Mit dem Tod vor Augen geht alles leichter
Jaako ist 37 und Pilzhändler. Von seinem Arzt erfährt er, dass er tödlich vergiftet wurde. Doch ein paar Wochen bleiben ihm noch, um herauszufinden, wer ihn ermordet hat. Ein skurriler und wendungsreicher Krimi mit viel finnischem schwarzen Humor.
"Es war gut, dass Sie uns auch eine Urinprobe gegeben haben" ist ein in seiner Banalität lebensechter erster Satz – und ein in der Verbindung des folgenden Plots bestechender Einstieg in Antti Tuomainens "Die letzten Meter bis zum Friedhof". Denn was auf ihn folgt, ist alles andere als gewöhnlich: Pilzunternehmer Jaako Kaunismaa erfährt von seinem Arzt, dass er vergiftet wird. Seit geraumer Zeit und mit zwangsläufig tödlichem Ausgang. Alle Organe sind schon geschädigt, es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt, aber ihm bleiben höchstens noch einige Wochen.
Nach dieser schockierenden Nachricht macht Jaako, was Ehemänner tun, er fährt nach Hause, um mit seiner Ehefrau zu besprechen, was er machen soll. Aber da wartet die nächste schockierende Überraschung: Er sieht seine Ehefrau Taina nackt auf der Gartenliege beim Sex mit ihrem Fahrer Petri.
Die Konkurrenz oder die Ehefrau - wer war's?
Eines liegt nun nahe: Scheinbar hat Jaako durch die Kochkunst seiner Frau über die Jahre nicht nur 24 Kilogramm zugenommen, sondern wird auch den Tod finden. Schließlich würde sie dann den Pilzhandel erben, den sie und ihr Mann in den vergangenen Jahren in Hamina vor allem mit Japan aufgebaut haben. Die Japaner sind nämlich verrückt nach "Matsutake", einem Pilz, der in den finnischen Wäldern üppig wächst.
Jaako und seine Frau ernten und exportieren ihn. Bislang waren sie damit konkurrenzlos, doch nun hat sich ein zweites Unternehmen in unmittelbarer Nähe aufgebaut, das von drei ziemlich undurchsichtigen Brüdern geführt wird. Den Tod vor den Augen macht Jaako sich auf, sein Unternehmen zu retten – und herauszufinden, ob Taina ihn wirklich lieber ermorden will als ihn zu verlassen.
Selbstfindung im Angesicht des Todes
Aus diesem überschaubaren Plot entwickelt Antti Tuomainen eine herrlich wendungsreiche und erstaunlich actionbehaftete Geschichte voller Skurrilität und Komik. Dabei gelingt es ihm, die Selbstfindung eines 37-jährigen Mannes mit derben Zwischenfällen und lakonischen Sätzen zu verbinden, so dass dieser Roman den oftmals gerühmten "schwarzen Humor" der Finnen enthält, aber niemals allzu dick aufträgt.
Vielmehr entsteht hier der Witz oftmals aus der Spontanität und vor allem der Unaufgeregtheit aller gut gezeichneten Charaktere - zum Beispiel wenn es um Jaakos Büroassistentin geht: "Suvi ist großgewachsen, arbeitet sehr selbständig, ist wortkarg und zuverlässig. Ihre Sorgfalt hat uns einige Male vor dummen Situationen bewahrt. Sie ist 27 Jahre alt, Mutter zweier Kinder und hat eine kaufmännische Lehre absolviert, nach ihr Mann infolge eines Rauschmittelkonsums verstorben war."
Davon könnten sogar die Coen-Brüder lernen
Tuomainen hat es bisher in seinen Büchern immer verstanden, einen eigenständigen Stil zu kreieren, der jeweils zum Sujet und Plot passt, und so folgt auf den poetischen, psychologisch spannenden "Todesschlaf" mit "Die letzten Meter bis zum Friedhof" ein überraschend komischer Roman, den ernste Themen durchziehen, aber niemals dominieren. Vielmehr verleihen das bevorstehende Ableben der Hauptfigur und die damit verbundene Selbstreflexion dem Roman Bodenhaftung und eine Grundierung, die verhindert, dass er in Klamauk abdriftet.
Dabei sind allein eine Verfolgungsszene im Kreisverkehr von Hamina und ein Zwischenfall mit einem Samuraischwert so knochentrocken komisch, dass auch die Coen-Brüder etwas lernen könnten: "Ich verlangsame das Tempo. Beginne die erste Runde. Mit dem Rückspiegel kann ich nicht mehr sehr viel anfangen, da ich begonnen habe, im Kreis zu fahren, gewissermaßen in einer andauernden Kurve." Man ahnt schnell: Das geht nicht gut aus.
Antti Tuomainen: "Die letzten Meter bis zum Friedhof"
Aus dem Finnischen von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2017
320 Seiten, 19,95 EUR