Anwältin: Missbrauchsopfer wollen finanzielle Entschädigung
Nach den Worten der Anwältin Manuela Groll erwarten die von ihr vertretenen Opfer der sexuellen Übergriffe am Berliner Canisius-Kolleg eine finanzielle Entschädigung von dem katholischen Jesuiten-Orden.
Klaus Pokatzky: Gestern hat die Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue einen Zwischenbericht über sexuellen Missbrauch an Schulen des Jesuitenordens vorgelegt. Mindestens 115 Opfer soll es seit den 50er-Jahren geben. Die sexuellen Übergriffe seien nicht nur vereinzelt, sondern systematisch begangen worden, sagte Ursula Raue, die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens. Was über uns hereingebrochen ist, hat eine Dimension, die nicht abzusehen war.
Manuela Liane Groll ist ebenfalls Anwältin, sie vertritt neun Opfer des sexuellen Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg und sie ist nun am Telefon. Guten Tag, Frau Groll!
Manuela Groll: Guten Tag!
Pokatzky: Frau Groll, wie beurteilen Sie den gestern vorgelegten Zwischenbericht?
Groll: Es ist ein Anfang, sage ich mal. Der Zwischenbericht ist nur leider so, dass viele Sachen die drinstehen, also nahezu fast alle vorher ja auch bekannt waren, durch die Schilderung von Betroffenen.
Pokatzky: Sie vertreten neun Mandanten, wie sind die eigentlich an Sie gekommen?
Groll: Ich sage mal so, einer hat sich irgendwann gemeldet, mehr darf ich dazu nicht sagen. Ich glaube es war durch die Berichterstattung motiviert, dass die sich dann direkt an mich wieder gewandt haben.
Pokatzky: Ist diese Berichterstattung nur hilfreich, also bringt Menschen dazu, sich jetzt wieder auseinanderzusetzen mit dieser fürchterlichen Vergangenheit, oder kann sie, eben weil die Vergangenheit so fürchterlich ist, auch belastend sein für die Leute, die sich jetzt bei Ihnen gemeldet haben?
Groll: Zum Anfang war das sicherlich so, dass ganz viele durch die Berichterstattung motiviert worden sind, sich auch zu öffnen. Und Ich glaube, das wird auch so weitergehen, bei meinen Mandanten ist das so, oder bei einzelnen, die ich kenne halt auch, dass die sagen, wir brauchten auch mal eine Ruhepause. Aber im Großen und Ganzen ist die Berichterstattung sicherlich gut, weil wir immer noch Anfragen haben, halt auch aus allen Teilen der Welt, sage ich mal.
Pokatzky: Wie schwer ist es Ihren Mandanten gefallen, sich bei Ihnen zu melden?
Groll: Sehr schwer, also es ist sehr schwer gefallen, es ist auch sehr schwer ihnen gefallen, sich überhaupt damit zu konfrontieren und auch Schilderungen abzugeben.
Pokatzky: Wie lange liegen diese Fälle jetzt zurück, die Sie als Rechtsanwältin übernommen haben?
Groll: Also die, die ich aktuell hier habe, sind eben wirklich die aus den 70er-Jahren.
Pokatzky: Gibt es da so ein bestimmtes Muster von Schicksalen, von denen Sie erfahren haben?
Groll: Also Schicksale von den Taten her, entsprechen bei Pater S. dem, was Frau Raue da gestern auch in der Pressekonferenz gesagt hat, also bezüglich der Schläge. Und bei Pater R. ist auch dasselbe Muster erkennbar.
Pokatzky: Also es ging sozusagen nicht nur um das, was ja jetzt gerne von Manchen auch als Liebkosung und Zärtlichkeit geschildert wird, sondern es ging auch um körperliche Gewalt.
Groll: Es ging um körperliche Gewalt, um körperliche Gewalt, die ein Maß angenommen hat, das als sexueller Missbrauch und, ich sage mal auch vorsichtig, mit sadistischen Tendenzen geprägt war.
Pokatzky: Welche Forderungen stellen Sie, werden Sie stellen, für ihre Mandanten?
