Annika Thor/Maria Jönsson: "Das Mädchen von weit weg"
Aus dem Schwedischen von Kerstin Behnken
Oetinger Verlag, Hamburg 2016,
32 Seiten, 12,99 EUR, Ab 4 Jahre
Eine Geschichte von Liebe und Zuneigung
Im roten Mantel läuft ein Mädchen allein durch den Wald und klopft bei einer Frau. Sie bleibt eine Nacht und noch eine. In "Das Mädchen von weit weg" von Annika Thor und Maria Jönsson begegnen sich zwei Menschen und auf einmal ist alles schöner, farbenfroher, prächtiger.
Es gibt Geschichten, die gehen ans Herz. Und zwar so direkt, dass es schon fast weh tut. "Das Mädchen von weit weg" ist so eine Geschichte. Wundervoll poetisch erzählt und trotzdem ganz ohne Pathos. Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Mädchens, das allein unterwegs ist im Wald. Schutzsuchend, klopft sie an einem Haus an. Drei Mal muss das Kind im leuchtend roten Mantel klopfen, erst dann macht die Frau auf. Die Graue, wie die Hausbewohnerin hier heißt, will allein sein. Alles andere stört. Besser wäre, das Kind würde woanders hingehen. Sie in Ruhe lassen. Doch das Mädchen ist klein, es ist augenscheinlich allein, also lässt die Graue sie eintreten. Aber nur für kurz. Für eine Tasse warme Milch. "Ich bin an Besuch nicht gewöhnt." Die Graue kennt das nicht anders. Sie lebt allein. Warum, fragt das kleine Mädchen. Darum, so die unwirsche Antwort.
Auch mit der Frau geschieht etwas
Ein Ton, den das Kind nicht zu bemerken scheint. Freudig hüpft es herum, schaut sich alles genau an – sie ist eben ein kleines Mädchen. Unbedarft, freundlich. Und tatsächlich kippt hier die Geschichte: Denn plötzlich steht die Graue mit ihrer Einsamkeit im Zentrum. Das wiegt plötzlich schwerer als die Geschichte des Kindes, das mutterseelenallein im Wald unterwegs ist. Und auch mit der Frau geschieht etwas. Stück für Stück bricht sie auf. Zunächst erlaubt sie dem Kind über Nacht zu bleiben. Später holt sie es sogar zu sich ins warme Bett, denn auf dem Küchenboden ist es kalt. Zu mehr ist sie dann aber doch nicht bereit: "Das ist mein Haus, da soll niemand anders wohnen", heißt es am nächsten Morgen. Und: "Weine nicht. Du findest sicher jemanden, der sich um dich kümmern will." Damit schickt die Graue das Kind weg. Damit ist sie wieder allein.
Eigentlich könnte sie jetzt froh sein. Aber plötzlich ist nichts mehr gut: Der Kaffee nicht, das Feuer nicht, das Alleinsein nicht. Denn mit dem Mädchen war alles schöner, farbenfroher, prächtiger. Da war jemand, der sie brauchte. Mehr noch jemand, den sie brauchte. Schnell rennt die Graue los, sucht das Kind, schreit nach ihm – und findet es. Gemeinsam gehen die beiden zum Haus zurück: Für eine Nacht nur, um dann gemeinsam aufzubrechen, in ein besseres Leben, voller Glück im Herzen Richtung Zukunft.
Eigentlich könnte sie jetzt froh sein. Aber plötzlich ist nichts mehr gut: Der Kaffee nicht, das Feuer nicht, das Alleinsein nicht. Denn mit dem Mädchen war alles schöner, farbenfroher, prächtiger. Da war jemand, der sie brauchte. Mehr noch jemand, den sie brauchte. Schnell rennt die Graue los, sucht das Kind, schreit nach ihm – und findet es. Gemeinsam gehen die beiden zum Haus zurück: Für eine Nacht nur, um dann gemeinsam aufzubrechen, in ein besseres Leben, voller Glück im Herzen Richtung Zukunft.
Genialer Perspektivwechsel
Was für eine famose Geschichte! Erst dank des genialen Perspektivwechsels – weg vom hilfesuchenden Kind zur Einsamkeit der Erwachsenen – bekommt die Geschichte ihre einzigartige Dynamik. Erst so wird deutlich, welches Potential in der Begegnung mit anderen steckt, welch Zugewinn. Kein Wunder, dass die Autorin Annika Thor zu den bekanntesten Schriftstellern ihres Landes gehört.
Dazu kommen die wunderbar feinen Bilder der schwedischen Illustratorin Maria Jönnson. Anfangs sind deren Bilder nur schwarz und weiß gezeichnet – abgesehen von dem Mädchen in seine roten Klamotten, mit zartrosa Wangen und schwarzem Strubel-Haar. Doch wo immer das Kind hinkommt, was immer es berührt: da ist dann auch Farbe. Ein gelber Hauch. Ein Schein von Wärme, Behaglichkeit und Glück. Daneben die graue Frau, mit ihrem länglich, konturenlosen Körper als feine Bleistiftzeichnung – mit großem flächigem Gesicht. Eine einfach wie gelungene Komposition: Die selbst schon ganz viel vermittelt von der Situation und den Charaktereigenschaften der beiden Protagonistinnen. Denn erst gegen Ende nimmt auch die Graue Farbe an: Der rote Schal und ihre roten Wangen symbolisieren eindrücklich ihre Veränderung.
Schöner kann man von aufkeimender Freundschaft und Zuversicht nicht erzählen. Deshalb: Lesen Sie dieses Buch und werden Sie glücklich!
Dazu kommen die wunderbar feinen Bilder der schwedischen Illustratorin Maria Jönnson. Anfangs sind deren Bilder nur schwarz und weiß gezeichnet – abgesehen von dem Mädchen in seine roten Klamotten, mit zartrosa Wangen und schwarzem Strubel-Haar. Doch wo immer das Kind hinkommt, was immer es berührt: da ist dann auch Farbe. Ein gelber Hauch. Ein Schein von Wärme, Behaglichkeit und Glück. Daneben die graue Frau, mit ihrem länglich, konturenlosen Körper als feine Bleistiftzeichnung – mit großem flächigem Gesicht. Eine einfach wie gelungene Komposition: Die selbst schon ganz viel vermittelt von der Situation und den Charaktereigenschaften der beiden Protagonistinnen. Denn erst gegen Ende nimmt auch die Graue Farbe an: Der rote Schal und ihre roten Wangen symbolisieren eindrücklich ihre Veränderung.
Schöner kann man von aufkeimender Freundschaft und Zuversicht nicht erzählen. Deshalb: Lesen Sie dieses Buch und werden Sie glücklich!