Antike in 3D

Von Christoph Kersting |
Der Arbeitsplatz des mobilen Roboters "Irma3D" ist die Grabungsstätte in Ostia Antica, der Hafenstadt des antiken Rom. Mit dem Laserscanner will ein Forscherteam antike Gebäude effizient miteinander vergleichen.
Laserscanner haben auch in der Archäologie inzwischen einen festen Platz. Mit der Technik vermessen Forscher ihre Ausgrabungsstätten und erstellen aus den Daten dreidimensionale Modelle. Es geht dabei vor allem darum, antike Gebäude miteinander zu vergleichen: Wo gibt es etwa Gemeinsamkeiten in der Architektur und Nutzung der Häuser? Bislang war das digitale Erfassen per Laserscanner eine ziemlich zeitaufwendige Angelegenheit, weil die Scanner per Hand von A nach B getragen werden müssen, um ihre Aufnahmen zu machen. Erst mals hat deshalb ein deutsch-österreichisches Forscherteam einen mobilen Roboter in Ostia Antica unweit von Rom eingesetzt, der die Datensammlung wesentlich schneller erledigt.

"Irma3D": Schon allein der Name erinnert irgendwie an die kultigen Blechkameraden aus der "Star Wars"-Saga, und auch äußerlich würde der dreirädrige Roboter durchaus als Schwester von R2D2 durchgehen. Irma 3D muss sich allerdings nicht in den Weiten des Alls beim Kampf Gut gegen Böse bewähren – der Arbeitsplatz des mobilen Roboters ist die Grabungsstätte in Ostia Antica, der Hafenstadt des antiken Rom.

"Jetzt habe ich den Roboter erst mal angestellt, damit er Strom hat, und im nächsten Schritt muss ich das Programm zur Kontrolle des Roboters starten."

Dorit Borrmann hockt vor dem Roboter, macht Irma über einen angeschlossenen Laptop startklar. Die Informatikerin von der Bremer Jacobs University hat den Roboter mitentwickelt und kontrolliert, ob ihr elektronischer Zögling alles richtig macht. Der zieht nun seine Bahnen durch das Grabungsgelände von Ostia Antica - zunächst durch kniehohes Gras, vorbei an den Grundmauern antiker Bauten, und schließlich durch einen Eingang ins Innere eines Gebäudes: ein sogenanntes Gartenhaus aus der Hadrianszeit, dem 2. Jahrhundert nach Christi Geburt. Irma bleibt in jedem der Räume stehen, lässt den in einem Zylinder verbauten Laserscanner einmal um die eigene Achse drehen - und weiter geht es über antike Bodenmosaike vorbei an Wandmalereien und Säulen zum nächsten Raum. Die Szene hat Dorit Borrmann in Italien per Video mitgeschnitten und – wieder zurück aus Rom – präsentiert die Forscherin die Aufnahmen ihren Kollegen:

"Das ist der Laserscanner, und wenn man ihn startet, dann dreht er sich einmal um 360 Grad und schickt dabei Lichtstrahlen in alle Richtungen aus. Dann wartet er, bis die Lichtstrahlen von irgendwo reflektiert werden und wieder zurückkommen. Die Zeit wird gemessen, und dadurch weiß er, in welcher Entfernung sich ein Objekt befindet. Und so bekommt man ein komplettes 3D-Modell der Umgebung. Was wir in Ostia noch brauchten, weil die Archäologen stark an Wandmalereien interessiert waren, ist eine Spiegelreflexkamera auf dem Laserscanner drauf. Und es werden so zusätzlich noch neun Fotos gemacht an jeder Position, sodass wir dann komplett auch die Farbinformationen haben."

Diese Fotos werden später auf das 3D-Modell des Laserscannners projeziert, sodass eine Art naturgetreuer, dreidimensionaler Film entsteht, erklärt Projektleiter Andreas Nuechter:

"Das sind dann sogenannte virtuelle Welten, das muss man sich so vorstellen, dass das Ergebnis dann in etwa so aussieht wie einem typischen 'Ego-Shooter', wie die Umgebungen, die man dort vorfindet."

Der wesentliche Vorteil der Technik: Der mobile Roboter sammelt die für ein animiertes 3D-Modell notwendigen Daten wesentlich schneller als bislang möglich. In Ostia etwa hatte Irma nach fünf Tagen den gesamten antiken Gartenhauskomplex digital erfasst, normalerweise hätten die österreichischen Archäologen hierfür drei Wochen benötigt, ein entscheidender Faktor.

"Weil die Aufnahmezeit vor Ort immer kritisch ist, das kostet immer viel Geld, wenn man viele Archäologen im Feld hat, und das kann halt dadurch reduziert werden. Und für archäologische Ausgrabungsstätten ist es nicht besonders gut, wenn da sehr viele Menschen sehr lange rumlaufen."

Irma mache ihre Sache schon gut, auch wenn die Technik hier und da noch nicht ganz ausgereift sei, sagt Dorit Borrmann. Seine genaue Position berechnet der fahrbare Roboter zum Beispiel über die Anzahl der Radumdrehungen – was Probleme bereitet, wenn etwa zu wenig Luft in den Reifen ist und sich dadurch die Umdrehungen leicht verändern. Darum ist Irma bislang nicht autonom unterwegs, sondern arbeitet ferngesteuert.

"Zum Beispiel in Ostia konnten wir nicht riskieren, dass sie irgendwann einfach aus Versehen vor die Wand fährt. Unser großer Traum ist, dass wir diesen Roboter irgendwann einmal in eine unbekannte Umgebung schicken und ihn einfach anschalten, und danach kommt er dann wieder mit sämtlichen Daten, die man braucht."

Aber auch so lieferte Irma schon bei ihrem ersten archäologischen Einsatz wertvolle Erkenntnisse für die Wissenschaft: Beim Vergleich der 3D-Modelle fanden die Archäologen heraus, dass die antiken Gartenhäuser nicht nach individuellen Plänen errichtet wurden, sondern quasi von einem Bauträger in Massenbauweise – ein Befund, den auch die Wiener Archäologen nicht unbedingt erwartet hatten. In Ostia Antica jedenfalls gibt es noch viel zu tun für Roboter Irma3D.

"Die Archäologen planen tatsächlich auch das komplette Gebiet zu vermessen, und da hätten wir natürlich großes Interesse mitzuarbeiten wieder."

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