„Annette“ von Leos Carax
Mit: Adam Driver, Marion Cotillard, Simon Helberg
Frankreich, USA, Deutschland 2021, 140 Minuten
Leos Carax' "Annette"
Adam Driver als Henry und Marion Cotillard als Ann in "Annette" von Leos Carax. © imago images/Cinema Publishers Collection
Kino im Rausch der Gefühle
07:20 Minuten
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Wer diesen Film einordnen will, hat es schwer: "Annette" von Leos Carax erzählt im Musical-Stil über die Liebe zwischen Henry (Adam Driver) und Ann (Marion Cotillard) und taucht tief ein in den Irrsinn der Gefühle.
Um was geht es?
Der Stand-up-Comedian Henry (Adam Driver) ist für seine zynischen Auftritte bekannt. Wenn er die Bühne betritt, blickt er in seine eigenen Abgründe und macht sie zum Thema. Seine Shows sind unberechenbar, er sucht den Kontrollverlust.
Schauspielerin Ann (Marion Cotillard) ordnet sich dem Pathos der Oper unter, stirbt immer wieder die für ihre Figuren vorgesehenen Tode als perfektes Programm. Ann und Henry werden ein Liebespaar, das von der Boulevardpresse verfolgt wird. Doch was passiert, wenn Gefühle zu groß sind, um gelebt werden zu können?
Was ist das Besondere?
Schon in seinen vorherigen Filmen („Die Nacht ist jung“, „Die Liebenden von Pont Neuf“) hat Leos Carax für extreme Gefühle einen extremen Ausdruck gesucht. Nun wählt er die Form des Musicals und übernimmt dessen Sinn für Kitsch und Pathos.
Hemmungslos wird der Rausch der ersten Verliebtheit und der Niedergang eines Paares zelebriert. Die Musik kommt von der Art-Pop-Band „Sparks“. Sie ist überhöht, schrill, wechselt permanent Ton- und Stimmungslagen wie die Geschichte des Films.
Sie gibt auch den Rhythmus im Kreißsaal vor, als das Baby Annette geboren wird. Das Kind ist eine Gliederpuppe, ohne dass dies mit auch nur einem Wort thematisiert würde. Doch wird Henry von seinen eigenen Dämonen gejagt und immer mehr zur Bedrohung für Ann und die kleine Tochter Annette.
Fazit
Carax gelingt die Quadratur des Kreises: Die Gefühle treffen uns mit voller Wucht, gleichzeitig spielt sein Film mit Motiven des Pinocchio-Märchens oder des Undine-Mythos, bringt die MeToo-Debatte in der Form eines griechischen Chors zum Tönen, sinniert über das Showbiz, Kinderstars und zwei verschiedene Künstlertypen.
„Annette“ ist ein wildes, ungestümes Werk, das sich jeder Einordnung entzieht. Man fragt sich, was man da eigentlich sieht, staunt, lässt sich mitziehen, taucht in den Irrsinn der Gefühle ein.