Kulturredakteur Hartwig Vens sagte im "Kompressor"-Gespräch:
"Campino hat ein kluges und treffendes Statement abgegeben, aber es ist ein Rätsel, warum von den anderen Nominierten - wie Beatsteaks, Kraftklub, Deichkind, Fünf Sterne Deluxe, Casper, Feine Sahne Fischfilet, Tocotronic - niemand den Mund aufmacht." Der Bundesverband Musikindustrie als Echo-Veranstalter verweigere die Verantwortung - man sei ein Wirtschaftsverband -, so Hartwig Vens weiter. So mache man sich zum Gehilfen.
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Campino kritisiert, Helene Fischer schweigt
Die Ansprache des Sängers Campino wurde bei der Echo-Preisverleihung zum wichtigsten Thema des Abends. Er kritisierte die Preisträger Kollegah und Farid Bang für ihre umstrittenen Texte - und erntete deren Widerspruch. Unser Musikkritiker Martin Böttcher war dabei.
Schon vor der Echo-Preisverleihung der deutschen Musikindustrie hatte es heftige Diskussionen gegeben. Das in den Kategorien "Album des Jahres" und "Hip-Hop/Urban National" nominierte Rap-Duo Kollegah und Farid Bang war für eine Textzeile aus ihrem Song "0815" wegen angeblichem Antisemitismus und Sexismus in die Kritik geraten.
Campino rügt umstrittene Texte
Der Streit wurde auch zum wichtigsten Thema der Preisverleihung, sagte unser Musikkritiker Martin Böttcher im Deutschlandfunk Kultur. Der Leadsänger der Band Tote Hosen, Campino, hatte die umstrittenen Texte zum Anlass genommen, seine Musikerkollegen zu kritisieren. "Im Prinzip halte ich Provokation für gut und richtig", sagte Campino. "Aber man muss unterscheiden zwischen dieser Art als Stilmittel oder einer Form von Provokation, die nur dazu da ist, um zu zerstören und andere auszugrenzen." Für ihn persönlich sei diese Grenze überschritten.
Widerspruch von Kollegah
Campino bekam viel Applaus aus dem Publikum, aber auch Buhrufe aus der Hip-Hop-Ecke, sagte Böttcher. Nach der Auszeichnung der beiden umstrittenen Rapper habe Kollegah sich zu diesem Vorwurf geäußert und kritisiert, dass sich Campino als moralische Instanz aufspiele und seine Musikerkollegen an den Pranger stelle. Das sei relativ stillos und gehöre sich nicht für einen so großen Musiker wie Campino, sagte Kollegah und erntete aus dem Publikum heftige Buhrufe.
Helene Fischer schweigt
"Man hatte so das Gefühl, Campino hat vielen aus dem Herzen gesprochen und hat eben das thematisiert, was der Echo selber als Veranstaltung nicht in der Lage war im Vorfeld zu klären", sagte Böttcher. Allerdings hätten die anderen Musiker Campino mit seiner Kritik ziemlich alleine gelassen. Es habe sich niemand sonst zu dem Thema geäußert. Der Musikkritiker vermisste vor allem, dass Helene Fischer kein Wort verlor, die eine Künstlerin mit besonderer Strahlkraft sei. "Was hätte so ein Halbsatz von ihr, einfach mal zu so einem Thema, was hätte er eventuell auslösen können?"
Kommerzielle Veranstaltung ohne Inhalte
Böttcher kritisierte die Echo-Verleihung zudem als rein kommerzielle Veranstaltung der Musikindustrie. Es werde eben nur Musik ausgezeichnet, die sich viel verkauft habe, aber um Inhalte gehe es nicht. "Die Veranstaltung in dieser Form braucht meiner Ansicht nach niemand mehr", sagte Böttcher. "Gesellschaftliche Debatten können da offenbar nicht geführt werden." Die Preisträger könne man sich vorher ausrechnen.