Mehr Partytalk als politisches Interview
06:19 Minuten
"Die Kanzlerkandidatin der Grünen im exklusiven TV Interview!" So kündigte Prosieben am Montagabend das erste Interview mit Annalena Baerbock in ihrer neuen Rolle an. TV-Kritiker Matthias Dell ist nicht überzeugt: Es fehlten die kritischen Fragen.
Der Termin stand schon einige Tage fest, 45 Minuten hatte der Privatsender Prosieben Annalena Baerbock eingeräumt: zur besten Sendezeit, interviewt von Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke. Aus Sicht der Partei eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu steigern und damit aus der Reihe zu tanzen. Für den Sender die Chance, sich unkonventionell seriös zu geben – und damit das eigene Image aufzuwerten.
Das gelang allerdings nur bis 20.15 Uhr, als das Interview begann. Denn die Fragen vor allem von der zumeist redenden Katrin Bauerfeind unterliefen die Erwartungen an das Privatfernsehen dann eher: Bauerfeind verhielt sich wie ein Fangirl, das stolz ist, wie auf einer Party zu Vor-Corona-Zeiten mit der Frau zu sprechen, die die nächste Bundeskanzlerin werden kann – bis hin zum peinlichen Applaus am Ende.
Keine Lust auf mehr geweckt
Nachfragen musste Baerbock eigentlich nur einmal ertragen, als sie im Umgang mit den Putins, Orbans und Erdogans dieser Welt "klare Haltung" versprach, dann aber nicht die "klaren Worte" von Joe Biden teilen wollte, die der zweite Interviewer Thilo Mischke ihr vorhielt: Putin sei ein Mörder.
Für Prosieben war das also kein Auftritt, der Lust auf mehr politische Interviews machte. Für Annalena Baerbock können die Herausforderungen im Wahlkampf nur größer werden – hier bestand die Aufgabe vor allem darin, sich nicht zu Fehlern hinreißen zu lassen vom Angewanze und Fantum, das ihr entgegenkam. So sehr, dass die Grünen aufpassen müssen, dass die schlechte Leistung der Prosieben-Leute nicht auf sie zurückfällt. So einfach will es ja niemand haben.