Die Journalistin Anna Sauerbrey leitet das Ressort Meinung/Causa des Berliner "Tagesspiegels" und ist Mitglied der Chefredaktion. Die promovierte Historikerin kam 2009 als Volontärin zu der Zeitung. Sauerbrey schreibt außerdem für die "New York Times" eine monatliche Kolumne.
"Ich hoffe, er gewinnt"
"Bewusst verletzend" - so hatte sich die Bundeskanzlerin Anfang 2016 über das Erdogan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann geäußert. Der Satiriker sah darin eine staatliche Vorverurteilung und zog vor Gericht. Anna Sauerbrey findet das richtig.
Böhmermann gegen Merkel – der Satiriker will dem Kanzleramt per Gericht verbieten lassen, öffentlich zu erklären, dass sein sogenanntes "Schmähgedicht" von 2016 über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "bewusst verletzend" sei. Entsprechend hatte sich Bundeskanzlerin Merkel damals geäußert.
Am heutigen Dienstag wird Böhmermanns Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht verhandelt. Die Journalistin Anna Sauerbrey vom Berliner "Tagesspiegel" hofft, dass Böhmermann Recht bekommt:
"Ich fand das damals auch hochgradig ärgerlich, dass die Kanzlerin das so gesagt hat, und ich empfinde eine diebische Freude dabei, dass Jan Böhmermann das jetzt bis zum letzten mit der Bundesregierung ausficht. Und ich hoffe, ehrlich gesagt, er gewinnt das."
"Genial und doppelbödig"
Sauerbrey teilt Böhmermanns Auffassung, durch diese Äußerung der Kanzlerin habe eine Art staatliche Vorverurteilung stattgefunden - auch wenn Merkel nur wenig später ihr Bedauern über ihre Worte äußerte. Überhaupt haben, so die Journalistin, damals viele - vielleicht auch die Bundeskanzlerin - offenbar missverstanden, worum es Böhmermann bei seinem Gedicht gegangen sei.
Die Satire habe sich eigentlich gar nicht auf Erdogan bezogen: "Sondern es war eine Satire darüber, wie schlecht die deutsche Erdogan-Satire ist. Das bezog sich auf die anderen Satiriker, die Erdogan-Witze machen in Deutschland." Außerdem habe Böhmermanns Aktion darauf abgezielt, den rechtlichen Rahmen dessen auszureizen, was Satire darf.
"Und ich fand, es war genial und doppelbödig, und da diese sehr einfache Bewertung draufzusetzen, die dann möglicherweise noch nach dem mittlerweile glücklicherweise abgeschafften §103 des Strafgesetzbuches strafbewehrt gewesen wäre."
Dass dieser sogenannte "Majestätsbeleidigungs"-Paragraf, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten in Deutschland unter Strafe stellte, seit dem vergangenen Jahr abgeschafft ist, sieht Sauerbrey insofern auch als einen Sieg Böhmermanns an.*
(uko)
*Aktualisierung am 16.4., 14:20 Uhr: Der Satiriker Jan Böhmermann ist mit seiner Unterlassungsklage gegen das Bundeskanzleramt wegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an seinem sogenannten Schmähgedicht gescheitert. Das Berliner Verwaltungsgericht wies die Klage am Dienstag ab. (AFP)
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