Die AfD drückt sich davor, eine Haltung zu entwickeln
Die AfD hat ihre Entscheidung über den Verbleib des umstrittenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon in der baden-württembergischen Landtagsfraktion vertagt. Damit laviere sie sich mal wieder geschickt aus einer schwierigen Situation, kommentiert Stefan Maas. Mit der Auslagerung des Problems an externe Gutachter drücke sie sich davor, eine Haltung zu dem Thema zu formulieren.
Da ist heute jemand mit einem blauen Auge davongekommen bei der AfD in Baden-Württemberg. Und es ist nicht Wolfgang Gedeon. Jenes Fraktionsmitglied, dass Fraktionschef Jörg Meuten wegen Antisemitismus-Vorwürfen aus der Fraktion werfen lassen wollte. Es ist Meuthen selbst. Der hatte seine persönliche politische Zukunft an den Ausgang der Abstimmung geknüpft. Hatte damit gedroht, selbst die Fraktion zu verlassen, sollte Gedeon nicht gehen müssen. Und hat sich damit kräftig verhoben.
Das haben die Probeabstimmungen gezeigt: die für den Ausschluss notwendigen Stimmen hat er dabei nicht bekommen. Eine Niederlage aber hätte Meuthen, der ja auch CO-Parteichef der Alternative für Deutschland ist, schweren Schaden zugefügt. Nicht nur, dass er danach fraktionslos - also mutterseelenalleine - im Landtag in Stuttgart gehockt hätte, mehr Zuschauer als Gestaltender. Welche Autorität hat ein Bundesvorsitzender, wenn ihn sogar seine Fraktion hängen lässt?
Genug Übung im Herauslavieren
Hätte sie vielleicht im entscheidenden Moment nicht, aber dann nicht aus Überzeugung, sondern nur, um den Parteichef nicht zu demontieren. Müßig darüber zu spekulieren, in letzter Minute hat nun ein Kompromiss nicht unbedingt Meuthens Glaubwürdigkeit, aber seine Fraktionskarriere gerettet. Gedeon lässt seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis September ruhen, ein Gutachten solls richten und die Frage klären, ob seine Äußerungen wirklich antisemitisch waren oder bloß die Grenzen der Meinungsfreiheit bis an deren Ränder ausgenutzt haben. Anschließend will man die Lage neu betrachten.
Damit laviert sich die AfD wieder einmal geschickt aus einer schwierigen Situation. Genug Übung darin hat sie ja. Dieses Mal aber präsentiert sie ein ganz besonderes Kunststückchen. Es wird nicht einfach verharmlost oder sich vom Stil des Gesagten distanziert - vom Inhalt aber nicht, wie das bei Aussagen des thüringischen Landeschefs Björn Höcke war.
Sachsen-Anhalt zeigt Haltung
Dieses Mal wird die Problemlösung gleich ganz ausgelagert. Eine externe "wissenschaftliche" Instanz soll das Urteil fällen, die Fraktionsmitglieder würden es nur noch vollstrecken. Damit drücken sie sich darum, selbst eine Haltung zu diesem Thema zu entwickeln - oder zu formulieren. Doch gerade das sollte man von Mitgliedern eines Parlaments, die gesellschaftlich relevante Themen behandeln, eigentlich erwarten können. Auch auf die Gefahr hin, damit potenzielle Unterstützer vor den Kopf zu stoßen.
Umso bemerkenswerter ist in diesem Zusammenhang, dass sich gerade in Sachsen-Anhalt, einem Landesverband, der mit völkischen Untertönen bei der Landtagswahl im März fast ein Viertel der Stimmen geholt hat, einige Mitglieder der Landtagsfraktion und einige Kreisvorsitzende zusammengetan haben, und in einem Schreiben nun eine klare Abgrenzung von rechtsextremen Kräften fordern. Allein die Kommentare auf Facebook lassen erkennen, dass das nicht allen gefällt und die Unterzeichner politisch ein blaues Auge riskieren. Aber immerhin: Sie zeigen Haltung.