"Angst ist das zentrale Element" in Simbabwe
Der Leiter des Auslandsbüros Simbabwe der Adenauer-Stiftung, Jürgen Langen, hat deutliche Hinweise auf versuchten Wahlbetrug stattfindenden Wahlen in dem afrikanischen Land. Dennoch sei eine Niederlage von Robert Mugabe nicht ausgeschlossen.
André Hatting: Nach Mali am Sonntag finden heute zum zweiten Mal Wahlen in einem afrikanischen Land statt, in Simbabwe. Und genau wie in Mali könnte es auch den 13 Millionen Menschen in dem für afrikanische Verhältnisse kleinen Land eigentlich ganz gut gehen. Es gibt Gold, Platin, Kupfer, und der Boden ist fruchtbar. Simbabwe war früher mal die Kornkammer Afrikas.
Früher, das war vor der Landreform durch Präsident Robert Mugabe in den 90er-Jahren, und damit sind wir in der Gegenwart. Der 89-Jährige regiert immer noch, er hat das Land aber in drei Jahrzehnten völlig heruntergewirtschaftet. Die Inflationsrate erreicht Rekorde von 100.000 Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei 95 Prozent und die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt gerade mal 44 Jahre.
Hoffnungen auf einen Neuanfang vor fünf Jahren zerschlugen sich, eigentlich hatte der ehemalige Gewerkschaftler Morgan Tsvangirai die Wahl damals gewonnen, aber die Mugabe-Anhänger prügelten die Opposition handzahm, anschließend teilten sich beide widerwillig die Macht.
Am Telefon begrüße ich jetzt Jürgen Langen, er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe. Guten Morgen, Herr Langen.
Jürgen Langen: Guten Morgen, ich grüße Sie, guten Tag.
Hatting: Hat Tsvangirai eigentlich diesmal eine echte Chance?
Langen: Er hat eine echte Chance, ohne Frage. Die Menschen haben zwar einige Vorbehalte gegen Morgan Tsvangirai nach einigen Skandalen um seine Person, um seine amourösen Affären und seine Hochzeit, nichtsdestoweniger haben sie immer noch Vertrauen in ihn, und er ist weiterhin der Hoffnungsträger für die Mehrheit der Bevölkerung.
Hatting: Was macht ihn nach wie vor trotz der Skandälchen, die Sie angesprochen haben, zum Hoffnungsträger?
Langen: Da gibt es eine ganze Reihe von Gründen für. Der wohl herausragendste Grund ist, dass er beziehungsweise er und seine Partei die einzigen sind, die ein wirklich stimmiges und aussagekräftiges Wahlprogramm vorgelegt haben, und er hat durch sein persönliches Leben, durch sein Beispiel und durch seine Bemühungen über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass er derjenige ist, der mit persönlichem Einsatz Freiheit für die Menschen und Fortschritte für das Land bringen möchte.
Hatting: Kann man denn in diesem Fall von einer freien und fairen Wahl und damit auch einer echten Chance sprechen? Es gibt ja im Vorfeld Menschenrechtsorganisationen, die schon wieder von Unregelmäßigkeiten berichten.
Langen: Es gibt wohl deutliche Zeichen, die wurden auch von Südafrika als Vermittlungsmacht der SADC-Länder (Southern African Development Community, Anm. d. Red.) bemerkt, Wahlbetrug in großem Maße, indem man einfach die sogenannte Voters Roll, also das Wählerverzeichnis, versucht hat, massiv zu fälschen. Ob dem nun endgültig so ist, werden dann die unabhängigen Beobachter insbesondere aus den SADC-Ländern im Nachhinein feststellen. Dem Urteil wird sich wohl auch die EU anschließen, das Ganze zur freien und fairen Wahl oder zur nicht freien und nicht fairen Wahl deklarieren.
Hatting: Glauben Sie denn, dass, wenn Tsvangirai diesmal wieder die Wahl gewinnt, das hat er ja schon vor fünf Jahren eigentlich, aber wir kennen die Geschichte, glauben Sie dann, dass er diesmal auch wirklich Präsident werden wird, oder wiederholt sich dann das, was wir 2008 schon erlebt haben?
