Inflation - Warum steigen die Preise?
Für 2021 erwartet das ifo-Institut mit drei Prozent den höchsten Anstieg der Verbraucherpreise seit fast 30 Jahren. Ein Grund dafür: die Coronakrise im vergangenen Jahr. Was treibt die Inflation an und welche Maßnahmen werden ergriffen, um Preise stabil zu halten? Ein Überblick.
Das Schreckgespenst ist zurück
28:22 Minuten
Die Inflation ist wieder da oder doch nicht? Mehr als ein Jahrzehnt lang gab es kaum spürbare Steigerungen, nun aber gehen die Preise nach oben, zum Teil stark. Ökonomen sind sich uneins, ob dieser Effekt anhalten wird – oder nur vorübergehend ist.
"Es gab in Friedenszeiten noch keine so gewaltige Geldausweitung, wie wir sie jetzt während der Pandemie gesehen haben", sagt Thomas Mayer.
"Und dann begannen ja die Materialpreise zu steigen, die Chippreise, die Holzpreise. Und dann war es absehbar, dass die Inflation anziehen würde", erklärt Jörg Krämer.
"Die Lebensmittel sind definitiv teurer geworden. Also ich sage mal ein Einkauf, den ich vor einem Jahr getätigt habe, der liegt locker bei fünf bis acht Prozent höher, wenn nicht sogar zehn", erzählt Stephanie Karbach.
"Ich glaube, es ist eine Inflationsphobie, die in Deutschland da ist, die auch durch die Medien geschürt wird. Die Medien lieben es, diese Geisterbahnen aufzubauen. Die Leute gruseln sich gerne", sagt Peter Bofinger.
Inflation – das ist kurz gesagt die Preissteigerung von Waren und Dienstleistungen. Mit der Inflationsrate wird angegeben, wie stark die Preise gestiegen sind, im Vergleich zum Vorjahresmonat üblicherweise.
Teuerung deutlich über der Zielmarke
Im August lag die Inflationsrate in Deutschland bei 3,9 Prozent, und damit so hoch wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Die Zielmarke in der Eurozone liegt bei zwei Prozent. Es ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank, die Inflation stabil bei dieser Zielmarke zu halten. Sind die höheren Inflationsraten also ein Problem?
Es ist ein sonniger Tag Ende August. Frederik Schorn steht vor dem Fachwerkhaus seiner Familie in Metternich, einem dorfähnlichen Stadtteil von Weilerswist, südlich von Köln. "Das ist das Geburtshaus meines Großvaters und wir vermieten das schon seit vielen, vielen Jahren", erzählt er.
Das katastrophale Hochwasser Mitte Juli hat auch hier im Dorf gewütet. Der Pegel der nahe liegenden Swist, ein normalerweise beschauliches Flüsschen, stieg um fast zwei Meter an und überflutete mehrere Straßen.
Frederik Schorn geht ins Haus: Das Erdgeschoss ist mittlerweile entkernt, die tragenden Holzbalken des Fachwerks freigelegt. "Ist immer noch ein bisschen Schimmel da, aber nicht mehr so flächendeckend. Die Balken sind ganz gut getrocknet, und das Haus wird es auf jeden Fall schaffen."
Schorns Haus ist ein klassischer Fachwerkbau. Das heißt: Es besteht aus einer Art hölzernem Skelett. Etliche Stütz- und Querbalken aus massivem Holz bilden dessen Grundstruktur. "Alles Holz", erklärt er.
Teures Holz, lange Lieferzeiten
Diese jahrhundertealte, schöne Bauweise macht die Sanierung des Hauses nach dem Hochwasser nun allerdings besonders aufwendig.
"Der Stützbalken hier links, der muss ganz ausgetauscht werden." Frederik Schorn geht in ein weiteres Zimmer. Auch hier sind die Holzbalken zum Trocknen freigelegt. "Also ich habe die Holzpreise gestern gecheckt und das war schon ein bisschen heftig."
Finanziell wird die Sanierung wohl ein Kraftakt, auch wegen der hohen Holzpreise. Von Juni auf Juli dieses Jahres stiegen sie um mehr als fünf Prozent, im Vergleich zum vergangenen Jahr liegen die Preise sogar um 20 Prozent höher.
