Anthropologin Helen Fisher

Liebe – der Rausch der Räusche

Paar unter der Dusche.
Paar unter der Dusche beim Liebesspiel: Natürlichen Rausch. © imago / westend61
Von Georg Schwarte · 09.08.2018
Anthropologin Helen Fisher hat ihr Berufsleben der Suche nach dem Rausch von Liebe und Sex gewidmet. "Sex sei niemals beiläufig", sagt die 73-Jährige. Jede Berührung beim Sex schütte Dopamin aus – und daraus könne Liebe entstehen.
"Ein natürlicher Rausch. Wie ein Tsunami und genauso schwer zu kontrollieren." Helen Fisher sitzt in ihrem Apartment, Upper-West-Side, neben dem Central Park und redet über Sex und über Liebe. Und sie fasst sich an den Kopf und sagt: "Hey, ihr habt alle ein Gehirn im Kopf – es gibt nichts auf der Welt, dass so berauschend ist wie Sex und Liebe!"
Die Frau muss es wissen. Sie sucht den Rausch, bei sich natürlich auch aber vor allem bei anderen. Sie ist biologische Anthropologin. Und seit vielen Jahrzehnten dem Rausch auf der Spur. Buchstäblich: "Wenn wir über natürlichen Rausch reden wollen. Das sind die größten, die die Menschheit je entwickelte. Leute streben danach, sie leben dafür, sie sterben dafür, sie töten - es ist ein größerer Rausch als von Alkohol, Drogen, Schokolade. Die sind nicht natürlich."

Liebe, Sex und der natürliche Rausch

Die Liebe und der Rausch aber sind es, der Sex natürlich auch. Die Anthropologin, die Tausende Menschen interviewte, Bücher schrieb, Gehirne im Computertomographen beobachtete, um die Liebe und den Rausch zu finden, definiert drei unterschiedliche Systeme im Hirn.
Der Rausch durch Sex.
Der Rausch durch wahnsinnig romantische Liebe.
Der Rausch durch tiefste Zuneigung zu einem Menschen.
Allesamt berauschend:
"Du kannst einen Rausch durch Sex, ohne verliebt zu sein, haben; dann romantische Liebe, wo Du dich auf die eine Person und den Rausch konzentrierst; und dann die tiefe Zuneigung, die Phase, als Team Nachwuchs zu zeugen, der dritte Rausch."
Ein Rausch, der ein Leben lang andauern kann. Die Leute sagen, diese wild verliebte, rauschhafte Phase, sie gehe vorbei. Kann sein, muss aber nicht, sagt die Anthropologin. Wer den richtigen Menschen im Leben finde, der könne den Dauerrausch konservieren. Mehr noch: Sie hat 100 Paare, die behaupteten, auch nach über 20 Jahre Ehe wildverliebt zu sein, in einen Computertomografen gesteckt.
"Und siehe da, wir fanden Aktivitäten in der Gehirngegend, wie sonst nur bei Jungverliebten. Da, wo das Dopamin entsteht, da wo der Rausch sitzt."

Hirnaktivitäten wie bei Jungverliebten

Helen Fisher, 73, selbst noch immer wildverliebt. Liebe – eine Sucht! "Klar", sagt sie, "eine gute". Eine teure, eine aufwändige, aber romantische Liebe sei der Rausch der Räusche!
Wie aber konservieren, was so berauschend ist. Der Sex. Die Lust. Die tiefe Liebe. Ihre persönliches Rezept: "Guck über die Schwächen des anderen hinweg und konzentriere Dich aufs Positive!"
Sie stutzt für einen klitzekleinen Augenblick und dann prustet die Rauschexpertin los.
"Schwierig manchmal", sagt sie. Aber es lohne sich. Wie Sex übrigens auch. Jede Berührung beim Sex schütte Dopamin aus, daraus kann tiefe romantische Liebe entstehen. Und dann erst der Orgasmus. Die Frau ist wirklich berauscht vom Rausch.
Sex sei niemals beiläufig. Sagt sie. Der natürlich Rausch ebenso wenig. Den sucht sie, und dass, sagt die Anthropologin, sei auch der Grund gewesen, sich beruflich dem Rausch von Liebe und Sex zu verschreiben.
Sie sei stets überzeugt gewesen – den natürlichen Rausch, den tragen wir alle im Kopf.
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