf. Dazu liegen Ab- und Zuluftrohre so nahe bei einander, dass die Wärme vom Prinzip her so wie von einer Herdplatte an den Kochtopf weitergeben wird.

Der Wärmetauscher dafür befindet sich im Keller. 85 Prozent der Wärme aus den Wohnungen wird so zurückgewonnen, sagt Christoph Deimel:
"Und wenn sie einen Wirkungsgrad zwischen 80 und 90 Prozent haben und Null Grad Außenlufttemperatur - im Mittel haben wir 6 Grad -, dann geht die Luft mit 18 Grad Temperatur, ohne dass Sie Energie zuführen, wieder in die Wohnung rein, nur durch den Tauscher."

Für die fehlenden zwei Grad ist dann das kleine Blockheizkraftwerk im Raum nebenan zuständig, das auch für Warmwasser sorgt. Es wird mit Gas betrieben und stößt damit CO2 aus. Trotzdem ist es ein Nullemissionshaus, betonen die Architekten. Schließlich haben sie dafür den Klimaschutzpreis der deutschen Wirtschaft erhalten.

Außerdem stehen auf dem Dach Solarzellen, die die Emission wieder wettmachen, zumindest rechnerisch auf dem Papier. Die Photovoltaik-Anlage produziert in den Sommermonaten so viel Strom, dass dieser nicht nur für das gesamte Haus reicht, sondern auch als Überschuss ins örtliche Stromnetz eingespeist werden kann. Eine Gutschrift quasi.

Zusätzlich wird auch das Abwasser genutzt. Bevor es in der Kanalisation verschwindet, hat es zwischen 30 und 37 Grad Temperatur, die sich als Wärme zurückführen lässt. Außerdem spenden auch Lampen, Küchengeräte, Computer und die Menschen selber Wärme. All das wird miteinander gekoppelt - ein ausgeklügeltes Kreislaufsystem, das am besten funktioniert, wenn alle Fenster im Haus geschlossen bleiben. Eine Art Mikroklima. Öffnen kann natürlich jeder Bewohner die Fenster, wann und so lange er will. Im Sommer macht das auch keinen Unterschied, sagt die Architektin Iris Oelschläger, nur im Winter verschiebt sich die Energiebilanz:

"Es geht immer um diese Wintermonate, um die sehr kalten Monate. Das machen Sie in Ihrer normalen Wohnung auch nicht, dass Sie da die Fenster für lange Zeit offen stehen lassen."

Entscheidend ist natürlich die Dämmung. Sie sorgt dafür, dass die Wärme im Gebäude bleibt. Das brachte bei früheren Passivhäusern schon mal das Problem von zu viel Feuchtigkeit mit sich. Zu dicht funktioniert nämlich auch nicht. So besteht das siebengeschossige Wohnhaus in Berlin aus Stahlbeton und Holz. Die Fenster sind dreifach verglast. Jede Leitung wurde isoliert. Und in die Außenfassade, die komplett aus Holz besteht, wurden zusätzlich 35 Zentimeter Zellulose gefüllt.

Iris Oelschläger:"Die Fassade ist wirklich nur davor gehangen. Das ist eine Mischbauweise und das macht es auch für das Raumklima sehr angenehm."

Trotz ausgeklügelter Energietechnik und Dämmschutz war das Mehrfamilienhaus nicht teurer als herkömmliche Neubauten. Zum einem weil es günstige Kredite für nachhaltiges und energiewirtschaftliches Bauen gab. Und weil je nach Bundesland auch noch zusätzliche Förderungen möglich sind - ein wichtiger Faktor. Denn die hohen Investitionskosten haben das Interesse für nachhaltiges Bauen bisher nur langsam ansteigen lassen.
Mehr zum Thema