Außerdem hat Holz aktuell lange Lieferzeiten. "Das ist dann der nächste Punkt. Alle brauchen jetzt hier Holz und Baumaterialien und das erleichtert die Lage nicht." Schorn zuckt mit den Achseln und läuft hinaus. Eine vernünftige Kalkulation, sowohl zeitlich als auch finanziell, sei aktuell wirklich schwierig, sagt er.
Erzeugerpreise sind Vorboten
Neben der Inflationsrate gibt es noch andere Kennzahlen, die auf volkswirtschaftliche Verwerfungen hindeuten können. Da sind zum Beispiel die Erzeugerpreise, also die Preise von Rohstoffen und Industrieprodukten. Sie gelten als Vorboten einer Inflation.
In Deutschland sind die Erzeugerpreise zuletzt um gut zehn Prozent gestiegen. Solche Raten gab es zuletzt 1975, als die Preise im Zuge der ersten Ölkrise in die Höhe schnellten. Heute gehören Rohstoffe wie Holz und Metalle zu den Preistreibern, aber auch die Energiepreise sind deutlich gestiegen.
In Düsseldorf beschäftigt sich Hans Jörg Hennecke mit diesen Preissteigerungen. Hennecke ist Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Handwerkstages und der Handwerkskammer Düsseldorf. Er ist ständig in Kontakt mit den Betrieben, denen nicht nur die hohen Preise zu schaffen machen, sondern auch die Lieferengpässe, die es in vielen Bereichen gibt.
"Das Thema Materialmangel, das hat jetzt schon natürlich Fahrt aufgenommen seit einigen Monaten, vor allen Dingen seitdem der zweite und dritte Lockdown nachgelassen hat", sagt er.
Die Märkte sind leergekauft
Nachdem Produktionsbetriebe coronabedingt geschlossen waren oder nur auf Sparflamme liefen und die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen einbrach, wird jetzt wieder gebaut, gekauft, geplant und produziert – aber die Händler für Roh- und Zwischenprodukte kommen bei den sprunghaft angestiegenen Bestellungen kaum hinterher, die Märkte sind leergekauft.
"Wir hatten sicher zuerst das Problem beim Holz. Das klassische Bauholz, was man für Dachstühle braucht als Zimmerer, da gab es auf einmal Engpässe", erklärt Jörg Hennecke.
Nicht nur in Deutschland wird gebaut, auch in anderen Ländern zog die Nachfrage im Frühjahr an – vor allem in den USA und Asien. Deutsches Holz ist deshalb zu hohen Preisen exportiert worden, anstatt im eigenen Land verbaut zu werden.
Das hat Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft: "Die Probleme und die Kosten, die jetzt kommen, die entstehen auch dadurch, dass etwa auf einer großen Baustelle der gesamte Planungsrhythmus in Schieflage gerät. Also wenn an einer Stelle ein Gewerk nicht arbeiten kann, dann führt das eben dazu, dass das Gesamtprojekt sich verzögert, dass für den Bauherrn Kosten entstehen."
Preissprünge bei Metall
In Xanten am Niederrhein steht Stahlbauer Rainer Theunissen in der großen Produktionshalle seines Familienbetriebs. "Wenn Sie jetzt zum Beispiel sehen, das sind Wartehäuschen."
Der 55-Jährige zeigt auf ein etwa fünf Meter langes, dunkles Stahlgerüst. "Da haben wir im Auftrag, vier, fünf Dinger davon zu bauen. Und so ein Wartehäuschen, so eins wie sie hier sehen, hat ungefähr eine Arbeitszeit von ein- bis eineinhalb Monaten."
Das heißt, erst in vier, fünf Monaten wird er das letzte Haus aus der Bestellung bauen. Dieses könnte dann allerdings für den Auftraggeber sehr viel teurer werden, als das Erste, erzählt Rainer Theunissen im Büro nebenan.
"Vor zwei, drei Monaten war das so, da habe ich Material angefragt." Material für die Wartehäuschen, Stahlpreise pro Kilo. "Die kosteten zwölf Euro und drei, vier Tage später kosteten die 19 Euro. Und das ist natürlich dann happig."
