Anwendung von Folter schadet der Terrorismusbekämpfung

Guido Steinberg im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Dass die USA im Kampf gegen den Terror auch Folter eingesetzt haben, habe einer "nachhaltigen Terrorismusbekämpfung" eher geschadet, findet Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das seien "Überreaktionen wie aus dem Lehrbuch" und erhöhten die Motivation von Sympathisanten, sich den Terroristen anzuschließen.
Hanns Ostermann: Dieser Film dürfte auch bei uns heftig diskutiert werden: Die CIA-Jagd auf Osama bin Laden. Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" kommt heute in die deutschen Kinos. Vor allem die Bilder über die Foltermethoden schockieren in den USA viele. Leidenschaftlich die Diskussionen über das Für und Wider des Waterboarding beispielsweise.

"Zero Dark Thirty", ein Film, der heute bei uns in die Kinos kommt und vor allem die Folter als Mittel des Antiterrorkampfes problematisiert. Guido Steinberg ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Ich habe ihn zunächst gefragt: Gäbe es die Folter nicht, müsste sie erfunden werden, um Terroristen erfolgreich zu bekämpfen?

Guido Steinberg: Nein, natürlich nicht. Es gibt Staaten, die in den letzten Jahrzehnten gezeigt haben, dass man Terroristen durchaus erfolgreich bekämpfen kann, ohne zu foltern oder zumindest ohne Folter staatlicherseits zu legalisieren. Die Briten in Nordirland beispielsweise haben das vorgemacht, die Deutschen mit etwas weniger Erfolg mit der RAF, aber letzten Endes halt doch erfolgreich.

Es muss meines Erachtens eher befürchtet werden, dass Folter, zumindest dann, wenn sie publik wird, den Zielen einer nachhaltigen, längerfristigen Terrorismusbekämpfung eher schadet. Es gibt wenige Dinge, die dem Ansehen der USA auch in islamistischen Kreisen, in muslimischen Staaten so geschadet haben wie ihre Folter und die Zusammenarbeit mit Regimen, die dann ihre Gefängnisinsassen ähnlich behandelt haben.

Ostermann: Von Paranoia ist immer wieder die Rede, von Verfolgungswahn. Wie hat der Kampf gegen den Terrorismus die USA verändert?

Steinberg: Ja, man kann diese Paranoia meines Erachtens bis heute noch spüren, auch wenn das sicherlich ein hartes Wort ist, was die aktuelle Administration angeht. Und zwar spürt man die immer dann, wenn es um das Thema El Kaida, ausländische Kämpfer geht, dann sind die Amerikaner immer sofort dabei, dann scheint ganz offensichtlich dieses Bild vom 11. September in sehr vielen politischen Köpfen in Washington wieder aufzustehen.

Und tatsächlich sind die USA in den Jahren nach dem 11. September von ganz vielen Dingen, die ihnen eigentlich wichtig und teuer waren, abgegangen. Der sicherlich schwerste Sündenfall in der amerikanischen Terrorismusbekämpfung nach 2001 war der Irakkrieg, an zweiter Stelle kommen aber dann diese Verschleppungen von Gefangenen in Geheimgefängnisse, "Rendition" genannt von den Amerikanern, die schlimme Folter an ganz, ganz vielen Gefangenen, von denen in einigen Fällen noch nicht einmal so sicher ist bis heute, ob sie denn zur El Kaida gehören.

Und wie gesagt, diese Dinge haben der amerikanischen Terrorismusbekämpfung eher geschadet. Das sind Überreaktionen wie aus dem Lehrbuch, von denen man immer wieder hört, liest und schreibt, dass sie zu vermeiden seien, weil sie gegebenenfalls dann die Motivation der Sympathisanten noch einmal verstärken, sich den tatsächlichen Terroristen anzuschließen.

Ostermann: Wie hat der Kampf gegen den internationalen Terrorismus Barack Obama verändert, einst ein liberaler Jurist, jetzt Präsident und verantwortlich für sein Land?

Steinberg: Ich glaube nicht, das Barack Obama einen so großen Wandel durchgemacht hat, ich glaube viel eher, dass wir ihn am Anfang etwas blauäugig betrachtet haben und jetzt eben erkennen müssen, dass ein amerikanischer Präsident ganz selbstverständlich Mittel einsetzt, die für uns – zumindest für die bundesdeutsche Politik – viel zu weitgehend sind. Da ist das Stichwort sicherlich der Einsatz von Drohnen.

Gegen alle anderen Überreaktionen der Bush-Administration hat er sich mehr oder weniger erfolgreich gewehrt. Er hat zwar Guantánamo nicht schließen können, aber er hat die Zahl der Insassen doch drastisch reduziert. Er hat entsprechende Order gegeben, dass nicht mehr gefoltert wird überall dort, wo Terrorverdächtige gefangen werden, auch wenn natürlich viele Praktiken, die in den USA normal sind, bei uns nicht geduldet würden.

Tatsächlich ist bei Obama das, was ihm am meisten zu schaffen macht in Augen der Europäer, der Drohnenkrieg, insbesondere in Pakistan, den ich allerdings für weitgehend unverzichtbar und auch für sehr erfolgreich halte.

Ostermann: Der Drohnenkrieg, über den wird auch deshalb gestritten, weil mit diesen Mitteln ja die Gefahr besteht, dass nicht nur Terroristen getötet werden, sondern auch Leute, die sich in ihrem Umfeld bewegen. Ist die Gefahr wirklich so groß?

Steinberg: Ja, die Gefahr ist natürlich sehr groß. Zunächst einmal besteht die Gefahr, dass man auf Grundlage von falschen Informationen handelt und das ganz falsche Ziel trifft. Das ist in der Vergangenheit passiert. Und dann müssen die Entscheidungsträger immer wieder sich die Frage stellen, wie weit denn der legitime Kreis der Opfer oder der Kreis der legitimen Opfer ist rund um den Terrorverdächtigen.

Saubere Mittel in der Kriegsführung gibt es ganz schlicht nicht und auch der Drohnenkrieg ist natürlich kein sauberes Mittel, er ist ein höchst problematisches Mittel. Aber in Pakistan zumindest wahrscheinlich nicht zu ersetzen.

Ostermann: Der Kampf der USA gegen den internationalen Terrorismus. Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Steinberg, danke für das Gespräch!

Steinberg: Vielen Dank!

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