Anspruchsvoll und fesselnd

Ian Stewart unternimmt in seinem Buch "Meilensteine der Mathematik" eine grandiose Reise durch den Kosmos der Gleichungen. In 20 Kapiteln streift er durch die Geschichte der Mathematik, von den ersten Zahlen, über Geometrie und Wahrscheinlichkeiten bis zur Chaos-Theorie.
Viele der heute gängigen mathematischen Konzepte reichen weit zurück, manche vier Jahrtausende bis ins alte Babylon. Während in anderen Wissenschaften viele Erkenntnisse meist schnell veralten oder sogar irgendwann schlicht als falsch gelten, entwickelt sich die Mathematik fast kontinuierlich weiter – ohne ihre Fundamente aufzugeben.

Ian Stewart unternimmt in seinem neuen Buch "Meilensteine der Mathematik" eine grandiose Reise durch den Kosmos der Gleichungen. In 20 Kapiteln streift er durch die Geschichte der Mathematik, von den ersten Zahlen, über Geometrie und Wahrscheinlichkeiten bis zur Chaos-Theorie.

Im englischen Original heißt das Buch "Das Unendliche zähmen". In der Tat war und ist die Mathematik ein zähes Ringen ihrer Protagonisten mit den streng logischen Konstruktionen und dem, was daraus folgt. Ian Stewart zeichnet höchst spannend diesen Kampf nach. Er stellt die wichtigsten Personen und ihre Lebenshintergründe vor. So macht er deutlich, dass Mathematik von Zahlen und Formeln beherrscht sein mag, aber von Menschen betrieben wird.

Der Autor, Jahrgang 1945, ist Professor für Mathematik an der Universität Warwick. Seit Jahren arbeitet er fast unermüdlich daran, sein bei der breiten Bevölkerung so verhasstes Fach, zu popularisieren. So zeigt er in jedem der 20 Kapitel genau auf, was die Menschen einst motiviert hat, neue mathematische Methoden zu entwerfen – und wozu diese heute noch gebraucht werden. Ohne die Zahlentheorie, die von Carl Friedrich Gauß im 19. Jahrhundert entwickelt worden ist und diesen Mathematiker auf den 10-Mark-Schein brachte, gäbe es heute keine Datenverschlüsselung im Internet. Vermutlich will niemand ganz genau wissen, was Navier-Stokes-Gleichungen sind – aber ohne sie ginge nichts beim Flugzeugbau und der Konstruktion von Hochhäusern. Wer immer eine CD oder DVD abspielt, benutzt dabei abstrakte Algebra.

Ian Stewarts Buch ist sehr anspruchsvoll. An etlichen Stellen wimmelt es fast von Formeln. Nur sehr wenige Leser werden wirklich alles verstehen. Doch das Buch ist in einem fesselnden Ton geschrieben. Das Schöne an Stewarts Schreibstil ist, dass es einen gar nicht stört, wenn man den Ausführungen einige Absätze lang kaum folgen kann – manchmal merkt man es nicht einmal. Droht man etwas den Faden zu verlieren, zieht der Autor einen blitzschnell mit einer neuen Anekdote oder einem verblüffenden historischen Bezug zurück in die Geschichte. Ohnehin kann man in den Meilensteinen der Mathematik nach Herzenslust schmökern. Man muss das Buch keineswegs von Seite zu Seite durcharbeiten.

Wer sich auf dieses Buch einlässt, sieht die Mathematik hinterher sicher aus einer ganz neuen Perspektive. Ian Stewart beendet sein Werk mit dem Satz "Willkommen also im Goldenen Zeitalter der Mathematik". Doch hier irrt er. Denn auf den 278 Seiten zuvor hat er eindrucksvoll dargelegt, dass jedes Zeitalter ein goldenes für die Mathematik ist.

Besprochen von Dirk Lorenzen

Meilensteine der Mathematik

von Ian Stewart
aus dem Englischen übersetzt von Anna Schleitzer

Spektrum 2009, 288 Seiten, ISBN 978-3827423009, Preis:32,95 Euro