Jaroslav Hašek: "Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg"
Übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort von Antonín Brousek
Mit einem Essay von Jaroslav Rudiš
Reclam Verlag, Ditzingen 2014
1008 Seiten, 29,95 Euro
Humor als Mittel des Überlebens
90 Jahre lang mussten deutschsprachige Leser Jaroslav Hašeks Sprachwitz durch den Filter einer einzigen Übersetzung lesen. Die Zeitlosigkeit dieses besonderen Antikriegsromans unterstreicht nun eine Neuübersetzung.
"Also nach dem Krieg um sechs Uhr abends." Das Wiedersehen zwischen Josef Švejk und seinem Kameraden Vodička soll in unbestimmter Zukunft stattfinden. Der Ort aber steht schon mal fest: Treffpunkt ist der "Kelch", eine Prager Kneipe, die "Großpopowitzer Bier" ausschenkt und in der der Roman rund 470 Seiten zuvor seinen Anfang genommen hat.
Die Ermordung des Habsburger Thronfolgers im Sommer 1914 hat Švejks gemütliche Wirtshausexistenz beendet. Eine Unterhaltung beim Bier führt zur Verhaftung wegen Hochverrats, und nach der Einberufung folgen wir Švejk auf seinem Weg zur Front durch halb Mitteleuropa bis nach Galizien.
Haarsträubende Geschichten begleiten ihn auf seinen Stationen als sogenannter "Putzfleck" und Ordonnanz des 91. Infanterieregiments. Hatte er früher mit gutem Gewinn die Stammbäume von Mischlings-Hunden frisiert, kümmert er sich nun um überforderte Vorgesetzte, übernimmt absurde Telefondienste oder gerät als Quartiermacher auf Irrwege.
Autor und Werk untrennbar verbunden
Im "Kelch" wird Švejk nicht wieder eintreffen. Der Roman bleibt ein Fragment. Jaroslav Hašek starb bei der Niederschrift des Buches im Alter von 39 Jahren an Herzversagen und den Folgen des Alkoholismus. Autor und Werk sind, das unterstreicht das kundige Nachwort des Übersetzers Antonín Brousek, untrennbar miteinander verbunden.
Geschrieben bzw. diktiert hat Hašek zuletzt in einem Wirtshaus. Aus diesem Milieu stammen auch die zahllosen Anekdoten, die er seinem Helden und den anderen Figuren in den Mund legte. Hašek, der den Krieg selbst erlebt hatte, schätzte Volkes Stimme. Ihn, nicht Švejk, meint man in Partien wie dieser zu vernehmen:
"Die Menschen gingen in ganz Europa wie Vieh ins Schlachthaus, wohin sie geführt wurden von ihren Metzgern, den Kaisern, Königen und anderen Potentaten und Heerführern und zugleich von Priestern aller Konfessionen, welche sie segneten und sie falsch schwören ließen, daß zu Lande, zu Wasser und in der Luft usw. ..."
Absurdität entlarvt
Humor ist angesichts der Monstrosität des Kriegs ein Mittel des Überlebens. Als "weiser Narr" personifiziert Josef Švejk Witz und Widerständigkeit. Schon deswegen ist er für die Tschechen bis heute mehr als eine literarische Figur. Allen Mißgeschicken zum Trotz bleibt er allzeit freundlich und versucht übereifrig, seine Pflichten zu erfüllen. Genau das aber entlarvt deren Absurdität.
Das Wort "Švejkováni" ist im Tschechischen verankert als Begriff für diese spezielle Mischung aus arbeitsscheuem Schlawinertum und befreiendem Witz. Jaroslav Rudiṧ erzählt in seinem lesenswerten Nachwort "Zum Švejk: Eine Pilgerreise böhmischer Art" exemplarisch vom eigenen Vater, der das Buch bis heute als Bibelersatz auf dem Nachttisch liegen hat. Tagtäglich, vor allem nach dem Wirtshausbesuch, wird darin wie zum Trost gelesen.
Das deutschsprachige Lesepublikum hat diesen besonderen Sprachwitz 90 Jahre lang durch den Filter einer einzigen Übersetzung gelesen. Sie stammt von Grete Reiner, einer Prager Deutschen, die Švejks Subversionen in ein so genanntes "Böhmakeln" übertragen hatte – ein fehlerhaft gesprochenes Deutsch mit stark böhmischem Akzent, das niedlich, aber eben auch verniedlichend wirkt wie ein k.u.k.-Komödienstadel; Kurt Tucholsky fand die Übersetzung "unmöglich".
Bislang manche Sätze ausgelassen
Antonin Brousek gibt in seiner exzellenten Neuübersetzung den Figuren ihre sprachliche Würde wieder und unterstreicht zugleich die Zeitlosigkeit dieses besonderen Antikriegsromans. Das im Original fehlerfreie Umgangstschechisch, das sich bis heute stark vom Schrifttschechisch unterscheidet, übersetzt er in ein ebenso korrektes, modernes und flüssiges Deutsch und verzichtet auf heute unverständliche Austriazismen.
Brousek überträgt den Roman ungeglättet. Grete Reiner hatte zudem manche Sätze ausgelassen, etwa jene über die Deutschen, diese "Drecksäcke, wie sonst keine auf der Welt". Im Original sind es nämlich die aufgeblasenen deutschsprachigen Vorgesetzten, die Tschechisch fehlerhaft und mit hässlichem Akzent sprechen und damit der Lächerlichkeit preisgegeben werden.