Anna Vinnitskaya, Klavier
Florian Dörpholz, Trompete
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Michail Jurowski
Jugendlichkeit trifft auf Lebenserfahrung
er Dirigent Michail Jurowski ist berufen, die Werke von Schostakowitsch mit fesselnd authentischem Zugriff zu leiten. Von Anna Vinnitskaya stammt der Vorschlag, wenn schon Klavierkonzert, dann beide von Schostakowitsch - in einem Guss. Als Ouvertüre: Prokofjews leichtfüßige 1. Sinfonie.
Wie eine glückliche Fügung muss es scheinen, dass verschiedene der Pandemie geschuldete Programmanpassungen das RSB-Radiokonzert am 26. Februar in die Hände von Michail Jurowski gespielt haben. Der Dirigent ist wie kaum ein zweiter seiner Generation berufen, Werke von Schostakowitsch und Prokofjew mit fesselnd authentischem Zugriff zu leiten.
Davon konnten sich das Publikum des RSB sowie die Radiohörer regelmäßig überzeugen, als Michail Jurowski in den 1990er-Jahren und darüber hinaus beim RSB einen Schostakowitsch-Höhepunkt an den anderen reihte.
Verbeugung vor Haydn und Co
Zu Beginn ist der Sinfonie-Erstling von Sergej Prokofjew zu hören, der mit dem Titel "classique" ganz klar signalisiert, dass sich der junge Mann gegen Ende seiner Studienzeit vor der klassischen Komponisten-Generation, allen voran Joseph Haydn, verneigte. Zum anderen hoffte er keck, dass auch seine Sinfonie ein Klassiker würde. Recht sollte er behalten.
Programmidee der Pianistin
Ihm zur Seite steht heute Pianistin Anna Vinnitskaya. Einst mit allen drei Klavierkonzerten von Béla Bartók an einem Abend präsent, hat sie dieses Mal vorgeschlagen, beide Klavierkonzerte von Dmitrij Schostakowitsch hintereinander zu spielen.
Zwei Konzerte - zwei Gesichter
Zweimal hat sich Dmitrij Schostakowitsch dem Genre des Klavierkonzertes zugewandt, beide Male mit unmittelbar persönlichem Impetus. Zwischen dem ersten und dem zweiten Klavierkonzert liegen fast 25 Jahre.
Während das unbekümmerte Werk von 1933 mit solistischer Trompete und Streichorchester stürmisch kokettiert, gleichsam den jungen, frechen Schostakowitsch porträtiert, zeigt das Werk von 1957 eine völlig andere Situation.
Vier Jahre sind seit Stalins Tod vergangen; die großen, existenzbedrohenden Anfeindungen gegen den Komponisten in den Jahren 1936 und 1948 liegen zurück. Nun ist es die wohlmeinende Nötigung zum sozialistischen Realismus, für den Schostakowitsch nur bitteren Hohn aufbringen kann.
Frohsinn trifft auf hohle Banalität
Das zweite Klavierkonzert pfeift hörbar auf den verordneten Optimismus, entlarvt ihn als fratzenhaft verzerrten Frohsinn. Am Schluss hämmert das Klavier wie eine Nähmaschine mit dem Geklimper des Xylophons um die Wette. Banalität kann so grausam sein für sensible Geister.
Dazwischen aber blüht eine Oase wie aus einer anderen Welt, das Andante: sechs Minuten berückende Klangschönheit, unendlicher Trost, liebevolles Verzeihen in sanftem Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester. Dieser stille zweite Satz vermag die laute Welt von Grund auf zu beschämen.
Live aus dem Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks Berlin
Sergej Prokofjew
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 25 "Symphonie classique"
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 25 "Symphonie classique"
Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 c-Moll op. 35
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 F-Dur op. 102
Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 c-Moll op. 35
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 F-Dur op. 102