Unter solchen Preissprüngen leidet die Branche seit Monaten, sagt Theunissen, der auch Obermeister der Metallinnung im Kreis Wesel ist. Ähnlich wie Holz ist auch Metall knapp derzeit. "Bei normalem Stahl spreche ich von Baustahl. Wenn wir früher für einen Euro Material eingekauft haben, bezahlen wir jetzt bei normalem Stahl 2,10 Euro."
Das bedeutet: Die Produktionskosten für die Wartehäuschen steigen, und damit auch die Preise, die Theunissen von seinen Kunden verlangen muss.
"Im Augenblick ist das so", erzählt er. "Wenn ich ein Angebot mache, da steht dann auch drin – Wegen der aktuellen Materialpreissteigerungen bitten wir sie höflichst, bei einem Auftragseingang noch mal den Preis nachzufragen – weil man kann keinen Preis abgeben."
So finden die höheren Kosten für Rohstoffe und Vorprodukte immer mehr ihren Weg zu den Verbrauchern. Bei Theunissen sind auch Balkongeländer, Regenrinnen oder Gartengeräte teurer geworden.
Besonders hohes Plus bei Heizöl und Kraftstoffen
Mittlerweile müssen die Menschen in Deutschland bei vielen Produkten tiefer in die Tasche greifen, als noch vor einem Jahr. Nahrungsmittel verteuerten sich im August 2021 um 4,6 Prozent, Möbel und Leuchten um vier Prozent, Fahrzeuge um 5,5 Prozent.
Merklich teurer wurden Heizöl mit einem Plus von über 57 Prozent und Kraftstoffe mit einem Plus von knapp 27 Prozent. Wo kommen diese Preissprünge her?
"Ich könnte noch einen Versuch noch machen, warten Sie", sagt Peter Bofinger. Der Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg ist für ein Interview per Leitung verbunden. "Sind Sie noch da?"
Die Technik will nicht so recht, aber eigentlich passt das ganz gut zum Thema, schmunzelt der Ökonom. Auch die Inflationsraten seien nicht ganz so belastbar, wie man meinen möchte.
"Ja, die Zahlen sind natürlich auf den ersten Blick beunruhigend. Aber man muss einfach sehen, dass wir jetzt seit dem Ausbruch der Pandemie auch wirtschaftlich eine extrem ungewöhnliche Situation gehabt haben, die auch die ganze statistische Datenbasis völlig durcheinander geworfen hat", erklärt er.
Die Pandemie verzerrt den Vergleich
Inflationsraten werden üblicherweise im Vergleich zum Vorjahresmonat angegeben. Allerdings sei die Situation im aktuellen Vergleichszeitraum, dem Sommer 2020, außergewöhnlich gewesen.
"Wir haben im vergangenen Jahr um die Sommerzeit einen extremen Rückgang der Inflationsrate gehabt. Das heißt, ein tiefes Tal bei den Inflationsraten und wir blicken sozusagen jetzt in dieses tiefe Tal im vergangenen Jahr zurück. Und aus dieser Perspektive erscheint jetzt Inflation relativ hoch."
Damals, im August 2020, lag die Inflationsrate bei null, im Juli 2020 sogar bei minus 0,1 Prozent.
"Wenn man einfach mal diese enormen Verwerfungen ausschalten möchte, die sich durch die Pandemie ergeben haben und man nimmt einfach nicht die Zwölf-Monats-Perspektive, sondern die 24-Monats-Perspektive, das heißt, wenn man jetzt den August 2021 mit dem August 2019 vergleicht, dann kommt man auf die Inflationsrate von knapp zwei Prozent", erklärt Peter Bofinger.
"Das heißt also, bei dieser Perspektive auf zwei Jahre, wo einfach diese enormen Verwerfungen ausgeblendet werden, sieht man: Die Inflation ist völlig normal."
EZB-Chefin Lagarde beruhigt
Zwei Prozent – diese Inflationsrate wird von Ökonomen weltweit als gesund angesehen. Die EZB hat sie als Ziel ausgegeben, ebenso die amerikanische Federal Reserve oder die Bank of England.
EZB-Chefin Christine Lagarde sagte Mitte September: "Der aktuelle Inflationsanstieg wird voraussichtlich größtenteils vorübergehend sein und der Preisdruck wird sich nur allmählich aufbauen. Wir sind bereit, alle unsere geldpolitischen Instrumente einzusetzen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei unserem Zwei-Prozent-Ziel stabilisiert."
