Mehmet Daimagüler und Ernst von Münchhausen: "Das rechte Recht. Die deutsche Justiz und ihre Auseinandersetzung mit alten und neuen Nazis"
Verlag Blessing, München 2021
592 Seiten, 26 Euro.
Fehlendes Problembewusstsein bei rechten Straftaten
07:14 Minuten
In vielen Gerichtsverfahren gibt es einen zu nachsichtigen Umgang mit rechten Straftätern und zu milde Urteile, kritisiert Jurist Mehmet Daimagüler. Der Anwalt von NSU-Opfern sieht historische Parallelen zur Weimarer Republik.
Einer Kontinuität in der deutschen Justizgeschichte sind die beiden Autoren Mehmet Daimagüler und Ernst von Münchhausen auf der Spur. Sie haben diesem Thema jetzt das Buch "Das rechte Recht. Die deutsche Justiz und ihre Auseinandersetzung mit alten und neuen Nazis" gewidmet.
Wenn es um Taten von rechts gehe, sei eine andere Haltung zu erkennen als bei Taten von links, schildert der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler seine Beobachtungen. "Das lässt sich schon feststellen."
Deutlich werde das vor allem in einem mangelnden Problembewusstsein: "Aktivitäten von rechts werden als weniger staatsbedrohend und staatszersetzend und damit auch als weniger gefährlich angesehen."
In vielen Gerichtsverfahren gebe es einen nachsichtigeren Umgang mit rechten Straftätern und mildere Urteile. Daimagüler verwies dabei auch auf seine eigenen Erfahrungen als Nebenklagevertreter im NSU-Prozess. Genauso gebe es Beispiele aus der Weimarer Zeit.
Konservatives Milieu
Als Gründe führt Daimagüler an, dass viele Richter selbst eher aus einem konservativen, staatsgläubigen Milieu stammten. "Wir haben es mit Menschen zu tun, die auch schon aus dem Elternhaus mehrheitlich davon ausgehen, dass die Gefahr von links kommt und nicht von rechts."
Schon in der Weimarer Republik sei rechte Demokratiebedrohung nicht als staatsgefährdend angesehen worden. "Das hat dazu geführt, dass man eine erstaunliche Langmut gegenüber der Gefahr von rechtsradikalen und rechtsextremen Akteuren gezeigt hat."
Politik und Justiz
Gesetze seien in Paragrafen gegossene politische Willensentscheidungen, sagt der Rechtsanwalt. "Natürlich ist Gesetz auch politisch." Er erhoffe sich, dass die Justiz einen neutralen und objektiven Blick auf den jeweiligen Fall werfe. Die Behauptung, jeder Fall werde neutral und gleich behandelt, sei leider bislang falsch.
Oft sei es schon ein Erfolg, wenn ein Gerichtsverfahren überhaupt stattfinde, sagt Daimagüler. Viele Opfer rechtsextremer Gewalt kämen gar nicht zu ihrem Recht, weil Verfahren beispielsweise eingestellt würden oder die Polizei den rassistischen Aspekt einer Straftat gar nicht erfasste. Viele Straftaten landeten deshalb leider nie vor Gericht.
Daimagüler fände es deshalb gut, wenn schon im Jurastudium mehr Vielfalt gefördert werde. Die Richterschaft spiegele bisher nicht die Gesellschaft wider.
Daimagüler fände es deshalb gut, wenn schon im Jurastudium mehr Vielfalt gefördert werde. Die Richterschaft spiegele bisher nicht die Gesellschaft wider.