Groll: Nach wie vor ist meinen Mandanten ganz, ganz wichtig, dass wirklich alles aufgeklärt wird. Wir haben jetzt diesen Zwischenbericht, der wohlgemerkt ja als Zwischenbericht auch gekennzeichnet wurde. Ich bin nicht ganz zufrieden mit ihm, weil ich denke, da muss noch viel, viel mehr kommen. Da muss einfach wirklich geklärt werden, wo lagen die Verantwortlichkeiten. Ich bin aber guter Hoffnung, dass das ja noch geschehen wird. Das wurde ja angekündigt. Das ist meinen Mandanten das Wichtigste.
Und meine Mandanten sind natürlich auch daran interessiert, jetzt nicht um irgendwo zu sagen, damit werden die Schmerzen weniger, sondern denen reicht eine bloße Entschuldigung des Ordens nicht aus.
Pokatzky: Also auch möglicherweise finanzielle Entschädigung?
Groll: Ja.
Pokatzky: Schmerzensgeld.
Groll: Genau, das ist das, was die gerne hätten, weil sie einfach ja auch, viele sagen, wir sind so lange damit belastet und belastet rumgelaufen, und jetzt ist einfach die Zeit für die strafrechtliche Aufarbeitung leider vorbei, und da sagen sie: Nein, also das würde helfen.
Pokatzky: Aber jetzt aus Ihrer Erfahrung als Rechtsanwältin, können Sie denn mal eine Summe nennen, die jemandem zugesprochen würde, von einem Gericht, dem vor Jahrzehnten dieses passiert ist?
Groll: Ja, das ist immer ein bisschen problematisch, wir haben ja Schmerzensgeldtabellen, da steht das immer drin und das ist eben individuell von dem abhängig: Was ist demjenigen passiert und wie hat er es verkraftet. Das ist eine ganz individuelle Sache. In den Tabellen reicht das von Beträgen von, ich sage mal, je nachdem, was für Handlungen wir haben, von 3000 bis mittlerweile 100.000 Euro. Also das ist eine ganz individuelle Sache.
Pokatzky: Ich spreche mit Manuela Groll, Rechtsanwältin in Berlin und Vertreterin von Opfern des sexuellen Missbrauchs am Canisius-Kolleg.
Frau Groll, die Verjährung der Straftaten ist das eine, die öffentliche Entschuldigung, wie Sie ja jetzt auch sehr deutlich betrieben wird vom jetzigen Leiter des Canisius-Kollegs, von Pater Mertes, ist das etwas, was Ihren Mandanten hilft, vielleicht so ein wenig?
Groll: Also ich glaube, was denen sehr geholfen hat, ist, dass es öffentlich gemacht wurde. Entschuldigen, das ist wirklich schwierig, das ist ein ganz schweres Thema, weil ich denke, für diese Taten, die da begangen worden sind, und die über Jahre ja nicht thematisiert worden sind, gibt es eigentlich keine Entschuldigung.
Pater Mertes ist ja nun auch der, den es gar nicht betrifft, der hat ja mit den Taten an sich gar nichts zu tun. Also entschuldigen müssten sich wenn andere.
Pokatzky: Welche Folgen hatten diese Erfahrung des Missbrauchs - ich weiß, Sie haben Ihr Anwaltsgeheimnis - aber gleichwohl, Sie erkennen ja auch bestimmte Muster möglicherweise, die in Einklang stehen mit dem, was jetzt auch seitens des Jesuitenordens und der Missbrauchsbeauftragten Frau Raue öffentlich bekannt gemacht werden.
Wenn wir überlegen, Menschen, die in den 70er-Jahren dort zur Schule gegangen sind, die jetzt so in den 40ern sind, leiden die wirklich ihr Leben lang darunter, was sie da mitgemacht haben?
Groll: Ich kann das wirklich nur pauschal sagen. Wir haben leider bei diesen Taten keine Verjährung, das heißt, Menschen, die Missbrauch erlebt haben, die leiden eigentlich ihr Leben lang. Der eine mehr, der andere weniger.
Das ist ein Eingriff in ein Kind, eine kindliche Entwicklung, die zu dem Zeitpunkt, wo sie geschieht, ja gerade besonders geschützt ist. Dieses Alter ist ja eine ganz schwierige Sache. Das heißt, dass Sie Missbrauchsschäden eigentlich nie wegbekommen.
