Antisemitismus

Jüdische Sportler im Visier der Gewalt

06:25 Minuten
Polizeischutz beim Basketballspiel zwischen ALBA Berlin und Maccabi Playtika Tel Aviv.
Bei den Spielen von jüdischen Sportclubs in Deutschland ist Polizeischutz mittlerweile eher Standard. © IMAGO / Eibner / Ryan Sleiman
Von Stefan Osterhaus |
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Seit dem 7. Oktober 2023, als die Hamas Israel überfiel, hat sich die Situation für jüdische Sportclubs in Deutschland verschärft. Feindseligkeiten werden offen ausgetragen. Im November kam es bei einem Jugendspiel in Berlin-Neukölln zu Angriffen.
Die Julius-Hirsch-Sportanlage im Berliner Westen. Hier trägt der Sportklub Makkabi Berlin seine Heimspiele aus. Makkabi empfängt in der Oberliga den Spitzenreiter Lichtenberg. Rund 200 Zuschauerinnen und Zuschauer sind gekommen.
Die Gastgeber gehen als Außenseiter ins Spiel, sie beklagen viele Verletzte, aber es läuft viel besser als erwartet. Makkabi führt in der ersten Halbzeit mit 2:0.
„Ich bin sprachlos, was selten der Fall ist. Ich bin zufrieden. Ich denke, jetzt können wir ganz getrost langsam auf ein Unentschieden hinarbeiten. Also, ich bin mit einer Erwartungshaltung einer Klatsche hergekommen. Aber Erfolg ist auch ein bisschen Glück, das scheint gerade bei uns zu sein", sagt Ilja. Und er behält recht mit seiner Prognose. Am Ende steht es 2:2.

Spiele nur noch unter Beobachtung der Polizei

Ilja ist seit vielen Jahren ehrenamtlich für Makkabi tätig. Seinen vollständigen Namen möchte er aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
Seine Vorsicht hat einen Grund. Seit dem 7. Oktober 2023, als die Hamas Israel überfiel, hat sich die Situation für die jüdischen Sportklubs in Deutschland verschärft. Feindseligkeiten werden offen ausgetragen. Anfang November kam es bei einem Jugendspiel in Berlin-Neukölln zu Angriffen auf die jungen Fußballer. Am Wochenende darauf standen sämtliche Makkabi-Spiele unter Beobachtung der Polizei.
Auch sonst sehen sich die Klubs gezwungen, Vorsorge zu treffen. Wer auf die Homepage von Makkabi geht, der findet aus Sicherheitsgründen keine Angaben zu den Personen, die sich im Vorstand befinden.
Dabei war es im letzten Jahr noch ganz anders, als Makkabi sich erstmals für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals qualifizieren konnte und den VfL Wolfsburg empfing, sagt Ilja:
„Ja, leider haben sich die Zeiten geändert. Vor einem Jahr noch zum Spiel gegen Wolfsburg, haben sich viele über das historische Ereignis gewundert und es hochgeschrieben. Und ich habe damals schon gesagt: ‚Nach 750 Jahren Juden in Deutschland wurde es auch langsam Zeit.‘ Es scheint mir im Rückblick eine andere Welt."

Mannschaftswagen mit acht Einsatzkräften begleiten die Spiele

Eine andere Welt. Dies zeigt sich auch an den Sicherheitsmaßnahmen auf dem Vereinsgelände. Auch an diesem Tag wird das Spiel von einem Mannschaftswagen der Polizei mit acht Einsatzkräften begleitet.
Die Situation sei beklemmend, sagt Philipp Peyman Engel. Er ist der Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“ und war früher selbst begeisterter Freizeitfußballer. Im letzten Jahr seien die Anfeindungen massiver geworden, aber es habe sie auch früher schon gegeben. Das hat Engel selbst vor Jahren erlebt, als er noch für Makkabi spielte. Es gab damals sogar massive körperliche Bedrohungen. Es sei so gewesen:

…dass unsere Gegner und deren Fans vor allem auch durchgedreht sind, zum Beispiel bei dem Neuköllner Team. Sie sind aufs Feld gelaufen und sagten: ‚Wir stechen euch ab, ihr Scheißjuden, fangt schon mal an, euer Grab zu schaufeln.' Ein Auswechselspieler hatte, glaube ich, die Flasche abgehauen und stand dann eben mit dieser Flasche da, weswegen wir in die Kabine rennen mussten. Polizei wurde gerufen. Das erzählt, glaube ich bis heute, die Massivität dieses Problems. Es wäre schlimm genug, wenn es nur verbal wäre. Aber es ist massiv körperlich, wie eben meine Makkabi-Karriere zeigt, nicht erst seit dem 7. Oktober.

Mayer macht radikale Islamisten als Problem aus

Seit dem Überfall der Hamas hätten die Anfeindungen eine neue Qualität, sagt Engel, und das bestätigt auch Alon Meyer, der Präsident von Makkabi Deutschland. Er vertritt 6.700 Mitglieder, die in 40 Makkabi-Klubs Sport treiben. Heikel seien vor allem Begegnungen gegen Teams mit vielen Spielern arabischer Herkunft.
Alon Mayer sagt, „dass eigentlich alle Angriffe, alle Übergriffe, alle antisemitischen Vorfälle, die wir erleben, von Menschen mit muslimisch-arabischem Hintergrund stammen. Wobei ich hier ganz klar unterscheiden möchte: Das sind nicht die Moslems in Deutschland, und das sind nicht die Araber in Deutschland, sondern unter den Moslems und Arabern sind es die Fundamentalisten, Islamisten, die Radikalen, die paar wenigen, die einfach nur so laut und aggressiv werden und damit Unruhe stiften, Unsicherheit stiften, Angst verbreiten."
Der Präsident von Makkabi Deutschland fügt an: "Wir haben Menschen hier, die nicht nur latenten Antisemitismus haben, sondern hier geht es um Menschen, die uns absolut den Tod wünschen, auslöschen wollen."

Makkabi-Klubs sind offene Vereine

Dabei sind Makkabi-Klubs offene Vereine, jeder kann sich dort anmelden, Herkunft und Religionszugehörigkeit spielen keine Rolle. In der ersten Fußball-Mannschaft der Berliner ist nur ein einziger jüdischer Spieler. Und auch in den anderen Klubs sei es ähnlich, sagt Alon Meyer:

„Bei uns sind streng religiöse Muslims, die fünfmal am Tag beten. Sie ziehen sich einfach das Makkabi-Trikot über, weil sie unsere Trainingseinheiten gut finden, weil Freunde von ihnen vielleicht bei uns spielen, weil sie sich in ihrer Clique wohlfühlen und deswegen bereit sind, bei Makkabi zu trainieren, oder vielleicht einfach nur weil die Trainingsstätte bei denen um die Ecke ist und sie nicht so lange anreisen wollen. Was vollkommen verständlich ist. Das sind alles Gründe, warum man sich vielleicht auch bei Makkabi anschließt, so wie bei jedem anderen Verein auch. Warum nicht? Und sie haben Angst und Bange um Leib und Leben, nur weil sie als jüdisch gelesen werden, also dieses Trikot überhaben, weil das jemand anderem nicht gefällt."

Die Berliner Fußballer sind in der Krise näher zusammengerückt. Das ist eine positive Erfahrung und sportlich sicher kein Nachteil. Und doch würden sie gerne darauf verzichten.

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