Hören Sie zu den Reaktionen zum Diesel-Urteil auch ein Gespräch mit Korrespondentin Nadine Linder aus dem Berliner Hauptstadtstudio.
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"Verbraucher haben einen Schadensersatzanspruch"
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil eines zulässigen Fahrverbotes für Dieselfahrzeuge viele Autobesitzer verunsichert. Der Hamburger Anwalt Jan-Eike Andresen vertritt in einer Sammelklage gegen VW Tausende Betroffene und gibt sich siegessicher.
Der Hamburger Anwalt Jan-Eike Andresen, leitet die Rechtsabteilung von "myRight", ein Unternehmen, das Betroffene gegen den Autokonzern VW vertritt und eine Sammelklage eingereicht hat. Im Erfolgsfall gibt es für die Anwälte eine Provision, die Kanzlei hat demnach ein Interesse daran, die Klage erfolgreich zu führen. So haben die Kläger nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Montag nun aus zwei Gründen bessere Chancen auf Entschädigung, sagt Jan-Eike Andresen im Deutschlandfunk Kultur.
"Wenn wir uns jetzt noch einmal die Entwicklung des Abgasskandals anschauen, dann hieß es doch zu allererst von Volkswagen - ich vereinfache das jetzt mal stark: Ja, wir haben gelogen, aber ein Recht auf Schadensersatz gibt es nicht in Deutschland, denn wir sind ja nicht in Amerika. Und als die Gerichte da Volkswagen nicht gefolgt sind, sie also reihenweise zugunsten der Kunden entschieden haben, die sich getraut haben, Volkswagen zu verklagen auf eigenes Risiko, da hieß es dann auf einmal von Volksagen: Ja, es mag ja sein, dass es auch in Deutschland ein Recht auf Schadensersatz gibt. Aber, Ihr liebe Kunden, Ihr habt doch gar keinen Schaden. Und diese Verteidigung von Volkswagen, die ist mit dem gestrigen Tage natürlich kollabiert, denn ganz offensichtlich ist ein Schaden da. Die Werte der Dieselautos sind in den Keller gerauscht.
Natürlich nicht erst seit gestern. Der Markt nimmt solche Entwicklungen ja immer vorweg. Es ist wie die Börse, der man ja auch nachsagt, sie schaut in die Zukunft. Dem entsprechend sind Dieselautos in Deutschland ja schon lange nicht mehr gut verkäuflich. Gerade die Autos, die vom VW-Abgasskandal betroffen sind. Und dadurch, dass sich jetzt dieser Schaden aber noch einmal ganz ausdrücklich manifestiert hat, wird es natürlich auch für die Menschen einfacher, Schadensersatz zu verlangen."
"Jetzt werden die Menschen wach"
Es sei in diesem Zusammenhang aber noch ein weiterer Aspekt wichtig, sagt Andresen. So habe eine Umfrage, initiiert von "myRight" unter 10.000 Kunden, ergeben: Das größte Hemmnis auf dem Weg zum Recht sei die Unkenntnis der Verbraucher über bestehende Rechte.
"Im Abgasskandal war es so, da hat Volkswagen den ersten Zugriff auf den Kunden gehabt. Da ist der Kunde durch den Konzern selber informiert worden. Und was hat Volkswagen gesagt: Wir haben alles im Griff. Es gibt gar kein Problem. Es gibt ein Software-Update und fertig. Die Politik hat nicht mit klaren Karten gespielt. Sie hat auch so getan, als hätte sie alles im Griff gehabt, und hat den Kunden nicht einmal ausdrücklich darüber belehrt, was seine Rechte sind. Und jetzt werden die Menschen wach und sehen, sie haben einen Schaden und sehen, sie haben Rechte, die sie geltend machen können. Und deshalb, glaube ich, ist es für die Betroffenen des Abgasskandals ein guter Tag gestern gewesen, nämlich ein Signal des Aufbruchs."
Dennoch könne Volkswagen wohl immer noch sagen, es bestehe die Möglichkeit einer Software- und Hardware-Nachrüstung bei den betroffenden Fahrzeugen. Dieses Argument hält Anwalt Jan-Eike Andresen aber "schlichtweg für lächerlich".
"Da wird mit einer rechtswidrigen Schummelhandlung, um sie vielleicht einmal so zu bezeichnen, mit dieser Schummelsoftware das Überleben eines kompletten Weltkonzerns in Frage gestellt. Über Jahre hinweg da wird systematisch und planmäßig agiert. Und dann soll eine kleine Handvoll von Ingenieuren auf einmal in wenigen Wochen im Jahr 2015 das gelingen, was einem Weltkonzern über Jahre nicht geglückt ist, nämlich einen sauberen Motor mit einem Software-Update herzustellen?
Also erstens, da glaube ich in der Sache schon nicht dran, und dann, was viel gravierender ist: VW hat immer gesagt, sie übernehmen keinerlei Garantie für dieses Software-Update, sie übernehmen keine Garantie insbesondere auch für die Langlebigkeit des Motors, Verbrauchswerte usw. Das heißt, bei VW traut man sich nicht einmal mehr, sich rechtsverbindlich hinter diese Update zu stellen. Und das ist für uns doch nur das beste Zeichen, dass das nicht funktionieren kann."
"Menschen haben das Recht, das Auto zurückzugeben"
Zur Zeit gibt es aber noch keine konkreten Fahrverbote in deutschen Städten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht sagt nur, Fahrverbote sind zulässig. Jan-Eike Andresen denkt nicht, dass das ein rechtsrelevantes Argument gegen Autobesitzer sein könnte.
"Die Verbraucher haben einen gesetzlichen Schadenersatzanspruch, der ist im Gesetz verankert § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Und da ist es dann so, nach den Urteilen, die wir bis jetzt haben, dass man sagt, die Typgenehmigung, der Zulassungsakt des jeweiligen Fahrzeuges war nicht ordnungsgemäß, weil Volkswagen mit der sogenannten EG-Typgenehmigung, oder Übereinstimmungsbescheinigung halt erklärt, dass alle Fahrzeuge, die in den Verkehr gebracht werden, ich sage es vereinfacht, mit allen Rechtsnormen übereinstimmen.
Und das war gerade nicht der Fall. Das heißt, bei strenger Gesetzesauslegung müsste eigentlich jeder Käufer dieser Autos damit rechnen, dass sein Auto aus dem Verkehr gezogen wird. Und das ist ja auch übrigens, was wir erleben. Die ersten Zulassungsstellen machen genau das. Und da sagt die Rechtsprechung: Gut, dann muss man den Zustand wieder herstellen, der ohne das schädigende Ereignis, also hier den Betrug, stattgefunden hätte. Und das ist ein Zustand, dass dieses Auto nicht gekauft worden wäre. Und deshalb haben die Menschen das Recht, das Auto zurückzugeben und den Kaufpreis erstattet zu bekommen."
(jde)