Langen: Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Ereignisse von 2008 noch mal wiederholen. Dafür ist der Druck der SADC-Länder, also der umgebenden Länder wie Botswana, Mosambik, Namibia und vor allem Südafrika zu groß, das würden die Führer der SADC-Länder definitiv nicht zulassen.
Hatting: Wie groß ist eigentlich in der Bevölkerung das Interesse an der Wahl? Man liest immer etwas von einem Klima der Angst.
Langen: Also das Klima der Angst ist weiterhin vorhanden. Wenn man Menschen auf der Straße befragt, was sie mit Wahl in Simbabwe assoziieren, fällt das Wort Angst, Furcht, Einschüchterung immer wieder, das ist gar keine Frage. Angst ist das zentrale Element im Land.
Hatting: Und denken Sie, dass trotzdem die Menschen zur Wahl gehen werden?
Langen: Ich glaube, dass die Masse zur Wahl gegen wird, auch aus Gründen der Einschüchterung, insbesondere in den ländlichen Gebieten werden viele durch die Chiefs, also die traditionellen Führer, aufgefordert werden und faktisch auch gezwungen werden, zur Wahl zu gehen.
Hatting: Sie haben die Anrainerstaaten bereits angesprochen, Herr Langen. Wie wichtig ist eigentlich ein stabiles Simbabwe, auch für die gesamte Region Südostafrika?
Langen: Von einem funktionierenden Simbabwe und einer funktionierenden südafrikanischen Wirtschaft hängt viel ab, zukünftig noch mehr als heute, zukünftig deshalb, weil die Nahrung, der Nahrungsmittelimport von Südafrika schon über Jahre hinweg auf Simbabwe beruht hat, und wenn das komplett wegfallen würde, hätte Südafrika ein Nahrungsmittelproblem. Darüber hinaus ist natürlich auch eine große Problematik, dass internationale Investoren irgendwann in Südafrika, Namibia, Mosambik und anderen Ländern das Interesse verlieren würden, wenn Simbabwe sozusagen der Stachel im Fleisch wäre.
Früher, das war vor der Landreform durch Präsident Robert Mugabe in den 90er-Jahren, und damit sind wir in der Gegenwart. Der 89-Jährige regiert immer noch, er hat das Land aber in drei Jahrzehnten völlig heruntergewirtschaftet. Die Inflationsrate erreicht Rekorde von 100.000 Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei 95 Prozent und die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt gerade mal 44 Jahre.
Hoffnungen auf einen Neuanfang vor fünf Jahren zerschlugen sich, eigentlich hatte der ehemalige Gewerkschaftler Morgan Tsvangirai die Wahl damals gewonnen, aber die Mugabe-Anhänger prügelten die Opposition handzahm, anschließend teilten sich beide widerwillig die Macht.
Am Telefon begrüße ich jetzt Jürgen Langen, er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe. Guten Morgen, Herr Langen.
Jürgen Langen: Guten Morgen, ich grüße Sie, guten Tag.
Hatting: Hat Tsvangirai eigentlich diesmal eine echte Chance?
Langen: Er hat eine echte Chance, ohne Frage. Die Menschen haben zwar einige Vorbehalte gegen Morgan Tsvangirai nach einigen Skandalen um seine Person, um seine amourösen Affären und seine Hochzeit, nichtsdestoweniger haben sie immer noch Vertrauen in ihn, und er ist weiterhin der Hoffnungsträger für die Mehrheit der Bevölkerung.
Hatting: Was macht ihn nach wie vor trotz der Skandälchen, die Sie angesprochen haben, zum Hoffnungsträger?
Langen: Da gibt es eine ganze Reihe von Gründen für. Der wohl herausragendste Grund ist, dass er beziehungsweise er und seine Partei die einzigen sind, die ein wirklich stimmiges und aussagekräftiges Wahlprogramm vorgelegt haben, und er hat durch sein persönliches Leben, durch sein Beispiel und durch seine Bemühungen über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass er derjenige ist, der mit persönlichem Einsatz Freiheit für die Menschen und Fortschritte für das Land bringen möchte.
