Ann Pettifor: "Green New Deal – Warum wir können, was wir tun müssen"
Hamburger Edition, Hamburg 2020
192 Seiten, 22 Euro
Das internationale Finanzsystem muss sich unterordnen
06:23 Minuten
Die Politik muss – und kann – sich die Macht über die Finanzindustrie zurückholen, meint die Finanzmarktexpertin Ann Pettifor. Nur so lasse sich die Ökonomie in nachhaltige und ökologische Bahnen lenken.
Zehn Prozent der weltweiten Bevölkerung sind für rund 50 Prozent aller Emissionen verantwortlich – so ungerecht geht es global zu. Für die Finanzexpertin Ann Pettifor hat die Zahl aber auch eine gute Seite, betont sie in ihrem neuem Buch "Green New Deal": "Wenn wir bei den Konsum- und Fluggewohnheiten von nur zehn Prozent aller Menschen ansetzen, können wir in sehr kurzer Zeit 50 Prozent der Emissionen reduzieren. Diese Einsicht hilft uns zu erfassen, was möglich ist und in welchem Tempo."
Schluss mit dem billigen Geld
Als Finanzexpertin möchte die Autorin Wege weisen, wie das internationale Finanzsystem so umgestaltet werden kann, dass der öffentlichen Hand Gelder für den ökologischen Umbau zufließen. Derzeit ist das Finanzsystem darauf ausgelegt, Billionen von Dollar an unregulierten Krediten zu verteilen. Finanziert wird damit die Produktion eines Übermaßes an Konsumgütern, auf Kosten des Planeten.
Ann Pettifor betont: Das Geld- und Finanzsystem, dem eine hauchdünne superreiche Schicht gigantische Reichtümer verdankt, sei eigentlich ein öffentlicher Vermögenswert, finanziert und abgesichert von Millionen normaler Steuerzahler weltweit.
Im Zuge des Neoliberalismus, dessen Protagonisten von Freiheit sprachen, aber Aneignung meinten, sei dieser öffentliche Vermögenswert gekapert worden. Pettifor will ihn nun wieder in öffentlichen Besitz bringen. Aber wie?
Die Kontrolle zurückgewinnen
Geeignete Hebel für eine Transformation sieht die Autorin überall da, wo eine demokratische Rechenschaftspflicht besteht – also innerhalb der politischen Grenzen von Nationalstaaten oder Staatenbündnissen. Nur mit Hilfe von Kapitalverkehrskontrollen könnten große Unternehmen aus dem unsichtbaren Netz der Steueroasen herausgeholt, wieder unter die Kontrolle demokratisch gewählter Regierungen gebracht und angemessen besteuert werden. Dieses Geld stehe anschließend dem ökologischen Umbau zur Verfügung.
Freiwillig werden Börsianer und große Unternehmen dazu nicht bereit sein, doch könnten sie gezwungen werden – durch die Zentralbanken der Länder. Sie können Unternehmen, die sich über Kapitalkontrollen oder Regulierungen hinwegsetzen, schlicht die Geschäftstätigkeit untersagen, argumentiert Pettifor.
Auch Staatsanleihen, begehrt als sichere Vermögenswerte, stellen für die Autorin einen mächtigen Hebel dar. Das Finanzministerium jedes Landes entscheidet darüber, wer beim Ankauf oder Verkauf von Staatsanleihen tätig werden darf. Die Politik kann Investoren zurückweisen, die nicht bereit sind, sich an Nachhaltigkeits- oder Transparenzvorgaben zu halten.
Der Kapitalismus lässt sich managen
Ann Pettifors Buch ist für ökonomische Laien gewiss nicht immer leicht zu lesen, doch ihr Buch leistet wichtige Aufklärungsarbeit. Der Kapitalismus, zeigt sich die Autorin zuversichtlich, lässt sich so managen, dass er weniger destruktiv wirkt.
Die Politik, insbesondere die Umweltbewegung, müsse begreifen, wie die Finanzmärkte funktionierten und sich auf schlagkräftige Forderungen einigen, um die Märkte an die Kandare zu nehmen. "Dabei dürfen wir eines nicht vergessen", sagt Ann Pettifor: "Ohne Kampf gibt es keinen Fortschritt."