Das heißt also, jetzt ohne auf jemanden speziellen abzuzielen, meine Erfahrungen mit Missbrauchsopfern sind, sie haben Probleme mit Nähe und Distanz, sie haben häufig Probleme in der sexuellen Entwicklung. Es geht weiter bis zu ganz schwierigen Auseinandersetzungen mit der eigenen Schuld, also das lässt sich immer nie ganz wegpacken, und es ist egal, ob der Missbrauch 40 Jahre her war, oder ob der Missbrauch fünf Jahre her war.
Das haben wir leider wirklich relativ häufig, auch bei Menschen, die kommen, nachdem die Verjährungsfrist abgelaufen ist, die sagen, jetzt kann ich mich erst öffnen, die haben wir ja auch sehr viele, sage ich mal.
Pokatzky: Aber was das ja fast Einzigartige an diesem Fall ist, ist ja, dass dieses alles sozusagen an einem Ort stattgefunden hat, dass die einzelnen Opfer sich vielleicht untereinander kennen, das gleiche Schicksal geteilt haben. Könnte es ihnen nicht helfen, wenn sie heute gemeinsam darüber reden, vielleicht mit psychologischer Begleitung?
Groll: Die Frage habe ich mir auch gestellt, dass ich jetzt versuche zu sagen, können wir vielleicht noch was anderes machen, also außer rechtlicher Sache, dass man ihnen Foren bietet, wo sie sich treffen können. Darüber muss man nachdenken, manche suchen natürlich therapeutische Hilfe, aber ich glaube, sie haben es ja seinerzeit auch untereinander nicht gesagt, und jetzt sind ja erst so wieder auch Beziehungen entstanden erstaunlicherweise, die es ja jahrelang gar nicht gab.
Und da muss man überlegen, ob da vielleicht irgendwie noch ein Raum geschaffen werden muss, dass die sich wirklich auch mal miteinander unterhalten können.
Pokatzky: Könnte diesen Raum, nicht den Raum vielleicht unbedingt, die katholische Kirche und der Jesuitenorden bieten, aber könnte nicht wenigstens hier von der Kirche erwartet werden, vom Jesuitenorden auch, dass entsprechende finanzielle Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden?
Groll: Das wäre eine sehr gute Idee.
Pokatzky: Frau Groll, am Montag beginnt ja in Freiburg die Vollversammlung der katholischen Bischofskonferenz und ganz oben auf der Tagesordnung steht dort eine Aussprache über die Missbrauchsvorwürfe. Was erwarten Sie von einer solchen Aussprache, welche langfristigen Konsequenzen sollte die katholische Kirche aus diesen Fällen ziehen?
Groll: Also ich glaube, die katholische Kirche sagt ja jetzt, sie versucht das aufzuarbeiten, das finde ich auch ganz gut. Ich denke, die katholische Kirche und überhaupt die Kirche, das möchte ich sagen, weil wir hier auch ganz viele Anfragen haben von anderen Leuten, die möglicherweise durch, der Kirche zugehörige Menschen, geschädigt worden sind. Wir brauchen einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten für Fälle in der Kirche, und damit sollten sie sich mal wirklich auseinandersetzen.
Pokatzky: Einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten?
Groll: Einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten, der alle Möglichkeiten hat, der unabhängig ist, unabhängig vom Orden, und der aber auch die Möglichkeit hat, dann zu gucken, was ist in den einzelnen Fällen tatsächlich passiert.
Pokatzky: Und wo sollte der angesiedelt sein?
Groll: Das müsste man sehen. Wir müssen es mal auf politischer Ebene versuchen zu klären, ich habe da jetzt schon versucht, anzufragen bei den einzelnen Parteien. Aber ich glaube, das müssen wir versuchen, durchzusetzen.
Pokatzky: Das heißt Frau Raue, Ihre Rechtsanwaltskollegin, hilft da nicht und reicht nicht aus?
