Papst auf diplomatischer Mission
Bevor Papst Franziskus in die USA reist, legt er einen Stopp in Kuba ein. Der Besuch der kürzlich noch verfeindeten Staaten hat eine diplomatische Botschaft. Seine Reden wird der Papst aber mit äußerster Vorsicht formulieren, meint der Politologe Bert Hoffmann.
Anne Françoise Weber: Papst Franziskus ist wieder auf Reisen. Dieses Mal besucht er zwei Länder, zwischen denen bis vor Kurzem noch kalter Krieg herrschte: Kuba und die USA. Die Verbindung, die er dabei zieht, hat er auch diplomatisch selbst eingefädelt: Es sollen Briefe des Papstes an die beiden Staatsoberhäupter Raúl Castro und Barack Obama gewesen sein, die eine Wiederannäherung eingeleitet haben. Ich habe vor der Sendung mit dem Kuba-Spezialisten Bert Hoffmann gesprochen. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität und Leiter des Berliner GIGA-Büros, also der Vertretung des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien in Berlin. Ich habe ihn zunächst gefragt, ob Franziskus wirklich so eine entscheidende Rolle bei der US-kubanischen Annäherung gespielt hat oder ob einfach die Zeit dafür reif war.
Bert Hoffmann: Der Papst Franziskus hat eine vermittelnde Rolle gespielt, die sicherlich wichtig war, aber natürlich ist die Hauptdynamik von den beiden Verhandlungsseiten aus – von den USA und von Kuba. In Kuba hat es den Übergang gegeben von Fidel Castro zu Raúl Castro, und Raúl Castro hat wirtschaftliche Reformen, auch in begrenztem Maße soziale Reformen im Land eingeleitet und auch ganz wichtig einen Schwenk in der Außenpolitik hin zu einer Normalisierung in vielen Bereichen, eine sehr moderate Außenpolitik im Grunde. All das hat den Weg geebnet von der kubanischen Seite aus.
Von der US-Seite aus ist es klar, dass Barack Obama eine Politik schon vor seiner Wahl angekündigt hat, dass er die sogenannten People-to-People Contacts, also Kontakte zwischen den beiden Staaten, in den Gesellschaften, stärker ermöglichen will, eine gewisse Aussöhnung herstellen will, gerade auch von den in den USA lebenden emigrierten Kubanern, vor allem in Miami und Florida, mit der kubanischen Inselbevölkerung – da gibt es sehr, sehr viele Kontakte. Und von daher gibt es dort eine Vorbereitung dieses Prozesses. Dass er dann trotzdem relativ überraschend kam, lag an den Verhandlungen, die natürlich geheim gehalten worden sind, aber eigentlich hat es einen ganz erheblichen Vorlauf gehabt, sodass vonseiten des Weißen Hauses und der kubanischen Regierung eigentlich die Voraussetzungen geschaffen worden sind, so eine Aussöhnung zu suchen.
Wir erleben den Prozess der Aussöhnung, die wird in den USA vom Weißen Haus direkt getragen und nicht vom US-Kongress. Dort ist nach wie vor die Embargo-Gesetzgebung zementiert in Gesetzesform, und die US-Kongress hat bis jetzt auch keine Mehrheit, das aufzuheben. Insofern gibt es zwar die Wiederaufnahme diplomatischen Beziehungen, aber weiterhin dieses Embargo, Blockade, Sanktionen in großen Teilen, die weiter fortbestehen.
Weber: Nun ist Franziskus nicht der erste Papst, der nach Kuba reist, seine beiden Vorgänger – Johannes Paul II. und Benedikte XVI. waren da –, es scheinen aber doch noch mal bessere Vorzeichen zu sein. Dieser Papst kommt aus Lateinamerika, dieser Papst hat eine Zuwendung zu den Armen, und Raúl Castro hat schon gesagt, er sei selbst ein Fan dieses Papstes. Kann man damit hoffen, dass der Papst stärker gehört wird, was Menschenrechtsverletzungen angeht, die er vielleicht doch anprangern wird?
