"Angola 3" Black Panthers

"Ich wollte nicht, dass diese Zelle mein Leben bestimmt"

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Albert Woodfox © Arndt Pelter
Von Arndt Plettner |
Nach fast 44 Jahren kam Albert Woodfox Anfang 2016 frei. Er war einer der "Angola 3" Black Panthers, die eine Haftstrafe absitzen mussten, obwohl sie den Mord nicht begangen hatten. Arndt Plettner sprach mit dem 70-Jährigen über sein Leben.
Albert Woodfox war fast 44 Jahre hinter Gittern, zumeist in Einzelhaft. Woodfox war einer der "Angola 3" Black Panthers, die für einen Mord hinter Gittern saßen, den sie nicht begangen hatten. Amnesty international kämpfte jahrelang mit einer Briefkampagne für die Freilassung der Männer. Albert Woodfox wurde schließlich als letzter der drei Anfang 2016 aus der Haft entlassen. Arndt Peltner hat den heute 70jährigen in seinem Haus in New Orleans besucht:
"Jemand fragte mich mal, wenn ich etwas in meinem Leben ändern könnte, was das wäre. Ich habe kurz darüber nachgedacht und gesagt "Nichts". Und er, wirklich, du würdest alles nochmal durchmachen? Und ich, yeah, denn all das, was ich durchlebt habe, hat mich zu dem Mann, zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin."
Albert Woodfox sitzt auf der überdachten Veranda seines Hauses in einem Randbezirk von New Orleans. Die Luft ist noch angenehm kühl. Die Wände drinnen, in seinem spartanisch eingerichtetem Haus, sind kahl, bis auf eine Uhr und eine Fahne mit dem Symbol der Black Panther Bewegung, die ab Mitte der 60er Jahre - auch bewaffnet - gegen die Unterdrückung der schwarzen Minderheit in den USA kämpfte. Neben der Fahne hängt ein Bild von ihm und seinen Freunden und Mitgefangenen Robert King und Herman Wallace. Die drei wurden als die "Angola 3" bekannt.
"Es war schwer, mir wurden zweidrittel meines Lebens genommen. Aber weißt du, Robert meinte mal, wenn du mir Zitronen gibst, mache ich daraus Limonade. Klar, sie haben mich in einer Zelle eingesperrt, (…), es war als Todesurteil gedacht. Aber es wurde meine Universität, meine High School, mein Ort für Debatten. Es war ein Ort, an dem ich entscheiden musste, wie ich die Zelle für mich arbeiten lasse. Ich wollte nicht, dass diese Zelle mein Leben bestimmt."

Viele Jahre in Einzelhaft

Der 70-jährige Albert Woodfox wirkt fragil während er spricht, vielleicht liegt es an der Erkältung, mit der er sich seit Wochen rumquält. Doch zugleich sitzt da ein willensstarker, überzeugter und kämpferischer Mann vor mir. Der geduldig und bereitwillig Fragen beantwortet, die er schon oft gehört hat. Eigentlich, sagt er, sei er mehr der introvertierte Typ.
"Aber aus der Notwendigkeit heraus wurde ich extrovertiert, denn man kann keine Führungsperson sein, man kann das nicht weitergeben, was man will, wenn man sich zurückzieht."
Und so sitzt er da und redet über seine fast 44 Jahre hinter Gittern im Louisiana State Penitentiary, den Großteil davon in "Solitary Confinement", in Einzelhaft.
"Man ist da 24 Stunden in der Zelle, wenn man im Kerker ist. Man kriegt keine Stunde Hofgang, manchmal gibt es 15 Minuten für eine Dusche. Aber man ist nur in der Zelle. Und da es Einzelhaft ist, ist man alleine in dieser Zelle."
Albert Woodfox und seine Mitstreiter, Robert King und Herman Wallace wurden unabhängig voneinander Anfang der 70er-Jahre für bewaffnete Raubüberfälle verurteilt, im Gefängnis wurde ihnen noch der Mord an einem Strafvollzugsbeamten angehängt, den sie nicht begangen hatten. Hinter Gittern fanden sie Wege den brutalen Alltag in "Angola" zu überleben. Tauschten Botschaften an Schnüren aus, über Dritte und wenn es ging auch direkt auf dem Hof. Die drei gründeten die einzige "Black Panther" Unterorganisation hinter Gittern.
Dennoch: wie übersteht man so lange ein Leben in Einzelhaft?
"Ich glaube, vieles, was mir in diesen Jahren geholfen hat, habe ich von meiner Mutter. Sie hat mein Fundament gelegt. Stärke und Durchhaltevermögen, Loyalität und Hingabe, die Bereitschaft sich zu opfern."

Späte Freiheit

Seine Mutter, so Woodfox, sei Analphabetin gewesen, mehr als ihren Namen konnte sie nicht lesen oder schreiben. Wie viele Afro-Amerikaner in den 50er-Jahren. Das System kümmerte sich nicht um die Bildung von Schwarzen.
"Aber sie gab nie auf. Daran musste ich immer denken, wenn ich frustriert und voller Zorn war. Sie sorgte für uns, gab uns ein Dach über den Kopf, Essen, Kleidung, brachte uns zum Arzt, wenn wir krank waren. Sie schlug sich durch das System, ein rassistisches System. Ich dachte immer an sie, wenn ich an meine Grenzen stieß. Niemals aufgeben. (…) Wenn du nicht kämpfst, hast du verloren."
Nach 44 Jahren kam die Freiheit. Robert King wurde 2001 zuerst entlassen und kämpfte für die Freilassung von Albert Woodfox und Herman Wallace. Wallace wurde schwer krank aus der Haft entlassen und starb nur drei Tage später am 4. Oktober 2013, doch als "freier Mann", wie Albert Woodfox betont. Für ihn öffnete sich am 19. Februar 2016 das Gefängnistor.
"Ich bin ein älterer Mann und sehe meine größte Aufgabe jetzt darin, den Kampf um soziale Gerechtigkeit weiterzuführen. Wenn es an der Zeit ist, zu den Ahnen zu gehen, dann ist es so weit. Ich will nur so stark sein, die Fackel an die nächste Generation weiterzugeben und zu sagen, ok, ich habe meinen Teil geleistet, Zeit zu gehen."
Albert Woodfox kämpft weiter. Der "Black Panther" gibt nicht auf. Auf Veranstaltungen in den USA und in Europa spricht er gemeinsam mit Robert King über seine Erfahrungen. Und er arbeitet an einem Buch, Hollywood hat bereits Interesse an der Verfilmung der Geschichte der Angola 3 gezeigt. Mit seiner "gesunden Wut im Bauch gegen das System", wie er es beschreibt, macht er unermüdlich weiter.
"Ich habe vier wunderschöne Großenkel und ich kämpfe für den Tag, an dem sie irgendwohin gehen und das erste was die Leute sehen ist nicht ihre Hautfarbe."
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