Hanau plant Mahnmal gegen Rassismus
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Fünf Monate nach dem rassistischen Anschlag in Hanau will die Stadt ein Mahnmal errichten, in enger Kooperation mit der Bundeskanzlerin. Auch ein Museum zur Tat und zu ihrer Aufarbeitung ist im Gespräch - initiiert von den Opferangehörigen.
Zwei Männer in Bronze, gut sechs Meter hoch auf einem Sockel. Der eine sitzt, liest in einem großformatigen Buch, das auf seinen Knien liegt. Der andere Mann steht hinter dem Sitzenden und blickt über dessen Schulter ebenfalls in die Schrift, die der andere vor sich aufgeblättert hat. Der Sitzende ist Wilhelm Grimm, sein Bruder Jacob steht. "Nationaldenkmal" – so nennt sich das Monument für das gelehrte, spätromantische Brüderpaar, das in Hanau geboren wurde, bis heute.
Geschaffen wurde es nach einem Künstlerwettbewerb. Der Münchner Kunstprofessor Syrius Eberle war der Bildhauer der Doppelskulptur, die 1896 eingeweiht wurde – unter "großer Anteilnahme der Bevölkerung", wie es hieß.
Vom Nationaldenkmal zum Trauerort
Seit dem 19. Februar dieses Jahres hatte das Brüder-Grimm-Denkmal neben der Erinnerung an die großen Söhne der Stadt noch eine zweite Funktion für das kollektive Gedächtnis nicht nur in Hanau zu erfüllen: Nach der rassistisch motivierten Terrorfahrt im Winter war das Denkmal vor dem Rathaus mit Kerzen, Blumen und Bildern der Ermordeten spontan zum zentralen Trauerort für die Menschen geworden, die die Opfer nicht vergessen wollten oder konnten.
Heute nun sind die Blumen und Kerzen wieder weitgehend verschwunden, lediglich die Porträts der Opfer des rassistischen Anschlags sind noch auf den Sockel geklebt, auf dem Bildhauer Syrius Eberle mit Jacob und Wilhelm Grimm die Schriftkultur feiert.
Es soll einen Wettbewerb geben
Bald nun wird es wohl wieder einen Wettbewerb der Bildhauerinnen und Bildhauer geben, aus dem eine zweite Großskulptur in der Hanauer Innenstadt entstehen soll. Diesmal kein "Nationaldenkmal", sondern eher ein international sichtbares Mahnmal gegen Nationalismus und Rassismus. Claus Kaminsky, der SPD-Oberbürgermeister von Hanau:
"Das war kein lokales Ereignis in Hanau, sondern das hat ganz Deutschland, in Wahrheit weit darüber hinaus, bewegt. Und wir wollen jetzt mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Menschen, die Ideen haben, die kreativ sind, überlegen, in welcher Form und an welchem Ort wir dauerhaft das Erinnern an die Opfer, an die Tat sicherstellen können."
Im Konsens mit den Angehörigen der Opfer
Das Brüder-Grimm-Denkmal wurde Ende des 19. Jahrhunderts in enger Kooperation mit direkten Nachfahren von Jacob und Wilhelm Grimm gestaltet. Das Denkmal für die Opfer des Anschlags vom 19. Februar 2020 wird trotz eines möglichen internationalen Künstlerinnen- und Künstlerwettbewerbs letztlich im Konsens mit den Angehörigen der Ermordeten gestaltet werden, betont Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Und auch in enger Kooperation mit der Bundeskanzlerin, "die mir hier am 4. März, vorher aber auch schon telefonisch, ausdrücklich gesagt hat: Wenn ich etwas hätte, dass ich mich dann noch einmal melden soll". Das werde er tun. "Da geht es auch ein bisschen um Geld. Na klar. Aber vielleicht auch um eine Begleitung bei der Schaffung eines solchen Gedenkens, was weit über eine kommunale Möglichkeit hinausgeht."
Die Idee, im Stadtzentrum von Hanau ein Mahnmal gegen Rassismus mit internationaler Ausstrahlung zu schaffen, wird auch vom neu gegründeten Hanauer "Institut für Toleranz und Zivilcourage - 19. Februar Hanau e. V." unterstützt. Der Verein ist aus dem Helferkreis entstanden, der sich seit Monaten um die Hinterbliebenen der Anschlagsopfer kümmert. Die Mitglieder wollen antirassistische Projekte und Aktionen in Hanau anstoßen und auch weiterhin für die Opferfamilien da sein, wenn diese Unterstützung brauchen.
Aber einen weithin sichtbaren Gedenkort in der Innenstadt finde man angesichts des einschneidenden Ereignisses angemessen, sagt Institutssprecher Ferdi Ilkhan: "Als Wunsch der Familien für Gedenken und Erinnerungskultur. Das sind mehrere Bestandteile, ein Bestandteil ist so ein Denkmal, eine Skulptur, möglichst zentral - die Familien möchten das sogar auf dem Marktplatz haben - das der Tat und den Opfern gedenkt."
Museum als Ort für Diskussionen
Doch die Angehörigen regen neben einer Skulptur im Freien auch ein kleines Museum an, das mit verschiedenen Medien an die Mordnacht vom 19. Februar 2020 erinnert, so Ferdi Ilkhan. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender des Ausländerbeirates der Stadt Hanau.
"Ein Raum dann als eine Art kleines Museum, wo dann private Gegenstände oder eben auch die Berichterstattung zu der eigentlichen Tatnacht einzusehen und anzuhören sind. Und wo man sieht, dass das Ganze natürlich auch noch ein Nachspiel hat."
Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky unterstützt auch diese Idee – er nennt den geplanten Ort "Demokratiezentrum", für das er gerade bereits ein Gebäude anmietet: "Es braucht einen Ort des Diskurses. Es soll einen Ort geben, eine Immobilie in der Innenstadt, die dieses Thema aufnimmt und ein Ort von Gesprächen, von Diskussionen, von Foren, von Bildungsveranstaltung sein wird."