"Klaviatur des Hasses. Antisemitismus in der Musik"
herausgegeben von Maria Kanitz und Lukas Geck
Nomos Verlag, Baden-Baden 2022
301 Seiten, 64 Euro
Antisemitismus im Techno
Auch in der elektronischen Musik gibt es Antisemitismus. © IMAGO / Design Pics / IMAGO / unknown
Tracktitel: "Gaskammer"
08:00 Minuten
Antisemitismus gibt es im deutschen Straßen-Rap ebenso wie in rechter Rock- und Singer-Songwriter-Musik. Doch auch der überwiegend wortlose Techno hat ein Antisemitismusproblem.
Politik und Musik waren schon immer eng verwoben. Auch Genres mit wenig Text haben oft einen politischen Hintergrund. Antisemitische Botschaften lassen sich auch damit verbreiten. Genau dies untersuchen die Autorinnen und Autoren des neuen Aufsatzbandes "Klaviatur des Hasses".
Sympathien für den BDS
Für seinen Beitrag hat sich der Journalist Nicholas Potter mit Antisemitismus im Techno beschäftigt. Bei seinen Recherchen ist er auf provokante Tracktitel wie "Gaskammer", "Auschwitz" und "Holocaust" gestoßen, die auf das Vokabular rund um die Shoah zurückgreifen. Meistens gehe es dabei um Provokation, wie damals auch bei Punk. Subgenres wie Dark Techno erweisen sich dabei als besonders anfällig für eine rechte Ästhetik.
Dabei handle es sich jedoch vor allem um ein Untergrund-Phänomen. Populäre DJs in den großen Clubs spielen solche Stücke eher nicht, sagt Potter. Allerdings stoße man in diesem Umfeld häufig auf Sympathien für die BDS-Kampagne, die einen Totalboykott Israels fordert.
Botschaft mit großen Folgen
Die Kampagne wurde vom Bundestag als antisemitisch eingestuft. Sie "hat eine eindeutig antisemitische Entstehungsgeschichte und auch die Implikationen sind antisemitisch.", erklärt Potter. Die vorwiegend online stattfindende Bewegung lasse sich dabei leicht unterstützen. Dies wiederum spreche viele DJs an, die politische Statements setzen wollen.
Dieses Bedürfnis ist im Techno historisch verankert: "Techno hat eine sehr politische Entstehungsgeschichte. Ich glaube viele DJs und Produzenten wollen heute an diese Wurzeln anknüpfen. Diese Online-Kampagnen wie BDS sind dabei sehr niedrigschwellig. Man teilt ein Hashtag, man kann Aktivismus von zu Hause aus betreiben."
Während es oft als politisches Zeichen gewertet werde, in Ländern mit autoritären Regimen aufzuteten – etwa um sich mit unterdrückten Menschen solidarisch zu zeigen und fortschrittliche Strukturen zu unterstützen –, wird das bei Auftritten in Israel oft gegenteilig interpretiert:
"Da wird ein Auftritt als Unterstützung für eine sehr rechte Politik gedeutet. Ich glaube, die Auswirkung ist auch international. Man sieht, dass es dort, wo BDS stärker agiert, auch zu immer mehr antisemitischen Straftaten kommt. Das ist sehr alarmierend." (hte)