See in der Antarktis - ein tiefgekühlter Komplex
Nicht nur auf dem antarktischen Eis, auch darunter kommt es zur Bildung von Seen. So haben Forscher etwa unter einer mehr als einen Kilometer dicken Eisschicht einen See entdeckt, der ein komplexes Ökosystem darstellt.
Warum ein riesiger See verschwindet
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Forscher rätseln über das Verschwinden eines Sees in der Antarktis: Innerhalb von drei Tagen sind etwa 700 Millionen Kubikmeter Wasser auf dem Amery-Schelfeis in der Ostantarktis einfach abgeflossen. Es könnte mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Innerhalb von drei Tagen ist der Antarktis ein riesiger See verschwunden. Passiert ist das schon 2019, entdeckt haben Forscher den Vorgang aber erst kürzlich bei der Auswertung von Satellitenbildern.
Betroffen ist ein Süßwassersee auf dem Amery-Schelfeis, einer etwa 400 Kilometer langen und 175 Kilometer breiten permanenten Eisfläche in der Ostantarktis. Dieser See fasste zwischen 600 und 750 Millionen Kubikmeter Wasser.
"Das entspricht einem See, der ungefähr fünf Kilometer lang, fünf Kilometer breit und 30 Meter tief ist", erklärt der Glaziologe und Geophysiker Reinhard Drews von der Universität Tübingen.
"Schelfeise sind die schwimmenden Teile des Eisschildes, die auf dem Ozean aufliegen, das heißt, darunter ist Ozean. Und auf der Oberfläche dieses Eisschelfs hat sich durch Schmelzen an der Oberfläche dieser See gebildet."
Experten vermuten, dass das Wasser des Sees in den unter dem Schelfeis liegenden Ozean abgeflossen ist. "Das kann man sich wirklich vorstellen wie eine Badewanne, wo auf einmal der Stöpsel gezogen wird", sagt Drews. "Und der Stöpsel ist in diesem Fall eine Gletscherspalte."
Solche Gletscherspalten entstehen auch durch den Druck des auf dem Eis schwimmenden Wassers. Denn Wasser hat eine leicht höhere Dichte als Eis und wird sich insofern früher oder später durch das Eis drücken, erklärt der Glaziologe.
Zumindest begünstigt die Erderwärmung die Entstehung solcher Seen auf dem Eisschelf. Momentan sei das noch die absolute Ausnahme, sagt Drews. Aber: "Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass die Temperaturen auch in der Antarktis nach oben schnellen, dann wird es dort zu mehr von solchen Schmelzprozessen an der Oberfläche kommen."
Dadurch wächst der Druck auf das darunter liegende Eis und es kommt vermehrt zur Bildung von Gletscherspalten. Letztlich, so befürchten Experten, könnte so die Integrität der antarktischen Eisschelfe in Gefahr geraten.
Eisschelfe regulieren den Eisabfluss in den Ozean und üben dabei eine Bremswirkung aus. "Wenn sich jetzt aber diese Eisschelfe aus welchen Gründen auch immer auflösen, dann ist der Bremseffekt weg und man wird mit Sicherheit eine höhere Eisgeschwindigkeit und mehr Eistransport in den Ozean haben", erklärt Glaziologe Drews.
"So hat man das auch schon mal beobachtet, allerdings an einem ganz anderen Teil der Antarktis, auf der antarktischen Halbinsel, die sich Richtung Südamerika neigt. Dort hat man so einen Zerfall des Eisschelfs in wenigen Wochen beobachtet."
Jetzt gebe es die Sorge, dass auch an anderen Orten der Antarktis ein ähnlicher Effekt entstehen könnte.
Dem Geophysiker zufolge ist ein möglicher Anstieg des Meeresspiegels dabei nicht das einzige Problem. Denn wenn kaltes Süßwasser in die Ozeane gelange, verschöben sich auch die Meeresströmungen:
"Die Meeresströmungen sind ein Riesenkraftwerk, das die Energie auf der Erde verteilt, und selbst kleine Änderungen können dramatische Auswirkungen haben."
Prognosen über die Auswirkungen des Klimawandels in der Antarktis sind Drews zufolge mit großen Unsicherheiten behaftet. Aber man müsse sich des hohen Risikos bewusst sein, betont er.
Und eins sei klar: "Egal, was wir jetzt machen, die Antarktis wird erst mal die nächsten 100 Jahre Masse verlieren. Das haben wir uns schon eingehandelt und da ist eine gewisse Trägheit im System, die wir nicht mehr rausnehmen können."
(uko)