Musikkritikerin attackiert das Festival "Yiddish Summer Weimar"
Die polemische Abrechnung einer Musikkritikerin mit dem "Yiddish Summer" hat Weimar in Unruhe versetzt. Der Festivalleiter Alan Bern profitiere von "humanitären Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg", schrieb die Journalistin Ursula Mielke in der "Thüringer Allgemeinen".
Seit nunmehr 19 Jahren kommen Menschen aus der ganzen Welt beim Yiddish Summer Weimar zusammen. Um jüdische Musik zu spielen, um Jiddisch zu lernen, um Konzerte zu hören. Vor allem aber, um voneinander zu lernen. Auch Dinge über sich selbst zu lernen, meint Alan Bern, der Gründer und Leiter der Yiddish Summer.
"Um bestimmte Verzierungen zu spielen, richtig zu spielen, muss ich eine andere Körperlichkeit und eine andere Emotionalität zulassen. Und da komme ich sehr schnell an die Grenzen, die meine Kultur definiert für mich. Und in der Auseinandersetzung mit einer anderen Musik oder einem anderen Tanz werden diese Grenzen sofort in Frage gestellt. Und wenn Sie wirklich diese Grenze überwinden müssen, dann fangen Sie an, ihre eigene Struktur umzubauen. Also ich sage immer hier: Wir bauen uns um im Yiddish Summer Weimar."
"Um bestimmte Verzierungen zu spielen, richtig zu spielen, muss ich eine andere Körperlichkeit und eine andere Emotionalität zulassen. Und da komme ich sehr schnell an die Grenzen, die meine Kultur definiert für mich. Und in der Auseinandersetzung mit einer anderen Musik oder einem anderen Tanz werden diese Grenzen sofort in Frage gestellt. Und wenn Sie wirklich diese Grenze überwinden müssen, dann fangen Sie an, ihre eigene Struktur umzubauen. Also ich sage immer hier: Wir bauen uns um im Yiddish Summer Weimar."
Auch Verdrängtes käme dabei nach oben, wenn Israelis, Deutsche, Amerikaner, Syrer, Letten, wenn Juden, Christen, Muslime, Atheisten sich über Tage oder Wochen intensiv erlebten.
Vorwurf: Geld sitzt locker
Eröffnet hat das Festival der Kadya Kinderchor: 14 Mädchen zwischen 12 und 19 aus Weimar und Israel. Multi-ethnisch, multi-religiös. Sie sangen Lieder der Hoffnung. Zuvor hatten sie zwei Wochen in Israel miteinander geprobt. Und dann geschah das Unerwartete: Eine versierte Musikkritikerin der "Thüringer Allgemeinen Zeitung", Ursula Mielke, schmähte in einem Artikel den vorgetragenen Wunsch nach Frieden als naiv und lebensfremd. Sie warf dem Festivalleiter Alan Bern vor, den Yiddish Summer nur deshalb in Deutschland und nicht in seiner reichen Heimat USA zu veranstalten, weil hier aus schlechtem Gewissen und angeblichen "humanitären Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg" das Geld für solche Projekte locker säße. Außerdem schrieb Mielke: "Künstlich muss man nichts, aber auch gar nichts am Leben erhalten." Ob sie damit das sehr erfolgreiche Festival oder die jiddische Kultur meinte, blieb offen. Der Adressat, Alan Bern, der die Kritikerin bisher schätzte, kann es noch immer nicht fassen.
"Von Anfang an hier in Weimar wollte ich nur was anbieten, wenn das gewollt wird. Das Letzte, was ich machen möchte, ist, jemandem etwas aufzuzwingen. Und ich bin bereit, Weimar zu verlassen – problemlos! Wenn die Mehrheitsmeinung wirklich ist: 'Wir dulden Allen hier, weil wir das müssen, als eine Art Wiedergutmachung.' Das ist eigentlich eine Beleidigung."
"Ihre Codes lauten Schuld, Geld, Jude"
Das Entsetzen war groß. Johannes Heil schrieb in der "Jüdischen Allgemeinen", dass es Mielke gelungen sei, – Zitat – "binnen weniger Zeilen das gesamte Repertoire modern gewendeter Antisemitismen einzuspielen. Ihre Codes lauten Schuld, Geld, Jude." Der Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen", Johannes Fischer, entschuldigte sich mit glaubhaften berührenden Worten. Dass antisemitische Angriffe von außen kämen, daran sei er gewöhnt, aber von innen habe er sie nicht erwartet. Er versprach Aufklärung und Konsequenzen.
Alan Bern setzt auch auf ein Gespräch mit Ursula Mielke, erhofft Klärung, zögert noch, von Antisemitismus zu sprechen. Aber:
"Die Sprache, die sie benutzt, ist die Sprache der extrem Rechten in Deutschland. Zum Beispiel 'humanitäre Schulden' und solche Sachen. Das kennt man von Höcke und von anderen Menschen dieser Gesinnung."
Bern ist es wichtig zu betonen, dass er sich nicht nur gegen Antisemitismus, sondern auch gegen Schwulen-, Frauen- und Islamfeindlichkeit einsetzt. Deswegen heißt sein Verein ja auch "Other Music Academy". Das jeweils Andere will er sehen und verstehen. Und auch seinen jüdisch-arabisch-deutschen Mädchenchor nimmt er in Schutz gegen den Vorwurf der Naivität:
"Anstatt zu sagen 'Unglaublich, mit welcher Stärke diese jungen Damen immer noch an die Möglichkeit glauben, Frieden miteinander zu haben!' zu sagen: 'Das ist meilenweit entfernt von der Wirklichkeit und das muss irgendeine Show sein!' Das ist keine Show! Man darf genau an solchen Stellen nicht zynisch werden. Wenn man da zynisch ist, dann hat unsere Gesellschaft wahrlich keine Zukunft."
"Anstatt zu sagen 'Unglaublich, mit welcher Stärke diese jungen Damen immer noch an die Möglichkeit glauben, Frieden miteinander zu haben!' zu sagen: 'Das ist meilenweit entfernt von der Wirklichkeit und das muss irgendeine Show sein!' Das ist keine Show! Man darf genau an solchen Stellen nicht zynisch werden. Wenn man da zynisch ist, dann hat unsere Gesellschaft wahrlich keine Zukunft."