"In bester Gesellschaft. Geschichten über den Rausch"
Erzählungen von Hans Fallada, Joseph Roth, F. Scott Fitzgerald, Jörg Fauser und anderen, zusammengestellt von Ursula Baumhauer
Diogenes, 269 Seiten, 11 Euro
Über die Macht des Alkohols
06:15 Minuten
Fallada und Fitzgerald gaben sich Rauschmitteln hin, Hemingway ging als Schluckspecht in die Literaturgeschichte ein: 14 glänzende Erzählungen über Rausch und Alkohol versammelt der Band "In bester Gesellschaft", zusammengestellt von Ursula Baumhauer.
Literatur und Alkohol sind ein berauschendes Paar, seit jeher suchen die Dichter den Geist im Weingeist. Seit der Antike geht das so, Horaz warnte sogar vor Abstinenzlern: "Gedichte, die von Wassertrinkern geschrieben wurden, können nicht lange Gefallen erregen."
Spätestens in der Moderne dann werden die künstlichen Paradiese der Dichtung mittels Hochprozentigem erkundet, und Charles Baudelaire, eifriger Konsument von allen bewusstseinserweiternden Mitteln, schreibt: "Berauscht euch, mit Wein, mit Versen oder mit Tugend".
Fallada ging daran zugrunde
Dass der Rausch schlimme Untugenden heraufbeschwören kann, auch dafür liefert die Literatur ausreichend Belege. Von der ästhetischen Sinnsuche ist es oft nur ein kleiner Schritt in die Sucht, und wenn Ernest Hemingway im Pariser Ritz Hotel ganze 51 Martini-Cocktails trank, dann ist die Grenze zur Pathologie überschritten. Und es geht noch extremer: Der walisische Dichter Dylan Thomas starb mit den Worten: "Ich hatte gerade 18 Whiskys, ich denke, das ist ein Rekord."
Es geht aber auch anders, die Literatur kann sehr luzide und nüchtern mit dem Thema Rausch hantieren, und die Erzählungensammlung "In bester Gesellschaft. Geschichten über den Rausch" ist dafür ein exzellenter Beweis. Vierzehn Prosastücke hat der Diogenes-Verlag zu einem literarischen Kaleidoskop der Rauscherfahrung gefügt, in allen Tonlagen – von amüsant satirisch bis melancholisch getragen – wird vom Alkohol als Treibstoff schicksalhafter Entwicklungen erzählt. Ursula Baumhauer, Lektorin des Verlages, hat die Erzählungen zusammengestellt und lädt die Leser so zum Wiederentdecken oder Neuentdecken ein.
Aus Rausch entstehen glückliche Fügungen
Joseph Roth ist mit einem Auszug aus der "Legende vom Heiligen Trinker" vertreten, sicher eines der schönsten Stücke des Buchs. Wie der obdachlose Säufer Andreas versucht, ein Geldgeschenk in der Kirche zu spenden und immer kurz vor der Messe in eine Zecherei gerät, das ist eine wunderbare Reflexion über das Ringen des Menschen um das Gute.
Scott Fitzgerald, der glänzende Story-Autor und Verfasser des "Großen Gatsby", ist mit einer schillernden Erzählung über einen Maskenball vertreten. Jazz Age, 1920er-Jahre, und ein volltrunkener Dandy, der sich als Kamel verkleidet – daraus macht Fitzgerald eine Parabel auf die Zufälligkeit des Glücks, das heißt, die glücklichen Fügungen, die aus einem Rausch entstehen können.
Trinkend durch die Nacht
Auch die anderen Prosatexte malen sich das Verhältnis von Schicksal und Berauschung aus. Jörg Fauser schickt einen verkrachten Denker trinkend durch die Nacht, der Kriminalautor Jakob Arjouni lässt einen Möchtegern-Journalisten durch Alkohol zum Visionär werden, Roald Dahl erzählt vom Duell zweier Weingourmets und einer ziemlich geschmacklosen Wette.
Die literarischen Arbeiten werden ergänzt durch Reflexion: Amelie Nothomb spekuliert über das Wesen des Champagners ("Jedes alkoholische Getränk hat seine besondere Schlagkraft; Champagner ist das einzige, das keine ordinären Metaphern hervorruft."). Friedrich Ani und Jessica Durlacher erinnern sich an ihre Pubertät und den ersten Rausch; Connie Palmen und Daniel Schreiber denken nach über das Wesen der Sucht – und wie aus einer Genusserfahrung eine Krankheit werden kann.
Die literarischen Arbeiten werden ergänzt durch Reflexion: Amelie Nothomb spekuliert über das Wesen des Champagners ("Jedes alkoholische Getränk hat seine besondere Schlagkraft; Champagner ist das einzige, das keine ordinären Metaphern hervorruft."). Friedrich Ani und Jessica Durlacher erinnern sich an ihre Pubertät und den ersten Rausch; Connie Palmen und Daniel Schreiber denken nach über das Wesen der Sucht – und wie aus einer Genusserfahrung eine Krankheit werden kann.
Selbstentgrenzung durch Alkohol
Was alle Autoren verbindet, ist das Wissen um die konstitutive Kraft des Rauschs. Die Selbstentgrenzung durch die Spirituose ist eine Kulturtechnik. Wie schreibt Nothomb: "Beim Trinken den Rausch vermeiden zu wollen, ist ebenso kläglich, wie sich beim Hören sakraler Musik gegen das Gefühl des Erhabenen zu sperren."