Programmtipp: Vom 1. - 31.8.2016 hören Sie in unserem Programm die Reihe Lyriksommer
Lyrik für Kost und Logis
Die Rezitatorin Anna Magdalena Bössen ist gleich zwei Mal ein halbes Jahr lang mit ihrem Fahrrad quer durch Deutschland gefahren, um jeden Abend an einem anderen Ort Gedichte vorzutragen. Was sie dabei erlebt hat, erzählt sie uns im Gespräch.
Anna Magdalena Bössen, diplomierte Rezitatorin aus Hamburg, wollte es wissen: Kann ich mit meinem Beruf, dem Gedichte vortragen, ganz Deutschland bereisen und bekomme zumindest immer eine Mahlzeit und ein Bett für meine Arbeit? 2014 und 2015 fuhr sie zwei Halbjahre lang mit dem Fahrrad durchs Land und trug, jeden Abend an anderem Ort, Gedichte für Kost und Logis vor. Vom privaten Wohnzimmer bis zur Theaterbühne waren alle Auftrittsorte dabei, unter freiem Himmel oder in einer Kneipe.
Sie habe wissen wollen, ob "meine Landsleute nicht vielleicht sogar ein stückweit meine Familie sein können" und ob sie eine Gemeinschaft finden könne, "die größer ist als das was ich normalerweise kenne".
Tatsächlich hat Anna Magdalena Bössen mit ihrem Vortragsprogramm Land und Leute kennen gelernt wie keine andere. Was sie erlebte, floss immer gleich in ihre Bühnenshow ein. Dabei habe sie selbstverständlich von ihrem Publikum nie wissen wollen, wer welche Gedichte kenne oder wie etwas zu verstehen sei. Magdalena Bössen: "Um Gottes Willen. Ich möchte nicht belehren, ich möchte maximal dazu einladen, in den Zauber, den ein Gedicht hat, mit reinzugehen." Oft verhindere ein zu großer Respekt, dass man mit den Gedichten lebt und Spaß mit ihnen hat. Das dies aber möglich sei, habe sie in ihren Shows versucht zu zeigen.
Es seien immer die Gedichte selbst gewesen, die bei den Leuten am stärksten wirkten. Festgestellt habe sie aber auch, dass gerade Menschen ihrer eigenen Generation (Mitte 30) sehr beladen seien "mit der Organisation von Arbeit, Familie, Selbstoptimierung und tagespolitischen Ereignissen – da ist so wenig Raum für die großen Fragen". Dabei brauche sie, so Bössen, gerade diese Menschen, ihre Altersgenossen, ganz besonders: "Das müssen meine Mitstreiter sein! Wir müssen's doch rocken, eigentlich!" Am Ende entstand aus ihren Erfahrungen ein Buch, in dem sie beschreibt, wie sie durch ihr Projekt persönlich schwere Zeiten überstand, aber auch die Liebe fand und nach der Reise eine andere geworden war.