Annie Proulx
Warum besucht Annie Proulx einen Friedhof für Dinosaurier? Und wieso mag sie die Vorstellung einer Welt ohne Menschen?
Annie Proulx ist schockiert. Gerade hat sie den Ort betreten, der für sie der interessanteste Friedhof überhaupt ist: das Dinosaur National Monument, eine überdachte Felswand in einem kargen, sandigen Naturpark im Grenzgebiet von Utah und Colorado. An dieser Wand lassen sich rund 1500 versteinerte Dinosaurierknochen auf einen Schlag beobachten. Aber Annie Proulx kann sich darüber nicht freuen. Die Schriftstellerin, die sonst allein in einem Haus in der Wildnis von Wyoming lebt, ist geradezu erschlagen von dem, was für sie ein unerträglicher Menschenandrang ist. Familien sind gekommen. Ein Mädchen im Blümchenkleid bestaunt den Schädel eines Ceratosaurus. Erwachsene erklären, Kinder hören zu oder toben herum.
Annie Proulx sagt kein Wort. Sicher hätte sie mir gerne von den Dinosauriern erzählt, die hier vor 150 Millionen Jahren lebten, hätte auf die Gebeine einzelner Tiere gedeutet, hätte daran erinnert, wie eine gewaltige Flut die Dinosaurier tötete, bis zu einer Sandbank spülte und wie nach einer Dürreperiode die Kadaver im Sand irgendwann zu Versteinerungen wurden. An dem Ergebnis, diesem Dinosaurierfriedhof in der Felswand, wäre Annie Proulx, wie zuletzt vor Jahren, ein weiteres Mal neugierig und in aller Ruhe entlangspaziert. Wäre. Denn jetzt möchte sie nur noch eins: vor dem Lärm fliehen, vor den Menschen.
Kurz darauf sitzen Annie Proulx und ich am Ufer des tatsächlich grünen Green River. Die Autorin der später verfilmten Erzählung "Brokeback Mountain" hat aus dem Kofferraum Tragetaschen aus verstärktem Kunststoff mitgebracht, als Sitzunterlagen.
"Diese spitzen Steine sind schlimm, die tun richtig weh. Dieser Stein hier hat das Gesicht eines Aliens. Oder vielleicht ist es auch eine Katze. Haben Sie Katzen?"
Ich habe Annie Proulx, die, so gestresst und enttäuscht, wie sie war, sofort zurück ins Hotel fahren wollte, noch mit Mühe zu einem Interview im Nationalpark überreden können: am Fluss, der, auch wegen der schroffen Felswand dahinter, dem Umland ihrer Ranch in Wyoming ähnelt. Annie Proulx deutet auf den Felsen:
"Hier irgendwo in den Bergen sind weitere Dinosaurier begraben. Hätten wir jetzt Presslufthammer und Meißel dabei, könnten wir ganz sicher einen Dinosaurier oder auch zwei herausholen."
Annie Proulx sagt kein Wort. Sicher hätte sie mir gerne von den Dinosauriern erzählt, die hier vor 150 Millionen Jahren lebten, hätte auf die Gebeine einzelner Tiere gedeutet, hätte daran erinnert, wie eine gewaltige Flut die Dinosaurier tötete, bis zu einer Sandbank spülte und wie nach einer Dürreperiode die Kadaver im Sand irgendwann zu Versteinerungen wurden. An dem Ergebnis, diesem Dinosaurierfriedhof in der Felswand, wäre Annie Proulx, wie zuletzt vor Jahren, ein weiteres Mal neugierig und in aller Ruhe entlangspaziert. Wäre. Denn jetzt möchte sie nur noch eins: vor dem Lärm fliehen, vor den Menschen.
Kurz darauf sitzen Annie Proulx und ich am Ufer des tatsächlich grünen Green River. Die Autorin der später verfilmten Erzählung "Brokeback Mountain" hat aus dem Kofferraum Tragetaschen aus verstärktem Kunststoff mitgebracht, als Sitzunterlagen.
"Diese spitzen Steine sind schlimm, die tun richtig weh. Dieser Stein hier hat das Gesicht eines Aliens. Oder vielleicht ist es auch eine Katze. Haben Sie Katzen?"
Ich habe Annie Proulx, die, so gestresst und enttäuscht, wie sie war, sofort zurück ins Hotel fahren wollte, noch mit Mühe zu einem Interview im Nationalpark überreden können: am Fluss, der, auch wegen der schroffen Felswand dahinter, dem Umland ihrer Ranch in Wyoming ähnelt. Annie Proulx deutet auf den Felsen:
"Hier irgendwo in den Bergen sind weitere Dinosaurier begraben. Hätten wir jetzt Presslufthammer und Meißel dabei, könnten wir ganz sicher einen Dinosaurier oder auch zwei herausholen."
Am Ufer des sanft rauschenden Flusses entspannt sich Annie Proulx. Ich weiß nicht, ob sie mich unter der Sonnenbrille ansieht oder nur Augen für das warme Glitzern des Green River hat; denn ihr Gesicht ist dem Fluss zugewandt. Auch, als sie mir erklärt, warum sie die Dinosaurierfelswand als Friedhof gewählt hat:
"Weil ich die Vorstellung eines Menschenfriedhofs nicht mag. Auf solch einem Friedhof ist mir auch nicht danach zu sprechen. Ich rede sowieso nicht viel. Haben Sie vielleicht schon bemerkt. Aber in gewisser Weise ist ja auch dies hier ein Friedhof, ein Dinosaurierfriedhof. Ich mag ihn. Hier bekommt man nämlich ein Gespür für die eigentlich unvorstellbar weit zurückliegenden Zeiten, für diese großen Zeitbrocken."
Seit Annie Proulx mit Ende sechzig ihr Traumhaus in der Wildnis von Wyoming bauen ließ und dort einzog, hat sich dieses Gespür noch verfeinert. Denn da verläuft der Rio-Grande-Graben. Tektonische Bewegungen reißen ihn immer weiter auf. In Millionen von Jahren würden sich durch solche Verschiebungen neue Kontinente gebildet haben, schreibt Annie Proulx in ihrem Buch "Ein Haus in der Wildnis". Dann werde es wohl keine Menschen mehr geben.
"Möge der Tag endlich kommen! Mir gefällt die Vorstellung einer Welt ohne Menschen! Ich verbringe viel Zeit allein. Ich habe es nicht so mit Menschen. Es gibt eine Distanz zwischen mir und fast allen von ihnen, das ist schon immer so gewesen. Deshalb hänge ich an den meisten von ihnen auch nicht besonders. Aber die Dinosaurier wünsche ich mir jetzt auch nicht zurück."
"Annie Proulx, at Dinosaur National Monument in Colorado, USA"