"Sie versucht ein Bild von sich zu zeichnen"
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Einfache Wahrheiten, viel Wohlgefühl: Angela Merkels Rede an der Harvard-Universität war auf ein liberales Publikum zugeschnitten, sagt die Journalistin Anna Sauerbrey. Merkel habe auch Punkte angesprochen, die sie in ihrer Politik vermissen ließ.
"Wenn wir Mauern einreißen, ist alles möglich": Kanzlerin Merkel nahm in ihrer Rede vor rund 20.000 Menschen an der Harvard-Universität Bezug auf ihre DDR-Biografie. Das habe sie bisher fast immer vermieden, kritisiert Anna Sauerbrey: "Man sieht an dieser Rede, dass es sehr einfach gewesen wäre, daraus eine starke Erzählung für ihre Kanzlerschaft abzuleiten", sagte die Tagesspiegel-Redakteurin im Deutschlandfunk Kultur. Denn um Politik zu vermitteln, brauche es manchmal starke Erzählungen.
Dass sich Merkel in Harvard dazu bekannte, bis 2050 in Deutschland und Europa CO2-neutral zu werden, fand Sauerbrey "mutig". Zu Hause allerdings versuche die Kanzlerin, das Thema auf das Klimakabinett auszulagern. Dort werde die politische Verantwortung "auf viele Köpfe verteilt". Überhaupt persönlich Verantwortung für ein Thema zu übernehmen, vermisst die Journalistin bei Merkel meist - ihre Migrationspolitik ausgenommen.
Merkel als Symbolfigur gegen Trump verehrt
Jetzt betreibe die Kanzlerin "Vermächtnispolitik", so Sauerbrey: "Sie versucht ein Bild von sich zu zeichnen, wo die meisten Beobachter in Deutschland sagen würden: Ganz hat sie dem nicht entsprochen." In den liberalen Kreisen der USA werde Merkel dagegen als Symbolfigur gegen Donald Trump "sehr verehrt". Sie spreche immer wieder einfache Wahrheiten aus und habe mit ihrer Rede "sehr viel Wohlgefühl" verbreitet:
"Wenn es verfassungsmäßig irgendwie möglich wäre, was es nicht ist, hätte sie eine gute Chance als demokratische Präsidentschaftskandidatin in den USA."
(bth)