Anja Tuckermann: "Der Mann, der eine Blume sein wollte"

Betörend, zauberhaft und wunderschön

Buchcover Anja Tuckermann: Der Mann, der eine Blume sein wollte
Anja Tuckermann erzählt, wie aus grauem Alltag unbeschwertes Glück werden kann. © Tulipan Verlag / Imago/Chromorange
Von Kim Kindermann |
Arbeiten, Fußball spielen, fernsehen - ist das etwa alles? Dass das Leben weit mehr zu bieten hat, zeigt Anja Tuckermann mit "Der Mann, der eine Blume sein wollte". Es ist das berauschendste Kinderbuch des Sommers.
Wie schreibt man einen Text zu einem betörend schönen Buch? Und zwar so, dass jeder dieses Buch lesen will? Denn "Der Mann, der eine Blume sein wollte" ist das berauschendste Kinderbuch dieses Sommers. Es ist eine wahre Freude, wie perfekt Text und Bilder zueinander passen, sich ergänzen und glücklich machen. Anja Tuckermann, Mehrdad Zaeri und Uli Krappen haben alles richtig gemacht. Wirklich alles!
Ihr Mann, der nicht länger nur ein Mann sein will, ist genial. Er beschließt, etwas muss sich ändern. Es muss Schluss sein mit der lähmenden Routine als Bahnhofswärter, der Züge durchwinkt und abends Fußball spielt oder fernsieht. Wie also wäre es, eine Blume zu sein? Eine Butterblume vielleicht, mit gelben Blättern, die ihm um seinen Kopf wachsen oder nein besser, um sein Gesicht. Er würde in den Himmel schauen, Hummeln und Schmetterlinge anlocken. Oder lieber eine Mohnblume mit seidenfeinen Blättern und den Duft der Wiese einatmen? Eine Frau könnte ihn dann pflücken und aus ihm und den anderen Blüten ein Haarband knoten, dann würde er mit ihr herumlaufen und Leute betören. Eine weiße Lindenblüte zu sein wäre auch nicht schlecht. Und weil eben Frauen Blumen im Haar tragen können und bunte Blumenröcke, will der Mann plötzlich eine Frau sein. Und so träumt sich der Mann durch die Zeit und wird so immer fröhlicher, gelöster, mutiger. Am Ende ist er dann ein Mann, der sich zu Fasching als Blumenwiese verkleidet und das Herz einer als Tulpe verkleideten Frau gewinnt.

Aus dem grauen Alltag wird ein farbenfrohes Leben

Es ist zauberhaft, wie Anja Tuckermann von den Sehnsüchten des Mannes erzählt. Kraftvoll zieht sie in ihre Geschichte hinein. Satz für Satz träumt man mit ihrem Mann, meint den Blütenduft zu riechen und die Blütenblätter zu spüren. Sie ist ganz nah an ihrer Figur dran. Unerreichbar, so ihre Botschaft, sind die Wünsche des Mannes nicht. Er wird es schaffen und über sich hinauswachsen.
Wunderschön sind auch die Bilder von Mehrdad Zaeri und Uli Krappen. Sie tauchen das anfangs triste Grau in einen wahren Blütenzauber. Verwandeln die freudlose Alltagswelt des Mannes in ein Fest der Farben. Dabei fangen sie zaghaft an, so wie die Träume des Mannes erst leise und dann immer lauter werden: zunächst sind es nur kleine grüne Halme, die hier und dort sprießen. Aus der Tasche des kleinen, dickbäuchigen Mannes mit seinem Schnauzbart und seiner runden Brille etwa. Gefolgt von ersten bunten Blättern, die Seite um Seite immer raumgreifender und farbenprächtiger werden.

Eine Geschichte vom unbeschwerten Glück

Gezeichnet ist all das in einer wilden Mischung aus Tusche und Acryl. Mit bunten Blüten, die mal rund, dann eckig ode zackig sind. Versetzt mit Collageelementen, einem Sofa etwa oder einem Ofen, die ganz so wirken, als wären sie Einrichtungskatalogen entnommen, hauchen sie den Bildern so reales Leben ein und holen den Mann ins hier und heute. Und auch er verändert sich. Ist der Mann anfangs selbst grau und steif gemalt, ein Ebenbild seines langweiligen Leben, tanzt und springt er zum Ende der Geschichte, schlägt Saltos, lacht und liebt sein Leben. Und so erzählt dieses Buch genau davon: vom unbeschwerten Glück, das das Leben bereithält, wenn man seine Träume lebt. Eine betörend schöne Aussicht!

Anja Tuckermann: "Der Mann, der eine Blume sein wollte"
Illustriert von Mehrdad Zaeri und Uli Krappen
Tulipan Verlag, München 2018
56 Seiten, 15 Euro

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