Hatting: Kann man denn in diesem Fall von einer freien und fairen Wahl und damit auch einer echten Chance sprechen? Es gibt ja im Vorfeld Menschenrechtsorganisationen, die schon wieder von Unregelmäßigkeiten berichten.
Langen: Es gibt wohl deutliche Zeichen, die wurden auch von Südafrika als Vermittlungsmacht der SADC-Länder (Southern African Development Community, Anm. d. Red.) bemerkt, Wahlbetrug in großem Maße, indem man einfach die sogenannte Voters Roll, also das Wählerverzeichnis, versucht hat, massiv zu fälschen. Ob dem nun endgültig so ist, werden dann die unabhängigen Beobachter insbesondere aus den SADC-Ländern im Nachhinein feststellen. Dem Urteil wird sich wohl auch die EU anschließen, das Ganze zur freien und fairen Wahl oder zur nicht freien und nicht fairen Wahl deklarieren.
Hatting: Glauben Sie denn, dass, wenn Tsvangirai diesmal wieder die Wahl gewinnt, das hat er ja schon vor fünf Jahren eigentlich, aber wir kennen die Geschichte, glauben Sie dann, dass er diesmal auch wirklich Präsident werden wird, oder wiederholt sich dann das, was wir 2008 schon erlebt haben?
Langen: Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Ereignisse von 2008 noch mal wiederholen. Dafür ist der Druck der SADC-Länder, also der umgebenden Länder wie Botswana, Mosambik, Namibia und vor allem Südafrika zu groß, das würden die Führer der SADC-Länder definitiv nicht zulassen.
Hatting: Wie groß ist eigentlich in der Bevölkerung das Interesse an der Wahl? Man liest immer etwas von einem Klima der Angst.
Langen: Also das Klima der Angst ist weiterhin vorhanden. Wenn man Menschen auf der Straße befragt, was sie mit Wahl in Simbabwe assoziieren, fällt das Wort Angst, Furcht, Einschüchterung immer wieder, das ist gar keine Frage. Angst ist das zentrale Element im Land.
Hatting: Und denken Sie, dass trotzdem die Menschen zur Wahl gehen werden?
Langen: Ich glaube, dass die Masse zur Wahl gegen wird, auch aus Gründen der Einschüchterung, insbesondere in den ländlichen Gebieten werden viele durch die Chiefs, also die traditionellen Führer, aufgefordert werden und faktisch auch gezwungen werden, zur Wahl zu gehen.
Hatting: Sie haben die Anrainerstaaten bereits angesprochen, Herr Langen. Wie wichtig ist eigentlich ein stabiles Simbabwe, auch für die gesamte Region Südostafrika?
Langen: Von einem funktionierenden Simbabwe und einer funktionierenden südafrikanischen Wirtschaft hängt viel ab, zukünftig noch mehr als heute, zukünftig deshalb, weil die Nahrung, der Nahrungsmittelimport von Südafrika schon über Jahre hinweg auf Simbabwe beruht hat, und wenn das komplett wegfallen würde, hätte Südafrika ein Nahrungsmittelproblem. Darüber hinaus ist natürlich auch eine große Problematik, dass internationale Investoren irgendwann in Südafrika, Namibia, Mosambik und anderen Ländern das Interesse verlieren würden, wenn Simbabwe sozusagen der Stachel im Fleisch wäre.
"Auseinandersetzungen auf allerunterstem Niveau"
Hatting: Trotzdem hat der UN-Sicherheitsrat ja bislang mit Interventionen gezögert – das hat auch mit Südafrika zu tun, das Land haben Sie gerade angesprochen, denn bislang hat es die schützende Hand über Simbabwe gehalten. Gibt es da möglicherweise Bewegung?