Papst wird sehr vorsichtig vorgehen
Hoffmann: Der Papst wird sehr vorsichtig sein, die kubanischen innenpolitischen Verhältnisse anzusprechen, das ist Teil der Diplomatie. Er wird da ganz sicherlich nicht frontal gegen die Regierung Raúl Castro gehen, trotzdem wird er deutlich machen, dass die katholische Kirche andere Werte, eine andere Vorstellung hat und auch zu Freiheitsrechten, Menschenrechten, sozialen Rechten eine eigene Position vertritt.
Eine große Bedeutung des Besuches ist natürlich das, was Sie schon angesprochen haben: die Abfolge – erst nach Kuba und dann in die USA, die beiden Länder, die diesen Konflikt über so viele Jahrzehnte hatten. Der Papst wird in den USA auch vor dem US-Kongress reden, als erster Papst überhaupt. Auch da wird er seine Botschaft ganz stark machen, dass man aus dieser kalten Kriegssituation herauskommen müsste, und insofern ist das eine ganz, ganz wichtige Bedeutung. Der Besuch ist wirklich eine diplomatische Aktivität in beide Richtungen.
Weber: Eben, es ist diplomatisch, und im offiziellen Programm taucht auch gar keine Begegnung mit Vertretern der Zivilgesellschaft auf, dabei wird gesagt, möglicherweise trifft der Papst sogar Fidel Castro. Kann man da den Vorwurf machen, er würde sich letztendlich zu sehr auf diese Diplomaten- und Regierungsebene begeben und gar nicht eben auf die Kräfte schauen, die sehr auf ihn hoffen, nämlich die Zivilgesellschaft?
Hoffmann: Er wird natürlich eine ganze Menge an religiösen Programmpunkten haben innerhalb der katholischen Kirche, er wird eine Messe lesen – all das ist sozusagen aus der Sicht der katholischen Kirche natürlich direkter Zugang zu der kubanischen Gesellschaft. Dass der Vorwurf kommt, das wird sicherlich nicht ausbleiben, es ist ein kurzer Besuch, und er hat zwei Städte – Havanna und Santiago – da drin, das ist, glaube ich, schon so, dass es eine starke Begegnung mit der kubanischen Gesellschaft sein wird.
Weber: Es wurden Anfang des Monats Menschenrechtsaktivisten bei einer Messe in einem Heiligtum festgenommen, das auch der Papst besuchen wird, die Damas de Blanco, auch eine Menschenrechtsaktivistinnengruppe, haben auch in der letzten Zeit noch mal Festnahmen erlebt, immer nur kurzfristige Festnahmen, aber trotzdem: Sind das Einschüchterungsversuche jetzt gerade im Vorfeld dieses Papstbesuchs, um zu sagen: Ja, euer Papst kommt, aber nehmt euch mal nicht so ernst hier, wir haben immer noch das Sagen?
Hoffmann: Der kubanische Staat ist kein demokratischer Rechtsstaat, die Opposition hat keine öffentlichen Freiräume, auf den Straßen können Sie nicht demonstrieren, und das unterstreicht der Staat im Moment, seit einigen Jahren eigentlich vor allem durch kurzfristige Festnahmen, weniger durch lange Haftstrafen – das gab es unter Fidel zum Teil –, und wir haben jetzt viele, vor allem kurzfristige Inhaftierungen, und die sollen natürlich abschreckende Wirkung haben. Und vor dem Papstbesuch ist das sicherlich genau die Botschaft, die vermittelt werden soll.
Weber: Und inwieweit ist die katholische Kirche überhaupt noch eine ernst zu nehmende Größe auf der Insel? Es gibt einen Priester auf 19.000 Katholiken offiziell, das ist ja nun wirklich nicht viel. Diese Jahrzehnte der Zurückdrängung oder zum Teil ja auch Verfolgung haben ja sicherlich ihre Spuren hinterlassen. Ist die katholische Kirche noch verankert, ist das eine wichtige Stimme für die Bevölkerung?