Auch Ökonom Peter Bofinger sieht die aktuell höheren Inflationsraten als vorübergehend an. Seiner Ansicht nach gibt es neben der extrem niedrigen Inflation im vergangenen Jahr noch weitere Sonderfaktoren, die den Inflationsanstieg erklären.
"Die Verwerfung war ja, dass der Energiepreis enorm in den Keller gegangen ist, dass wir im Sommer 2020 die Mehrwertsteuer gesenkt haben, dass die wieder erhöht wurde." Auch die Lieferengpässe und die damit verbundene Erhöhung der Erzeugerpreise werden wieder zurückgehen, prognostiziert der Wirtschaftsprofessor.
"Das sind temporäre Schocks"
"Ich sehe nicht, dass wir jetzt dauerhafte Knappheiten haben, die dann dauerhaft zu höheren Preisen vor allem auch zu einer höheren Inflationsrate führen. Das sind temporäre Schocks, die eben alle mit der Pandemie zusammenhängen. Und auch da bin ich sicher, dass wir das herauswachsen werden", sagt er voraus.
Bei der Commerzbank in Frankfurt am Main befasst sich eine ganze Abteilung mit den volkswirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und der Eurozone: Inflation, Geldmengen, Leitzinsen – wie entwickeln sie sich und wo gehen sie hin?
Jörg Krämer ist der Kopf der Abteilung Research und Chefvolkswirt der Commerzbank. Er hat die Inflation bereits seit Monaten erwartet – und hält sie nicht für ein vorübergehendes Phänomen.
"Also meine Inflationsbefürchtungen kamen auf, nachdem Corona ausgebrochen war und die Zentralbanken dann begannen, noch mehr Geld in die Volkswirtschaften zu pumpen", sagt er.
"Dieses Geld ist, anders als bei vorherigen Aktionen der Zentralbanken, auch nicht mehr eingeschlossen gewesen im Bankensektor, sondern dieses Geld fand seinen Weg auf die Konten der Menschen und auf die Konten der Unternehmen. Das heißt, die Geldmenge in den Händen der Bevölkerung, diese Geldmenge fing kurz nach Ausbruch von Corona an, kräftig zu steigen."
Die Menge unseres Geldes, des Euro, verteilt sich unter anderem auf Bargeld und das Buchgeld. Letzteres ist das Geld zum Beispiel auf Girokonten. Ökonomen und Zentralbanken beobachten außerdem noch die Menge an Geldmarktpapieren sowie Pensionsgeschäften und Schuldverschreibungen. Auch sie sind im weiteren Sinne Geld.
Stark gestiegene Geldmenge
Zu stark steigende Geldmengen führen allerdings zu Inflation – das ist die Kernaussage des Monetarismus, einer volkswirtschaftlichen Theorie, die in den 1960er- und 70er-Jahren vom US-Ökonom Milton Friedman begründet wurde.
Wächst die Geldmenge schneller als die Produktivität in der Realwirtschaft, entsteht auf lange Frist Inflation – so die Theorie.
Nun hat sich die gesamte Geldmenge zuletzt stark erhöht, viel stärker als in den Jahren nach der Finanzkrise 2007, 2008. Wie damals hat die Europäische Zentralbank im Zuge der Krise in großem Stil Anleihen von Staaten und Unternehmen gekauft. Das heißt, sie stellt diesen Ländern und Unternehmen Geld zur Verfügung. Dieses Geld rettete Staaten und Banken in der Finanzkrise vor dem Kollaps und stützte die Konjunktur. Die Inflation aber blieb niedrig.
Das ist jetzt anders: "Wir können ja beobachten, dass die Preise der Industrieunternehmen mittlerweile steigen, um ungefähr zehn Prozent. Und das sind Preiserhöhungen, wie wir sie zuletzt gesehen haben in den 70er-Jahren", sagt Jörg Krämer.
Auch er sieht die Sonderfaktoren, die derzeit zu hohen Inflationsraten führen, die Mehrwertsteuersenkung oder die enorm niedrigen Energiepreise im vergangenen Jahr zum Beispiel.
