Anti-Sarrazin-Kunst wird zum Flop

Von Claudia Wheeler |
Der tschechische Künstler Martin Zet wollte möglichst viele Exemplare von Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" einsammeln, daraus eine Installation machen und die Bücher am Ende der Berlin Biennale recyceln. Doch aus dem Plan wird nichts: Statt 60.000 Büchern bekam der Künstler nur vier.
Martin Zet steht etwas unglücklich in seinem Ausstellungsraum in den Berliner Kunstwerken. Man hat ihm für seine Installation ein kleines Büro leergeräumt: vielleicht sechs Quadratmeter groß, weiß getünchte Wände, auf einer Seite zwei Nischen. In einer der Nischen sind vier Sarrazin-Bücher hinter einer rostigen Eisenstange in die Ecke geklemmt. Auf der gegenüberliegenden Seite zeigt ein kleiner Bildschirm den Künstler, der in einer Endlosschleife immer wieder den einen Satz sagt:

"I don't want to be reduced to majority."

60.000 Bücher wollte Martin Zet einsammeln - bekommen hat er vier.

Martin Zet: "Um ehrlich zu sein, ich hatte keine genaue Vorstellung davon, was ich tatsächlich machen wollte. Und letztendlich ist doch der Aufruf viel interessanter als die eigentliche Installation. Es ging nicht wirklich um eine bestimmte Anzahl von Büchern, die ich haben wollte. Mir ging es darum, eine Diskussion in Gang zu setzen. Denn sonst wäre so ein Aufruf ja sinnlos."

Und kaum war der Aufruf in der Welt, ging die Diskussion auch schon los. Vor allem die Ankündigung, das Buch "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin am Ende der Berlin Biennale zu recyceln, löste heftige Kritik aus. Von "Bücherverbrennung" war die Rede, von "Vernichtung unliebsamer Inhalte", einem "Hinrichtungssymbol", das sich gegen den Autor des Buches richte.

Martin Zet: "Mit recyceln meinte ich, dass ich diesem Buch eine andere Verwendung geben wollte. Es wird Kern einer Installation, also verändert es sich: Es funktioniert nicht mehr als Buch, sondern nur noch als Symbol. Ich wollte klarmachen, dass dieses Buch am Ende der Ausstellung nicht mehr als solches benutzt werden kann. Darum habe ich das Wort recyceln verwendet."

Martin Zet hat schon einige Kunstaktionen mit Büchern gemacht. Er hat Treppenhäuser und Fußböden damit ausgelegt. Immer ging es ihm darum, die Veränderung des Mediums Buch zu thematisieren.

Martin Zet: "Am Anfang habe ich nicht darauf geachtet, welche Bücher ich nehme, es ging um das Buch an sich. Aber als ich anfing, mich wirklich auf den Inhalt zu konzentrieren und ganz bestimmte Bücher auszuwählen, da bekam ich auf einmal Probleme. Und das ist interessant: Solange es nur um die Form ging, hat sich niemand daran gestoßen. Aber als es um den Inhalt ging, da wurde es problematisch."

Martin Zet war also auf Kritik vorbereitet – nur die heftigen Worte, die Parallelen, die gezogen wurden zur Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten, – das hat ihn dann doch irritiert. Die Debatte ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Martin Zet hat sie dokumentiert, hat seine Gedanken notiert, Erklärungen vorbereitet, Interviews geführt. Da wundert es schon, dass nichts davon in der Ausstellung zu sehen ist. Denn hätte er die Diskussion auf der Berlin Biennale nicht weiterführen sollen, ja müssen? Ist sie nicht schon längst Teil der ganzen Kunstaktion geworden?

Martin Zet: "In welchem Zusammenhang zeige ich meine Arbeit: Die Biennale ist ein Kunst-Event, wo sehr viele Künstler ausstellen. Die Leute bewegen sich an so einem Ort eher wie Touristen, die nicht lange bei einem Kunstwerk bleiben. Da kann man nur schwer komplexe Zusammenhänge zeigen. Und so habe ich meine Installation auf ein absolutes Minimum reduziert. Natürlich habe ich daran gedacht, meine persönliche Auseinandersetzung mit dem ganzen Thema hier zu zeigen, aber das war mir dann doch zu intim. Das gehört nicht in das Umfeld der Biennale."

Also Rückzug statt Offensive. Damit vergibt Martin Zet eine Chance, gerade auf dieser Biennale, die sich das Publikum nicht nur als Zuschauer, sondern auch als Akteur wünscht. Was von der umstrittenen Aktion "Deutschland schafft es ab" bleibt, ist ein weiß getünchter Raum mit vier Sarrazin-Büchern, die fast verschämt in eine Ecke geklemmt sind.

Martin Zet: "Ich arbeite mit der Abwesenheit. Mir gefällt die Idee, dass die Leute hierherkommen und sagen: Also, ich habe gedacht, dass er die Biennale als Plattform nutzt, aber das tut er nicht. Warum macht er das nicht? Sie spekulieren vielleicht darüber, was ich denke und was ich hier alles hätte machen können. Und so entsteht etwas in ihren Köpfen. Das ist doch gar nicht so schlecht?"

Mit dieser faden Erklärung geht der Künstler der Diskussion aus dem Weg, die er selber angestoßen hat. Von der Teilnahme an einer Biennale, die explizit das Politische in der Kunst sucht, kann man mehr erwarten.

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