Langen: Da gibt es eine Menge Bewegung. Thabo Mbeki, der ehemalige Präsident Südafrikas, hatte ein sehr intensives Verhältnis und ein eher positives Verhältnis zu Robert Mugabe, das ist mit dem jetzigen Präsidenten Jacob Zuma nicht mehr der Fall. Die Differenzen konnte man in den letzten Wochen sehr intensiv beobachten, das waren Auseinandersetzungen auf allerunterstem Niveau. Da gab es den Rausschmiss der Verhandlungsführerin der SADC-Länder aus Simbabwe, die Dame wurde dann im Nachhinein von Robert Mugabe als Straßenflittchen bezeichnet. Und dementsprechend war dann auch die Reaktion von Jacob Zuma – das Niveau ist a) schlimm, und b) droht es die SADC-Länder zu spalten. Also von einem harmonischen Verhältnis und einer unumwundenen Unterstützung Südafrikas und Simbabwes kann nicht mehr die Rede sein.
Hatting: Jetzt haben wir über das Klima der Angst in Simbabwe gesprochen vor der Wahl, von möglichen Unregelmäßigkeiten, aber auch von den Hoffnungen der Menschen. Wenn Sie mit ihnen sprechen, dort vor Ort, was wünschen sich die Menschen in Simbabwe am meisten?
Langen: Die Menschen wünschen sich vor allem Frieden, Ruhe und eine Zukunftsperspektive, vor allem eine Zukunftsperspektive für die Jugend. 95 Prozent beziehungsweise 90 Prozent Arbeitslosigkeit bei der jetzigen Bevölkerung ist das eine, aber eine Jugend ohne jegliche Perspektive für die nächste Generation wäre das Desaster, das die Menschen definitiv nicht mehr haben wollen. Und sie haben sehr wohl mitbekommen, was im Norden Afrikas passiert ist, wo faktisch ganze Regime, ganze Länder, ganze Staaten über Jugendarbeitslosigkeit und fehlende Arbeitsperspektiven gescheitert sind.
Hatting: Heute können die Menschen in Simbabwe ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten wählen. Über die Ausgangslage in dem armen Land habe ich mit Jürgen Langen gesprochen, er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare. Vielen Dank, Herr Langen.
Langen: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Langen: Da gibt es eine Menge Bewegung. Thabo Mbeki, der ehemalige Präsident Südafrikas, hatte ein sehr intensives Verhältnis und ein eher positives Verhältnis zu Robert Mugabe, das ist mit dem jetzigen Präsidenten Jacob Zuma nicht mehr der Fall. Die Differenzen konnte man in den letzten Wochen sehr intensiv beobachten, das waren Auseinandersetzungen auf allerunterstem Niveau. Da gab es den Rausschmiss der Verhandlungsführerin der SADC-Länder aus Simbabwe, die Dame wurde dann im Nachhinein von Robert Mugabe als Straßenflittchen bezeichnet. Und dementsprechend war dann auch die Reaktion von Jacob Zuma – das Niveau ist a) schlimm, und b) droht es die SADC-Länder zu spalten. Also von einem harmonischen Verhältnis und einer unumwundenen Unterstützung Südafrikas und Simbabwes kann nicht mehr die Rede sein.
Hatting: Jetzt haben wir über das Klima der Angst in Simbabwe gesprochen vor der Wahl, von möglichen Unregelmäßigkeiten, aber auch von den Hoffnungen der Menschen. Wenn Sie mit ihnen sprechen, dort vor Ort, was wünschen sich die Menschen in Simbabwe am meisten?
Langen: Die Menschen wünschen sich vor allem Frieden, Ruhe und eine Zukunftsperspektive, vor allem eine Zukunftsperspektive für die Jugend. 95 Prozent beziehungsweise 90 Prozent Arbeitslosigkeit bei der jetzigen Bevölkerung ist das eine, aber eine Jugend ohne jegliche Perspektive für die nächste Generation wäre das Desaster, das die Menschen definitiv nicht mehr haben wollen. Und sie haben sehr wohl mitbekommen, was im Norden Afrikas passiert ist, wo faktisch ganze Regime, ganze Länder, ganze Staaten über Jugendarbeitslosigkeit und fehlende Arbeitsperspektiven gescheitert sind.
Hatting: Heute können die Menschen in Simbabwe ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten wählen. Über die Ausgangslage in dem armen Land habe ich mit Jürgen Langen gesprochen, er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare. Vielen Dank, Herr Langen.
Langen: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.