Antje Schrupp: "Reproduktive Freiheit"

Feministisch Kinderkriegen, aber wie?

06:17 Minuten

Antje Schrupp

Reproduktive Freiheit. Eine feministische Ethik der FortpflanzungUnrast, Münster 2022

86 Seiten

7,80 Euro

Von Ramona Westhof |
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Egal, wer Kinder unter welchen Umständen bekommt – Antje Schrupp zeigt, es gibt viel zu diskutieren: Darüber, wer Elternteil ist und sein darf, wer über wessen Körper bestimmt oder warum wir uns so schwer damit tun, das Thema nicht mehr durch die Brille des Patriarchats zu sehen.
Die feministische Ethik der Fortpflanzung beginnt mit einer einfachen Feststellung: Alle Menschen werden geboren, aber nur etwa die Hälfte von ihnen kann gebären. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, zieht aber in Wahrheit eine ganze Reihe politischer Implikationen nach sich.
Menschen werden anhand ihrer angenommenen Gebärfähigkeit in Kategorien eingeteilt, „männlich“ und „weiblich“. Die „Menschen ohne Gebärmutter“, wie es im Buch an einigen Stellen heißt, üben in unserer patriarchalen Gesellschaft Macht aus – über die Menschen mit Gebärmutter und ihre Körper;  bestimmen, ob sie schwanger werden dürfen oder schwanger bleiben, ob und mit wem sie ihr Kind aufziehen.

Alternativen zur patriarchalen Moralphilosophie

Schrupps Dekonstruktion der Kategorien „Mann“ und „Frau“ ist nicht nur queerfeministisch – schließlich können beispielsweise auch trans Männer oder nichtbinäre Personen Kinder gebären – sondern sie erleichtert auch das Nachdenken über Alternativen zur „patriarchalen moralphilosophischen Tradition“. Denn die habe sich, so die Autorin, längst auf eine heteronormative Ordnung als einzige Lesart geeinigt.

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Schrupp geht weit zurück in der Geschichte, fragt, wie die patriarchale Ordnung überhaupt erst entstehen konnte. Sie konstatiert, dass die Benachteiligung von Menschen, die schwanger werden können, sich seit etwa 4000 Jahren in Gesetzestexten niederschlägt und bis in die Gegenwart durchzieht. Bis heute scheine es uns etwa völlig normal, dass andere als die schwangere Person über das Ende oder die Fortführung einer Schwangerschaft bestimmten.
An einigen Beispielen zeigt sie, dass Frauen auch in Deutschland gegen ihren Wunsch medizinische Behandlungen vorenthalten werden können, weil sie schwanger sind. Selbst wenn sie beteuern, die Schwangerschaft ohnehin beenden zu wollen.

"Bezahlte Schwangerschaften"

Schließlich befasst sich Schrupp auch mit vergleichsweise neuen Technologien, wie der In-vitro-Fertilisation, dem Einfrieren eigener Eizellen oder der Leihmutterschaft, für die sie den oft treffenderen Begriff „bezahlte Schwangerschaft“ vorschlägt. 
All das stellt die bisherigen Kategorien von Elternschaft infrage: Wer ist Mutter? Der Mensch, der das Kind zur Welt bringt, der Mensch, aus dessen Eizelle das Kind entsteht, die Ehefrau der gebärenden Person? Schließlich wird auch ein Ehemann automatisch als Vater eingetragen, unabhängig davon, ob er das Kind mitgezeugt hat. Oder sind Eltern die Menschen, die eine bezahlte Schwangerschaft in Auftrag geben?
Und wie ist es zu bewerten, dass Menschen, die gegen Geld ein Kind austragen, Verträge unterzeichnen, die ihnen eine bestimmte Ernährung oder bestimmtes Verhalten vorschreiben – also die Autonomie über ihren eigenen Körper einschränken?
Schrupps Text macht deutlich: Das Thema Kinderkriegen wirft viele ethische Fragen auf. Einige Fragen sind alt, andere so frisch, dass wir uns sie noch gar nicht gestellt haben. Wer das Thema neu denken will, hat einiges zu diskutieren.
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