Anschlag in Kabul

Von Christian Rabhansl |
"Ihr seid alle unsere Feinde, wenn ihr euch in Afghanistan einmischt." Es ist ein klares, brutales Zeichen, das die radikal-islamischen Taliban heute gesetzt haben, als sie drei Deutsche mit einer ferngesteuerten Mine ermordeten.
Absolute Härte gegen die Taliban, so lautet die Reaktion, die parteiübergreifend geäußert wird. Erst gestern musste der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg harsche Kritik aus der CSU einstecken, weil er Gespräche mit, wie er sagte, "moderaten, vernünftigen" Taliban-Vertretern gefordert hatte. Die prompte Antwort: Die Taliban seien Träger einer menschenverachtenden Terrorherrschaft, ihre Einbindung in den Friedensprozess wäre eine "groteske Umkehr der Realität".

Das stimmt - und führt doch zu einem fragwürdigen Schluss. Schon im April hatte SPD-Chef Kurt Beck heftige Kritik und auch Spott geerntet für seinen Vorschlag, gemäßigte Taliban zu einer Friedenskonferenz einzuladen. Der Vorschlag klang naiv. Und doch: Auch Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat die Taliban in den vergangenen beiden Jahren mehrfach zum Dialog gebeten.

Ist also der Gedanke an Friedensgespräche wirklich so weltfremd? Sicherlich: Allein die Suche nach gemäßigten Taliban dürfte sich mehr als schwierig gestalten. Zeichnen sich die Taliban doch durch eine Kulturfeindlichkeit und eine Gewaltbereitschaft aus, die ihresgleichen suchen. In den Jahren ihrer Herrschaft haben sie Frauen und Mädchen faktisch aus dem Berufsleben ausgeschlossen und sie in den Analphabetismus gedrängt, haben öffentliche Hinrichtungen zelebriert und unersetzliche Kulturgüter zerstört.

Absolute Härte gegen die Vorstellungen der Taliban versteht sich damit von selbst. Eine Gesprächseinladung an einzelne Vertreter kann also kein inhaltliches Zugeständnis bedeuten. Aber vielleicht muss genau an dieser Stelle unterschieden werden: zwischen klaren inhaltlichen Positionen auf der einen Seite und der grundsätzlichen Anerkennung auf der anderen, dass die Menschen, die als Taliban in Erscheinung treten, nun mal in diesem Lande leben. Und dass deshalb eine Lösung, die unausgesprochen auf die Vernichtung der Taliban abzielt, nicht funktionieren kann. Sie wäre weder praktisch machbar noch moralisch vertretbar.

Was also wäre zu verlieren durch ein Gesprächsangebot an einzelne Taliban, und was zu gewinnen?

Zu verlieren wären Energie und Zeit. Wenn, und das ist gut möglich, kein Taliban gemäßigt genug wäre, um die Einladung überhaupt anzunehmen. Oder weil die Gespräche wegen unvereinbarer Vorstellungen zu keinem Ergebnis, zu keiner Einigung führen können.

Zu gewinnen aber wäre ein kleines Signal, dass der Westen es ernst meint mit seinen Versprechen von Demokratie. Denn Demokratie bedeutet zwar nicht, sich auf die Standpunkte von Extremisten einzulassen. Ohne eine grundsätzliche Bereitschaft zum Gespräch ist Demokratie aber auch undenkbar. Genau das sollte den auch moralischen Vorsprung des Westens ausmachen: dass er sich von seinen demokratischen Prinzipien auch durch Terror nicht abbringen lässt. Das wäre ein Signal, das sich weniger an die Taliban richtet, sondern viel mehr an die restliche Bevölkerung.

Und für die Stabilität in Afghanistan muss jede noch so kleine Chance genutzt werden.