Groll: Nein, das glaube ich nicht. Also ich möchte jetzt nicht irgendwie was gegen die Kollegin sagen, das kann ich gar nicht, das steht mir auch gar nicht zu. Aber ich glaube, sie ist ja vom Orden eingesetzt und sie wird ja auch vom Orden bezahlt. Und da sehe ich also schon eine Verflechtung, und das ist das Problem, es muss jemand unabhängiges die Sachen klären und das denke ich, das sollte auch eine Forderung sein.
Manuela Liane Groll ist ebenfalls Anwältin, sie vertritt neun Opfer des sexuellen Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg und sie ist nun am Telefon. Guten Tag, Frau Groll!
Manuela Groll: Guten Tag!
Pokatzky: Frau Groll, wie beurteilen Sie den gestern vorgelegten Zwischenbericht?
Groll: Es ist ein Anfang, sage ich mal. Der Zwischenbericht ist nur leider so, dass viele Sachen die drinstehen, also nahezu fast alle vorher ja auch bekannt waren, durch die Schilderung von Betroffenen.
Pokatzky: Sie vertreten neun Mandanten, wie sind die eigentlich an Sie gekommen?
Groll: Ich sage mal so, einer hat sich irgendwann gemeldet, mehr darf ich dazu nicht sagen. Ich glaube es war durch die Berichterstattung motiviert, dass die sich dann direkt an mich wieder gewandt haben.
Pokatzky: Ist diese Berichterstattung nur hilfreich, also bringt Menschen dazu, sich jetzt wieder auseinanderzusetzen mit dieser fürchterlichen Vergangenheit, oder kann sie, eben weil die Vergangenheit so fürchterlich ist, auch belastend sein für die Leute, die sich jetzt bei Ihnen gemeldet haben?
Groll: Zum Anfang war das sicherlich so, dass ganz viele durch die Berichterstattung motiviert worden sind, sich auch zu öffnen. Und Ich glaube, das wird auch so weitergehen, bei meinen Mandanten ist das so, oder bei einzelnen, die ich kenne halt auch, dass die sagen, wir brauchten auch mal eine Ruhepause. Aber im Großen und Ganzen ist die Berichterstattung sicherlich gut, weil wir immer noch Anfragen haben, halt auch aus allen Teilen der Welt, sage ich mal.
Pokatzky: Wie schwer ist es Ihren Mandanten gefallen, sich bei Ihnen zu melden?
Groll: Sehr schwer, also es ist sehr schwer gefallen, es ist auch sehr schwer ihnen gefallen, sich überhaupt damit zu konfrontieren und auch Schilderungen abzugeben.
Pokatzky: Wie lange liegen diese Fälle jetzt zurück, die Sie als Rechtsanwältin übernommen haben?
Groll: Also die, die ich aktuell hier habe, sind eben wirklich die aus den 70er-Jahren.
Pokatzky: Gibt es da so ein bestimmtes Muster von Schicksalen, von denen Sie erfahren haben?
Groll: Also Schicksale von den Taten her, entsprechen bei Pater S. dem, was Frau Raue da gestern auch in der Pressekonferenz gesagt hat, also bezüglich der Schläge. Und bei Pater R. ist auch dasselbe Muster erkennbar.
Pokatzky: Also es ging sozusagen nicht nur um das, was ja jetzt gerne von Manchen auch als Liebkosung und Zärtlichkeit geschildert wird, sondern es ging auch um körperliche Gewalt.
Groll: Es ging um körperliche Gewalt, um körperliche Gewalt, die ein Maß angenommen hat, das als sexueller Missbrauch und, ich sage mal auch vorsichtig, mit sadistischen Tendenzen geprägt war.
Pokatzky: Welche Forderungen stellen Sie, werden Sie stellen, für ihre Mandanten?
Groll: Nach wie vor ist meinen Mandanten ganz, ganz wichtig, dass wirklich alles aufgeklärt wird. Wir haben jetzt diesen Zwischenbericht, der wohlgemerkt ja als Zwischenbericht auch gekennzeichnet wurde. Ich bin nicht ganz zufrieden mit ihm, weil ich denke, da muss noch viel, viel mehr kommen. Da muss einfach wirklich geklärt werden, wo lagen die Verantwortlichkeiten. Ich bin aber guter Hoffnung, dass das ja noch geschehen wird. Das wurde ja angekündigt. Das ist meinen Mandanten das Wichtigste.
