Bestürzung, aber auch klammheimliche Freude
Das neue Jahr 2017 begann mit einem Terrorakt auf den Istanbuler Nachtclub Reina. Der Schriftsteller Imran Ayata hat das Nobellokal in einem seiner Romane beschrieben und schildert nun, warum der Club in der Silvesternacht solchen Hass auf sich zog.
"Reina ist der Nobelclub in Istanbul und liegt direkt am Fuß der Bosporus-Brücke", sagte der Schriftsteller Imran Ayata im Deutschlandradio Kultur. Es sei die erste Adresse für Fußballer, Serienhelden und für viele Popstars, die Konzerte in Istanbul gäben, aber auch für Investmentbanker. "Für die einen ist das ein Versprechen für ein freies, westliches Leben – für die anderen ist es tatsächlich auch die Projektionsfläche für alles, was sie hassen, für die westliche Dekadenz, für Freizügigkeit." In seinem Roman "Mein Name ist Revolution" hat der Autor einige Szenen geschrieben, die sich im legendären Nachtclub abspielen. Er ist 1969 in Ulm geboren, lebt in Berlin und hat Freude und Verwandte in der Türkei. 2005 erschien der Erzählband "Hürriyet Love Express" und 2011 der Roman "Mein Name ist Revolution". Bekannt ist Ayata auch für die von ihm und Bülent Kullukcu zusammengestellte CD-Kompilation "Songs of Gastarbeiter Vol. 1".
Ayata erklärte, es habe in den letzten Wochen des alten Jahres in der Türkei eine massive Kampagne gegeben, bei der Silvester mit Plakaten, aber auch Fernsehauftritten von Imanen als etwas Unislamisches dargestellt worden sei. Noch am 31. Dezember sei eine Zeitung erschienen, die auf dem Titelblatt davor warnte, Silvester zu feiern. Nun gebe es nach dem Anschlag auf Reina eine ganze Bandbreite von Reaktionen: "Es gibt natürlich Bestürzung, Verzweiflung, Wut - aber es gibt auch in Teilen der Gesellschaft tatsächlich so etwas wie eine klammheimliche Freude, dass es diejenigen getroffen hat, die eben genau für dieses andere Leben stehen", so Ayata.
Ausgrenzungspolitik der Regierung
Die Regierung habe eine Entwicklung gefördert, die in der Türkei nun schon etwas länger zu beobachten sei, sagte der Autor: die Wahrnehmung des "Anderen". Das könne der Kurde, ein sogenannter Ungläubiger oder auch ein Alevit sein. Die türkische Politik setze auf Ausgrenzung von Menschengruppen. Diese "Politik des Hasses" stoße in der Gesellschaft auf breite Akzeptanz und zeige das Ausmaß der Islamisierung. "Das ist das wirklich Beängstigende", erklärte Ayata. Die Politik der Spaltung sei so weit fortgeschritten, dass man inzwischen von einer Gesellschaft sprechen müsse, die fragmentiert sei und auseinanderfalle.
Der Übergang der Türkei zum Präsidialsystem sei auch im Alltag spürbar, wenn man etwa beobachte, wie sich in der Türkei die Mode verändere und der Alkohol aus dem öffentlichen Leben verschwinde, so Ataya. In Clubs würden Jugendliche, die westliche Musik hörten, inzwischen zusammengeschlagen. "Es ist das erste Mal, dass ich Zeuge bin, wie ein Land, eine Gesellschaft Schritt für Schritt in den Abgrund driftet", sagte der Autor, Damit sich diese Entwicklung wieder umkehren könne, müssten diejenigen gestärkt werden, die eine Alternative zu diesem Trend entwickeln könnten. Sie seien aber in der Türkei gerade sehr geschwächt und erhielten auch aus dem Ausland wenig Unterstützung.