"Das ist nicht nur ein Sonderfaktor"
"Aber ich will nicht alles runterreden mit Sonderfaktoren, es gibt auch Dinge im Hintergrund, nämlich diese sehr stark steigenden Geldmengen, die eben besorgniserregend sind, die man sehen muss und die kann man eben nicht mehr so runterreden, das ist nicht nur ein Sonderfaktor."
Wächst die Geldmenge weiter, dann könnten stark steigende Preise zu einem dauerhaften Phänomen werden, befürchtet der Ökonom. "Ich erwarte, dass weiterhin zu viel Geld in Umlauf gelangt. Denn die Staaten werden weiterhin recht hohe Haushaltsdefizite fahren, und die Europäische Zentralbank wird einen guten Teil davon weiter durch den Kauf von Staatsanleihen finanzieren."
Durch die riesigen Anleihekaufprogramme der EZB ist die Zentralbank schon jetzt der größte Gläubiger der Eurostaaten.
"Wenn dann irgendwann die Wirtschaft wieder richtig läuft, wenn irgendwann wieder Arbeitskräfte knapp werden und die Arbeitskosten stärker steigen, dann besteht doch das ganz klare Risiko, dass dieses Zuviel an Geld sich zu entladen beginnt, auch in einer dauerhaft höheren Inflation", so Krämer.
Es ist ein Samstagnachmittag. Das Restaurant "Zimmer Nummer 1" in Düsseldorf-Pempelfort ist fast leer. Die Mittagsgäste sind schon weg, die Abend-Gäste noch nicht da. Raumhohe Giebelfenster geben den Blick frei auf einen begrünten Innenhof.
Personalnot und Einkaufspreise belasten Gastronomie
Stephanie Karbach hat das Restaurant vor zwölf Jahren eröffnet. Morgens Frühstück, mittags und abends internationale Küche, dazwischen Kaffee, Kuchen – bis Corona kam, lief es gut. "Jetzt, zwischenzeitlich, schließe ich auch das Geschäft mittags von drei bis halb sechs, weil ich einfach Personalmangel habe."
Fünf Festangestellte seien während der Corona-Zeit gegangen. Nur zwei der Stellen habe sie wieder besetzen können, es bewerbe sich einfach niemand. Zu viele Jobs in Supermärkten, Lagerhallen, Testzentren seien offenbar attraktiver. "Ich benutze alle Mittel und Wege, aber es ist wirklich schwierig."
Nach Angaben der Dehoga, des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, leidet die gesamte Branche unter akutem Fachkräftemangel. Mindestens 15 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten der Gastronomie während der Coronazeit den Rücken zugekehrt.
Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten NGG fordert als Konsequenz bereits höhere Löhne. "Ich würde es gerne machen. Nur befinde ich mich momentan nicht wirklich in einer finanziellen Lage, bei all dem, was passiert ist", sagt Stephanie Karbach. "Es ist nicht zu stemmen."
Denn zur Personalnot kommen ja auch noch die gestiegenen Lebensmittelpreise. "Also ich sage mal, ein Einkauf, den ich vor einem Jahr getätigt habe, der liegt locker bei fünf bis acht Prozent höher, wenn nicht sogar zehn." Molkereiprodukte, Gemüse, Obst. Alles sei teurer geworden.
"Das sind Zutaten, die brauchst du einfach. Es mag vielleicht marginal sein, aber im Großen und Ganzen jedes einzelne Produkt zur Herstellung deiner Speise ist wirklich immer teurer geworden." Die 52-Jährige schüttelt den Kopf. Sie weiß noch nicht, wie es weitergehen soll. "Es ist einfach so, dass wir die Preise erhöhen müssen, um das aufzufangen."
Droht eine Lohn-Preis-Spirale?
In der Ökonomie spricht man von einer Lohn-Preis-Spirale, wenn ein Anstieg der Kosten zu Lohnerhöhungen führt, die wiederum die Preise steigen lassen. Diese Kettenreaktion löst der Theorie zufolge dann unweigerlich eine noch höhere Inflation aus.
Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre führten gestiegene Preise zu höheren Löhnen, die wiederum die Preise antrieben. Die damalige Inflation wurde durch einen ungewöhnlich hohen Leitzins der Deutschen Bundesbank gestoppt, er stieg auf über sieben Prozent.