Und meine Mandanten sind natürlich auch daran interessiert, jetzt nicht um irgendwo zu sagen, damit werden die Schmerzen weniger, sondern denen reicht eine bloße Entschuldigung des Ordens nicht aus.
Pokatzky: Also auch möglicherweise finanzielle Entschädigung?
Groll: Ja.
Pokatzky: Schmerzensgeld.
Groll: Genau, das ist das, was die gerne hätten, weil sie einfach ja auch, viele sagen, wir sind so lange damit belastet und belastet rumgelaufen, und jetzt ist einfach die Zeit für die strafrechtliche Aufarbeitung leider vorbei, und da sagen sie: Nein, also das würde helfen.
Pokatzky: Aber jetzt aus Ihrer Erfahrung als Rechtsanwältin, können Sie denn mal eine Summe nennen, die jemandem zugesprochen würde, von einem Gericht, dem vor Jahrzehnten dieses passiert ist?
Groll: Ja, das ist immer ein bisschen problematisch, wir haben ja Schmerzensgeldtabellen, da steht das immer drin und das ist eben individuell von dem abhängig: Was ist demjenigen passiert und wie hat er es verkraftet. Das ist eine ganz individuelle Sache. In den Tabellen reicht das von Beträgen von, ich sage mal, je nachdem, was für Handlungen wir haben, von 3000 bis mittlerweile 100.000 Euro. Also das ist eine ganz individuelle Sache.
Pokatzky: Ich spreche mit Manuela Groll, Rechtsanwältin in Berlin und Vertreterin von Opfern des sexuellen Missbrauchs am Canisius-Kolleg.
Frau Groll, die Verjährung der Straftaten ist das eine, die öffentliche Entschuldigung, wie Sie ja jetzt auch sehr deutlich betrieben wird vom jetzigen Leiter des Canisius-Kollegs, von Pater Mertes, ist das etwas, was Ihren Mandanten hilft, vielleicht so ein wenig?
Groll: Also ich glaube, was denen sehr geholfen hat, ist, dass es öffentlich gemacht wurde. Entschuldigen, das ist wirklich schwierig, das ist ein ganz schweres Thema, weil ich denke, für diese Taten, die da begangen worden sind, und die über Jahre ja nicht thematisiert worden sind, gibt es eigentlich keine Entschuldigung.
Pater Mertes ist ja nun auch der, den es gar nicht betrifft, der hat ja mit den Taten an sich gar nichts zu tun. Also entschuldigen müssten sich wenn andere.
Pokatzky: Welche Folgen hatten diese Erfahrung des Missbrauchs - ich weiß, Sie haben Ihr Anwaltsgeheimnis - aber gleichwohl, Sie erkennen ja auch bestimmte Muster möglicherweise, die in Einklang stehen mit dem, was jetzt auch seitens des Jesuitenordens und der Missbrauchsbeauftragten Frau Raue öffentlich bekannt gemacht werden.
Wenn wir überlegen, Menschen, die in den 70er-Jahren dort zur Schule gegangen sind, die jetzt so in den 40ern sind, leiden die wirklich ihr Leben lang darunter, was sie da mitgemacht haben?
Groll: Ich kann das wirklich nur pauschal sagen. Wir haben leider bei diesen Taten keine Verjährung, das heißt, Menschen, die Missbrauch erlebt haben, die leiden eigentlich ihr Leben lang. Der eine mehr, der andere weniger.
Das ist ein Eingriff in ein Kind, eine kindliche Entwicklung, die zu dem Zeitpunkt, wo sie geschieht, ja gerade besonders geschützt ist. Dieses Alter ist ja eine ganz schwierige Sache. Das heißt, dass Sie Missbrauchsschäden eigentlich nie wegbekommen.
Das heißt also, jetzt ohne auf jemanden speziellen abzuzielen, meine Erfahrungen mit Missbrauchsopfern sind, sie haben Probleme mit Nähe und Distanz, sie haben häufig Probleme in der sexuellen Entwicklung. Es geht weiter bis zu ganz schwierigen Auseinandersetzungen mit der eigenen Schuld, also das lässt sich immer nie ganz wegpacken, und es ist egal, ob der Missbrauch 40 Jahre her war, oder ob der Missbrauch fünf Jahre her war.
