Angst vor einer dritten Intifada
Nach dem Blutbad in einer Jerusalemer Synagoge, rüstet sich Israel gegen neue Anschläge. Bald rücken israelische Bulldozer an und zerstören die Häuser der Attentäter. Die "Zeit"-Korrespondentin Gisela Dachs sieht keine Hoffnung für den Nahen Osten.
Nichts Neues im Nahen Osten. Wer aus der Ferne schon gar nicht mehr hinhören will, dem mag man das nicht verdenken. Wer allerdings die jüngsten Terroranschläge in Jerusalem einfach als Ergebnis heutiger israelischer Politik betrachtet, macht es sich zu einfach.
Extremistische Attentate gibt es, solange sich die Israelis erinnern können.
Extremistische Attentate gibt es, solange sich die Israelis erinnern können.
Anschläge haben die gesamte Geschichte des Staates Israel geprägt. Auch schon vor 1967. Das ist ein solides Argument der rechten Parteien, die – aus welchen Gründen auch immer - von Kompromissen mit den Palästinensern nichts halten. Das macht aber den Status Quo der Besatzung nicht akzeptabler für jene, die darunter leiden und die darin nicht – wie die Hamas - nur einen Vorwand sehen für die eigene fanatische Politik.
Auch Kerry hat die Flinte ins Korn geworfen
Dass die Israelis unter Premier Benjamin Netanjahu seit vielen Jahren weitgehend in Ruhe leben können, hat ihm viele Jahre an der Spitze der Regierung beschert. Jetzt sieht es aber so aus, als sei ihm die Karte „Sicherheit" abhandengekommen.
Seit der Entführung und späteren Ermordung drei Jugendlichen, die am 12. Juni per Autostopp zwischen Bethlehem und Hebron unterwegs waren, ist Jerusalem nicht mehr zur Ruhe gekommen. Und seither gab es auch noch einen Krieg – mit 50 Tagen der längste in der israelischen Geschichte, mit über 2000 Toten auf palästinensischer, aber auch Opfern auf israelischer Seite
Es war nicht das erste Mal, dass eine Welle der Gewalt dem Scheitern von Verhandlungen folgte. US-Außenminister Kerry war gewarnt worden, dass misslungene Friedensbemühungen einen hohen Preis haben könnten. Dass auch er – wie schon viele Vermittler vor ihm - die Flinte ins Korn warf, ließ ein gefährliches diplomatisches Vakuum entstehen.
Im Westjordanland ist es erstaunlich ruhig
Und nun ist Konfliktpotenzial auch noch religiös aufgeladen. Um die Aksa Moschee, ruft die Hamas zu Anschlägen auf, und in den sozialen Netzwerken lassen sich Hass und Gerüchte noch effektiver verbreiten. Es kursieren „Straßenschilder", auf denen ein Fahrzeug die Form einer Waffe annimmt. Schon mehrmals sind Attentäter mit einem Auto in eine Menschenmenge gerast. Wer will, kann sich auch inspirieren lassen von den IS-Kämpfern. Ein Bild stellt einen Juden dar, der vor dem Tempelberg enthauptet wird.
Noch beschränkt sich die Gewalt auf Jerusalem, im Westjordanland ist es erstaunlich ruhig. Dort versucht Palästinenserpräsident Mahmud Abbas einen Balanceakt. Er trauert mit den Angehörigen eines Auto-Mörders, hält aber zugleich an der Sicherheitskooperation mit Israel fest. Er will verhindern, dass sich die Unruhen ins Westjordanland erstrecken. Vor der westlichen Welt, wo er – auch ohne ein Abkommen mit Israel – um die Anerkennung Palästinas wirbt, will und muss er Staatsfähigkeit beweisen.
Zudem muss er fürchten, dass sich die Gewalt auch gegen die eigene Palästinenserbehörde richtet. Kritiker hat genug. Und die letzten Wahlen, die ihn legitimiert haben, sind lange her. Neuwahlen nicht in Sicht.
Siedlungspolitik schürt den Konflikt
Und Benjamin Netanjahu? Mit seiner international heftig gerügten Siedlungspolitik in Ostjerusalem und im Westjordanland schürt den Konflikt. Der rechte Flügel seiner Regierung wirft ihm vor, gegenüber den Palästinensern zu nachgiebig zu sein. Andere Kabinettsmitglieder werfen dem Premier dagegen vor, er würde mit seiner kompromisslosen Haltung jede Chance auf Frieden zunichtemachen. Seine Regierung steht auf wackligen Beinen. Es gibt aber auch vermehrt Stimmen, die sagen, Israel müsse die Initiative ergreifen, sich mit den moderaten Regimen der Region auf der Basis des Saudischen Friedensvorschlags von 2002 zusammentun. Das hätte auch den Vorteil, dass Abbas mit Unterstützung rechnen könnte, in einem Umfeld, wo man in der Vergangenheit eher gegen eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern gearbeitet hat.
Auch Abbas hat kein sichtbares Interesse an Frieden
Für Netanjahu käme ein solcher Schwenk einer drastischen Wende gleich. Sie würde womöglich eine Spaltung des Likuds bedeuten und eine Koalition mit der Arbeitspartei bedingen. Wahrscheinlich scheint das nicht.
Und so kann Abbas seine eigene Zögerlichkeit im Hinblick auf Kompromisse gut hinter Netanjahus desaströsem Image als Siedlungsbauer in der Welt verbergen. Frieden miteinander zu machen, lag demnach bisher nicht in ihrem Interesse.
Das Verhältnis zwischen Barack Obama und Benjamin Netanjahu ist schlecht wie nie. Europa redet nicht mit einer Stimme. Es sieht nicht danach aus, als ob sich in nächster Zukunft irgendetwas zum Guten ändern würde.