"Die Hauptvoraussetzung dafür, dass wir dauerhaft höhere Inflation bekommen, ist ja diese Lohn-Preis-Spirale." Ökonom Peter Bofinger sieht diese Kettenreaktion aktuell nicht kommen, auch nicht in Ansätzen. "Bei der Arbeitsmarktlage in den meisten Mitgliedsstaaten des Euroraums ist das überhaupt nicht zu erkennen."
Ausschließlich auf die Entwicklungen in Deutschland zu schauen, werde der Situation im Euro-Raum nicht gerecht.
"Wir haben offene Arbeitsmärkte in der ganzen Europäischen Union. Und wenn jetzt in Deutschland eine besondere Knappheit an Arbeitskräften da ist, dann wird sich das in dem Maße auch ausgleichen, dass Arbeitskräfte aus europäischen Ländern mit immer noch hohen Arbeitslosenraten nach Deutschland kommen werden."
Peter Bofinger bleibt dabei: Langfristig seien Inflationsraten von über zwei Prozent nicht zu erwarten. Ein generelles Problem sieht allerdings auch er: Die Deutschen seien sehr konservative Sparer, die ihr Geld schlecht investierten. Dadurch seien sie auch von geringeren Inflationsschüben stärker betroffen.
Die Vermögensbildung besser gestalten
"Wir werden sicher eine Diskussion brauchen, wie man Vermögensbildung besser gestalten kann in Deutschland, als das bisher der Fall ist." Der Staat habe lange falsche Anreize gesetzt, die Riester-Rente gefördert und die Eigenheimzulage abgeschafft.
"Wenn ich mir eine Immobilie gekauft habe, dann kann ich eigentlich relativ ruhig jetzt der Entwicklung ins Auge sehen. Wenn mein ganzes Geld jetzt in irgendwelchen Finanzanlagen, Anleiheprodukten liegt und nicht in Aktien, dann habe ich ein Problem."
Inflation führt zu Geldentwertung – das passiert schon bei niedrigen Inflationsraten, wie folgendes Rechenbeispiel zeigt:
Wer vor zehn Jahren 10.000 Euro unter dem Kopfkissen versteckt hat und das Geld jetzt ausgeben möchte, der kann sich dafür heute weniger kaufen – die Kaufkraft dieser einst 10.000 Euro ist innerhalb von zehn Jahren auf jetzt 8800 Euro gesunken. Der Rechnung liegt eine Durchschnittsinflation der vergangenen zehn Jahre von 1,3 Prozent zugrunde.
Steigt die Inflation nun dauerhaft auf zum Beispiel zwei Prozent, blieben von 10.000 Euro in zehn Jahren rein rechnerisch nur noch 8200 Euro übrig, bei einer Durchschnittsinflation von 3 Prozent wären es 7400 Euro.
Wenn gespartes Geld an Wert verliert
"Man sieht es jetzt schon, dass das Geld als Wertaufbewahrungsmittel nicht mehr taugt. Die Banken erheben Negativzinsen und wenn sie davon noch die Inflation abziehen, werden sie sehen, dass sie mit Geldersparnis keine Werte mehr aufbewahren können", sagt Volkswirt Thomas Mayer. Er ist Chef der Forschungsabteilung der Privatbank Flossbach von Storch in Köln.
Die bodentiefen Fenster seines Büros im 23. Stock des Kölner Triangle Towers bieten einen atemberaubenden Blick auf die Innenstadt und den Rhein. "Also wir sind momentan in einer Zeit des Umbruchs. Ich sehe das für nicht sehr wahrscheinlich, dass wir das Kreditgeld noch mal als stabiles Geld retten können", sagt er.
Der Euro ist ein Kreditgeld, er wird durch neu ausgegebene Kredite geschaffen. Er ist nicht durch Goldreserven gedeckt, wie es im sogenannten Bretton-Woods-System bis in die 70er-Jahre der Fall war. Das heißt, Geschäftsbanken können neue Kredite vergeben, ohne dass dafür ein Gegenwert an Gold vorhanden sein muss
Sie schaffen durch die Kreditvergabe neues Geld. Ein bestimmter Anteil davon muss zwar durch Zentralbankgeld, sogenannte Zentralbankreserven gedeckt sein, im Euroraum liegt dieser Anteil allerdings nur bei einem Prozent. Dadurch kann der Euro quasi unendlich vermehrt werden – mit laut Thomas Mayer weitreichenden Folgen.