Das haben wir leider wirklich relativ häufig, auch bei Menschen, die kommen, nachdem die Verjährungsfrist abgelaufen ist, die sagen, jetzt kann ich mich erst öffnen, die haben wir ja auch sehr viele, sage ich mal.
Pokatzky: Aber was das ja fast Einzigartige an diesem Fall ist, ist ja, dass dieses alles sozusagen an einem Ort stattgefunden hat, dass die einzelnen Opfer sich vielleicht untereinander kennen, das gleiche Schicksal geteilt haben. Könnte es ihnen nicht helfen, wenn sie heute gemeinsam darüber reden, vielleicht mit psychologischer Begleitung?
Groll: Die Frage habe ich mir auch gestellt, dass ich jetzt versuche zu sagen, können wir vielleicht noch was anderes machen, also außer rechtlicher Sache, dass man ihnen Foren bietet, wo sie sich treffen können. Darüber muss man nachdenken, manche suchen natürlich therapeutische Hilfe, aber ich glaube, sie haben es ja seinerzeit auch untereinander nicht gesagt, und jetzt sind ja erst so wieder auch Beziehungen entstanden erstaunlicherweise, die es ja jahrelang gar nicht gab.
Und da muss man überlegen, ob da vielleicht irgendwie noch ein Raum geschaffen werden muss, dass die sich wirklich auch mal miteinander unterhalten können.
Pokatzky: Könnte diesen Raum, nicht den Raum vielleicht unbedingt, die katholische Kirche und der Jesuitenorden bieten, aber könnte nicht wenigstens hier von der Kirche erwartet werden, vom Jesuitenorden auch, dass entsprechende finanzielle Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden?
Groll: Das wäre eine sehr gute Idee.
Pokatzky: Frau Groll, am Montag beginnt ja in Freiburg die Vollversammlung der katholischen Bischofskonferenz und ganz oben auf der Tagesordnung steht dort eine Aussprache über die Missbrauchsvorwürfe. Was erwarten Sie von einer solchen Aussprache, welche langfristigen Konsequenzen sollte die katholische Kirche aus diesen Fällen ziehen?
Groll: Also ich glaube, die katholische Kirche sagt ja jetzt, sie versucht das aufzuarbeiten, das finde ich auch ganz gut. Ich denke, die katholische Kirche und überhaupt die Kirche, das möchte ich sagen, weil wir hier auch ganz viele Anfragen haben von anderen Leuten, die möglicherweise durch, der Kirche zugehörige Menschen, geschädigt worden sind. Wir brauchen einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten für Fälle in der Kirche, und damit sollten sie sich mal wirklich auseinandersetzen.
Pokatzky: Einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten?
Groll: Einen staatlichen Missbrauchsbeauftragten, der alle Möglichkeiten hat, der unabhängig ist, unabhängig vom Orden, und der aber auch die Möglichkeit hat, dann zu gucken, was ist in den einzelnen Fällen tatsächlich passiert.
Pokatzky: Und wo sollte der angesiedelt sein?
Groll: Das müsste man sehen. Wir müssen es mal auf politischer Ebene versuchen zu klären, ich habe da jetzt schon versucht, anzufragen bei den einzelnen Parteien. Aber ich glaube, das müssen wir versuchen, durchzusetzen.
Pokatzky: Das heißt Frau Raue, Ihre Rechtsanwaltskollegin, hilft da nicht und reicht nicht aus?
Groll: Nein, das glaube ich nicht. Also ich möchte jetzt nicht irgendwie was gegen die Kollegin sagen, das kann ich gar nicht, das steht mir auch gar nicht zu. Aber ich glaube, sie ist ja vom Orden eingesetzt und sie wird ja auch vom Orden bezahlt. Und da sehe ich also schon eine Verflechtung, und das ist das Problem, es muss jemand unabhängiges die Sachen klären und das denke ich, das sollte auch eine Forderung sein.