Katholizismus in Kuba stark verankert
Hoffmann: Die katholische Kirche ist eine zweifelsohne wichtige Institution in Kuba, sie ist die einzige national agierende, unabhängige Institution, die eine derartige Struktur hat, die eigene Infrastruktur hat, die eigene Medien auch hat, die eigene Räume hat. Das ist sozusagen viel kleiner, als es woanders sein mag, aber in Kuba ist es trotzdem mit Abstand die größte Institution dieser Art. Die Zahl der Gläubigen in Kuba ist gar nicht so leicht zu benennen. Die katholische Kirche im engen Sinne ist eine minoritäre Religion, die Volksreligion ist im Prinzip eine afro-karibisch geprägte, die Santeria, die aber auf christlichen und katholischen Wurzeln fußt, auch dort wird getauft, das sind durchaus eine ganze Reihe an Überlappungen. Und insofern ist der Besuch des Papstes auch für viele in Kuba tatsächlich ein religiöses Ereignis, die nicht im formalen katholischen Register stehen würden, das sollte man nicht unterschätzen.
Weber: Genau diese Überlappungen, da ist ja die Frage, wie geht damit die katholische Kirche um, wenn einige ihrer Heiligen mit Gottheiten gleichgesetzt werden oder wenn die Menschen zu einer Messe in einem bestimmten Jungfrauenheiligtum in einer Farbe gekleidet erscheinen, die eben die Farbe dieser Gottheit ist. Gibt es da Abwehrbewegungen, oder lässt man die letztendlich ihren Synkretismus machen und ist froh, dass sie überhaupt noch in die Messe kommen?
Hoffmann: Das ist innerhalb der katholischen Kirche in Kuba durchaus umstritten, das ist auch leicht vorzustellen, dass es da einfach flexiblere und rigidere Positionen gibt, aber im Grunde ist die katholische Kirche schon sehr zufrieden, dass sie an die Bevölkerung rankommt und dass solche Prozesse wie Taufe, wie religiöse Zeremonien Beachtung finden, Räume kriegen. Und man hat im Prinzip dann die Vorstellung, dass mittelfristig das ein sauberer Katholizismus werden würde – ob das stimmt, das weiß ich nicht –, aber das ist eigentlich schon eine verbreitete Annahme in der katholischen Kirche, dass man das tolerieren muss, aber sehen muss, dass man möglichst viele Leute irgendwie bei dem Glauben integriert.
Weber: Also Sie gehen jetzt nicht davon aus, dass Papst Franziskus gegen die Santeria predigen wird?
Hoffmann: Das wäre sehr unpopulär, und er ist ein Papst, der in Lateinamerika versucht, ein sehr populärer Papst zu sein und darin auch sehr erfolgreich ist. Er ist klug, ich glaube nicht, dass er in irgendeiner Weise frontal gegen Falschgläubige in der Santeria gehen wird.
Weber: Für den Papstbesuch wurde eine eigene Internetseite angelegt, und es wurden so ein bisschen die Zugangsmöglichkeiten geöffnet zum Internet – glauben Sie, das ist eine dauerhafte Entwicklung, oder ist das jetzt so ein bisschen Schönwettermachen, solange der Papst da ist, und danach wird auch das Internet wieder stärker kontrolliert werden?
Hoffmann: Ein Stück weit beides. Vor internationalen Ereignissen dieser Art – das haben wir auch bei anderen Konferenzen oder Zusammenkünften erlebt – wird der Internetzugang verbessert und danach wieder zurückgenommen, trotzdem haben wir eine Bewegung in Kuba, dass enorm viel Druck aus der Bevölkerung ist, mehr Internetzugang zu haben. Ganz viele sind gereist, ganz viele haben Verwandte im Ausland, die Leute kennen das Internet, sie wissen, was es gibt, und sie brauchen es auch für sehr viele Sachen, gerade für die Kontakte zu den Familienangehörigen. Insofern gibt es enorm viel Druck aus der Bevölkerung, und der Staat reagiert darauf. Wir erleben einen Ausbruch von Internetzugängen, nicht immer gleich das World Wide Web, viele Zwischenstufen dabei, also E-Mail, interne Netze und so was – alles sicherlich nicht ausreichend, auch von der kubanischen Bevölkerung als nicht ausreichend erlebt, aber es ist heute ganz sicherlich sehr viel mehr Internetzugang da als vor einem Jahr, und es wird in einem Jahr sehr viel mehr Internetzugang sein als heute.
Weber: Papst Franziskus ist zurzeit auf Kuba und reist weiter in die USA. Das waren Einschätzungen von Bert Hoffmann, Kuba-Experte, Professor an der Freien Universität und Leiter des GIGA-Büros in Berlin. Vielen Dank!
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