"Gegenwärtig haben wir eine Geldmengenausweitung, wie wir es in Friedenszeiten noch nie hatten. Und deshalb würde eigentlich die Geschichte dahingehend deuten, dass die Geldausweitung mit einer Art Geldreform letztendlich enden wird."
Der lehrreiche Fall der italienischen Lira
So war es nach mehreren Kriegen, aber auch im Fall der italienischen Lira in den 70er- bis 90er-Jahren zum Beispiel.
"Die Lira wurde ja auch politisch missbraucht, nachdem das Bretton-Woods-System gescheitert war. Da verlor die italienische Lira den Anker. Die Banca d’Italia wurde immer mehr herangezogen zur Finanzierung des Staates. Sie musste dann überschüssige Staatsanleihen, die der Staat verkaufen wollte, aber nicht zu dem niedrigen Zins unter die Leute brachte, aufkaufen", erklärt Thomas Mayer.
Die Folge: Die Geldmenge wuchs, die Preise stiegen, der Wert der Lira verfiel. "Also von den frühen 70ern bis zum Eintritt in die Währungsunion verlor die Lira 82 Prozent gegenüber der D-Mark." Die Italiener verloren das Vertrauen in ihre Währung. Um zu sparen, kauften sie sich Häuser, statt Rentenfonds.
"Und die Lira verwitterte dann irgendwie, das war ja so ein bisschen Konfettigeld. Mit Milliarden und Tausenden von Milliarden und so weiter und so fort, und ich sehe: Die Entwicklung des Euro geht in diese Richtung. Ich rede ja auch von der Liraisierung des Euro", sagt Thomas Mayer..
Vor allem ein fataler Fehler würde aktuell wiederholt: "Die Verschmelzung von Geld- und Fiskalpolitik, das heißt, die Zentralbank druckt Geld für den Staat, der das dann unter die Leute bringt, nicht in der Lage ist, seine Defizite einzudämmen. Die Schulden wachsen ihm über den Kopf. Die Sparer sind nicht bereit, ihm das Geld zu günstigen Zinsen zu leihen. Er kann aber hohe Zinsen nicht mehr bezahlen, weil er sonst pleite ist. Also geht er zur Zentralbank, holt sich dort das Geld. Die Währung verfällt."
"Der Euro wird zur Lira"
Um diese Entwicklung noch aufzuhalten, bräuchte es in der Eurozone wieder ausgeglichene Staatshaushalte – und höhere Zinsen der EZB. Allerdings sieht Thomas Mayer beides aktuell nicht als realistisch an: "Wir können heute mit wesentlich höheren Zinsen gar nicht mehr umgehen. Jetzt würde der Finanzsektor umfallen, die Staaten würden umfallen."
Bleibt es also unweigerlich bei steigenden Inflationsraten? "Das wird nicht so drastisch werden. Ich sehe das jetzt nicht so wie in der Hyperinflation. Die war wirklich außergewöhnlich. Aber ich sehe dann halt so italienische Verhältnisse auf uns zukommen. Also der Euro wird zur Lira."
Ökonom Peter Bofinger schüttelt bei solchen Szenarien genervt den Kopf. "Ich glaube, die größte Gefahr ist, dass wir jetzt in so eine Inflationspanik laufen, wo dann tatsächlich jetzt die Stimmung so aufgebaut wird, dass die Gewerkschaften am Schluss unter dem Druck stehen, sehr hohe Lohnabschlüsse zu fordern und auch vielleicht durchzusetzen, weil das dann den Mitgliedern gegenüber nicht mehr vertretbar ist, angesichts dieser Inflationskulisse, die da aufgebaut wird."
Er plädiert deshalb dafür, Ruhe zu bewahren. Die Inflation sei derzeit kein Problem. "Wir in Deutschland haben auch eine Tendenz, eine gewisse Inflationsphobie zu entwickeln. Also wir gruseln uns in Deutschland auch ganz gern ein bisschen."
Sprecherinnen: Ilka Teichmüller, Cornelia Schönwald und Vivien Leue
Technik: Andreas Stoffels
Regie: Beatrix Ackers
Redaktion: Gerhard Schröder