Michael Chabon/Ayelet Waldman (Hg.): "Oliven und Asche. Schriftstellerinnen und Schriftsteller berichten über die israelische Besatzung in Palästina"
Verlag Kiepenheuer & Witsch 2017
560 Seiten, 28 Euro
Den Alltag unter der Besatzung verstehen
Eva Menasse ist eine der 25 Autoren, die im vergangenen Jahr für die Anthologie "Oliven und Asche" ins Westjordanland reisten. In unserem Gespräch berichtet sie von ihren Erlebnissen und warum sie nicht an eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina glaubt.
In der Anthologie "Oliven und Asche" berichten 26 internationale Autorinnen und Autoren über die Situation in Gaza und im Westjordanland. Auf Einladung der Herausgeber Michael Chabon und Ayelet Waldman und der israelischen Organisation "Breaking the Silence" reisten sie im vergangenen Jahr in die besetzten Palästinensergebiete, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.
Der Gedanke hinter dem Projekt sei gewesen, Schriftsteller die kleinen Geschichten der einfachen Menschen erzählen zu lassen, um den Alltag der Besatzung begreifbar zu machen, sagt Eva Menasse, eine der beteiligten Autorinnen.
Wo sich mehrere Grenzen auf engem Raum überlagern
In Menasses Text geht es um Grenze. Davon gibt es in dem Dorf Waladsche im Westjordanland gleich mehrere: So gehöre ein Teil des Ortes noch zur Municipalität Jerusalem, während der andere "sozusagen reines Westjordanland" sei. Für die Bewohner hat diese Grenze schwerwiegende Konsequenzen. "Die einen dürfen ohne Probleme in Jerusalem oder im israelischen Kernland arbeiten, die anderen nicht", sagt die Schriftstellerin. "Die einen dürfen in ein israelisches Krankenhaus gehen und sich dort behandeln lassen, die anderen nicht."
Abgesehen von dieser Grenze sei Waladsche auch noch von den Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland umgeben: "Das heißt, wir haben es hier mit einem kleinen Sack zu tun. Es gibt nur einen Eingang, aber in diesem Sack gibt es auch noch zwei verschiedene Gesellschaften", sagt Menasse. "Dann gibt es auch noch die grüne Grenze, das ist ein digitales Ding, also nichts analoges, das sieht man nur auf den Landkarten." In Waladsche lägen die Grenzen buchstäblich übereinander.
"Stand-up-Feindlichkeit" der Siedler
Als schockierend habe sie "Stand-up-Feindlichkeit" der Siedler aus einer Siedlung oberhalb Waladsches gegen westliche Besucher erlebt. "Es gab wirklich Situationen von eminent ausgebrochener Aggression und Gewaltbereitschaft, die ich in meinem Leben noch nicht erlebt habe", sagt die Schriftstellerin. "Ich mit meiner teilweise jüdischen Herkunft wurde von mir vollkommen fremden Menschen beschimpft und angespuckt, so was ist mir noch nicht begegnet in meinem Leben."
Die Palästinenser hingegen seien froh und freundlich gewesen, dass endlich jemand komme und sich anschaue, unter welchen Umständen sie da lebten. Menasse verwahrt sich jedoch gegen den Eindruck, es handele sich bei dem Buch um ein gezielt pro-palästinensisches Projekt. Es sei ein offenes und "letztlich ein Menschenrechtsprojekt", sagt sie. Eine Besatzung sei einfach kein Zustand, der auf Dauer aufrechterhalten werden dürfe.
"Fuck das Zwei-Staaten-Modell!"
Dass eine Zwei-Staaten-Lösung die Besatzung beenden könnte, glaubt Menasse nicht. Denn eine Zweit-Staaten-Lösung werde mit jeder Siedlung und jeder Straße, die nur von Israelis benutzt werden dürfe, schwieriger. Das sehen offenbar auch Palästinenser so, hat Eva Menasse erlebt:
"Es gibt eine junge Generation von Palästinensern, vor allem die, die etwas besser gestellt sind, die sagen: Fuck das Zwei-Staaten-Modell! Wir wollen einfach dieselben Rechte wie die Israelis. Ok, sie haben gewonnen, aber gebt uns Zugang zum Bildungssystem, zum Gesundheitssystem und reden wir nicht mehr drüber. Das ist natürlich nur eine Meinung von vielen verschiedenen, aber wenn man sich das Land anschaut, dann fragt man sich, ob es überhaupt eine andere Möglichkeit geben kann."
(uko)